Hauptstadtkongress Medizin & Gesundheit - Quo vadis, deutsches Gesundheitssystem? Wo Probleme und Lösungen diskutiert werden

Quo vadis, deutsches Gesundheitssystem?<span class="copyright">Getty Images</span>
Quo vadis, deutsches Gesundheitssystem?Getty Images

In der nächsten Woche startet der Hauptstadtkongress Medizin & Gesundheit. Hier wird das deutsche Gesundheitssystem auf den Prüfstand gestellt – und Lösungen gefunden. Wolfgang van den Bergh, der wissenschaftliche Leiter für Gesundheitspolitik erklärt, worauf es in diesem Jahr ankommt.

Das Bild vom Haifischbecken macht seit Jahrzehnten die Runde, wenn davon die Rede ist, Reformen im deutschen Gesundheitswesen durchzusetzen. Der frühere Gesundheitsmister Horst Seehofer (CSU) hat dieses Bild Anfang der 90-er gebraucht, um damit zu beschreiben, wie hart hinter den Kulissen um jeden Kompromiss gerungen wird.

Heute steht die Gesundheit mehr denn je im Zeichen des öffentlichen Interesses, auch der Ton ist bisweilen rauer geworden, weil die Aufmerksamkeit für das Thema größer geworden ist. Zurecht! Denn wer will hohe Preise für durchschnittliche Qualität bezahlen, wie Politiker etwa im Kontext der großen Klinikreform moniert haben. Darüber braucht es einen offenen und konstruktiven Diskurs, der eben nicht hinter den Kulissen oder in Hinterzimmern, sondern auf offener Bühne geführt wird.

Der Hauptstadtkongress Medizin & Gesundheit vom 26. bis zum 28. Juni im Hub 27 (Messe Berlin) bietet seit über 25 Jahren diese Bühne, um an drei Tagen medizinische und pflegerische Versorgung in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei richtet sich der Fokus auch auf die Gesundheitswirtschaft, die Wissenschaft, die Verbände und die Politik.

Bessere Gesundheitsversorgung mit weniger Geld? Schlagabtausch erwartet

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, mit welcher Geschwindigkeit Wissenschaft und Forschung voranschreiten. Medizin ist Erfahrungswissenschaft und nicht immer nur Evidenz basiert. Beides zusammen sind die Erfolgsfaktoren für medizinischen Fortschritt, um Leiden zu lindern und Menschen zu heilen. Fortschritte, die erst eine Gesellschaft des längeren Lebens ermöglichen. Doch profitieren die Menschen in Deutschland von diesem Fortschritt? Ja! Dennoch gibt es die große Sorge, dass dies schon bald nicht mehr der Fall sein könnte, wenn Krankenkassen an ihre finanzielle Belastungsgrenze stoßen.

Was tun also in Zeiten, in denen die Leistungsversprechen der Politik die Reserven im Gesundheitsfonds sukzessive aufbrauchen? Die Spitzen der Krankenkassen fordern eine nachhaltige und solidarische Finanzierung und erinnern die Ampel-Parteien an ihr Versprechen, etwa die Bundeszuschüsse zu dynamisieren und die Kosten für die Bürgergeldempfänger über Steuern zu finanzieren. Der argumentative Schlagabtausch dazu dürfte beim Hauptstadtkongress spannend werden, insbesondere seit feststeht, dass es ebenfalls einer dringenden Finanzreform der Pflegeversicherung bedarf.

Deutschland nicht mehr erste Wahl als Wissenschafts- und Forschungsstandort

Aber nicht nur hier droht Ungemach: Deutschland gilt für viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowie Forscher und Forscherinnen bei der Jobsuche längst nicht mehr als erste Wahl. Dieser Funke droht auf Firmen überzuspringen, Forschung, Entwicklung und Produktion aus Deutschland abzuziehen. Die Bundesregierung hält dagegen, konkret mit einem Gesetz, dem Medizinforschungsgesetz, in dem die Rahmenbedingungen, Verfahrensregeln und Prozesse verschlankt und vereinfacht werden sollen.

Doch reicht das aus? Braucht es vielmehr eine langfristige Strategie? Insbesondere vor dem Hintergrund neuer vielversprechender gentherapeutischer Verfahren, die etwa in der Onkologie oder bei seltenen Erkrankungen zum Einsatz kommen können. Die Antworten darauf gibt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am zweiten Kongresstag im Gespräch mit Jens Scholz, dem Vorstand des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und Vorsitzenden des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands. Im Forum Spitzenmedizin wird dieses Thema gerade mit Blick auf zu erwartende Innovationen vertieft.

Nutzen wir in Deutschland das Potenzial, das durch den Einsatz der Künstlicher Intelligenz möglich ist? Es macht kein gutes Bild, wenn Politiker heute Vorgänger-Regierungen dafür verantwortlich machen, die Digitalisierung in den vergangenen 20 Jahren verschlafen zu haben. Interessanter ist vielmehr die Antwort auf die Frage, wie wir es schaffen, das Ruder herumzureißen und mehr Geschwindigkeit aufzunehmen. Ist dafür mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz der Grundstein gelegt? Darüber diskutieren in der Eröffnung des Hauptstadtkongresses Alexander Britz (Microsoft), Elisabeth L’Orange (Oxolo) und Daniel Rückert (TUM School of Medicine and Health der TU München) mit dem Kongresspräsidenten Karl M. Einhäupl.

Applaus hilft nicht, den Menschen Papier und Bürokratie von den Schultern zu nehmen

Wir reden über und mit den Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind, die immer noch den Applaus hören, der ihnen im Zuge ihres unermesslichen Engagements bei der Covid-Pandemie gespendet worden war. Heute wissen wir: Applaus hilft nicht, den Menschen Papier und Bürokratie von den Schultern zu nehmen. Ebenso wenig reicht eine Erhöhung der Gehälter als Motivationsfaktor. Hinzu kommt die Ungewissheit, was auf sie mit der großen als „Revolution“ verkauften „Leben rettenden“ Klinikreform zukommt.

Reden wir Klartext, wenn Klinikmanager, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte ihre Positionen mit Politikern austauschen. Die Grundlage dafür liefert wie in jedem Jahr der mit Spannung erwartete Krankenhaus-Rating Report, der exklusiv am zweiten Kongresstag von Boris Augurzky vorgestellt wird.

Im „Innovation Village“ präsentieren Startups Ideen für bessere Gesundheitsversorgung

Drei Tage Medizin und Gesundheit in über 90 Veranstaltungen mit über 460 Referentinnen und Referenten: Mehr als 50 Prozent der zirka 1700 Kliniken in Deutschland sind durch den jeweiligen Vorstand, die Geschäftsführung, die ärztliche und/oder pflegerische Leitung vertreten. Erwartet werden etwa 5000 Besucherinnen und Besucher. Sie alle tragen mit dazu bei, den Hauptstadtkongress zu einem Seismographen für gesundheitspolitische Wellen und Schwingungen zu machen. Wir fragen nach, wann mit welchen Reformen in dieser Legislaturperiode noch zu rechnen ist, was auf Beschäftigte im System, aber auch auf  Versicherte und Patienten zukommen, reden über Innovationen in Therapie und Diagnostik, verbunden mit dem Einsatz von Telematik, Robotik und Chat-GPT und sprechen nicht zuletzt mit der zukünftigen MedizinerInnen-Generation.

Und dabei legt der Hauptstadtkongress großen Wert darauf, nicht nur die Herausforderungen des gesundheitspolitischen Alltags mit den Menschen zu diskutieren, sondern auf „Best-Practice-Projekte“ hinzuweisen sowie Vorschläge und Ideen zu entwickeln, welche Lösungen aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Dazu lädt der Kongress ins „Innovation Village“ ein, in dem junge Startups ihre Ideen für eine bessere Gesundheitsversorgung präsentieren. Darüber hinaus verteilen sich etwa 150 Aussteller auf 4.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche.

Der  Hauptstadtkongress 2024 – sicherlich kein Haifischbecken und schon gar keine Hinterzimmer-Veranstaltung, wenn das „Who is Who“ der Gesundheitspolitik sich die Klinke in die Hand gibt.

Ein Hinweis: Wir erleben seit Jahren bzw. Monaten die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Ukraine und im Gaza-Streifen. Menschen werden getötet, Menschen werden schwer verletzt, sind traumatisiert. In einer Sonder-Veranstaltung nach der Eröffnung des Kongresses sprechen wir über „Medizinische Versorgung unter Kriegsbedingungen – in Israel und in der Ukraine“ Wir hören Schilderungen aus erster Hand. (12:45 bis 13:45 Uhr)