Ein Jahr Krieg, ein Jahr Flucht - oft per Eisenbahn

Der Beginn des Einmarsches russischer Truppen in die Ukraine schlug nach und nach Millionen von Menschen in die Flucht. Viele traten den Auszug aus der Heimat per Zug an. Die Lage änderte sich auch für die Ukrainische Eisenbahngesellschaft täglich.

Den Fluchtbewegungen entsprechend wurden die Fahrpläne angepasst, immer abhängig davon, wo der größte Bedarf bestand und wo sich die meisten Menschen auf den Bahnhöfen eingefunden hatten. Euronews-Reporterin Sasha Vakulina sprach mit dem Geschäftsführer der Ukrainischen Eisenbahngesellschaft.

Oleksandr Kamyshin, Geschäftsführer der Ukrainischen Eisenbahngesellschaft: Diese Tage waren ein Alptraum. Aber wir haben der Bevölkerung, unseren Leuten das Gefühl gegeben, dass sie zum Bahnhof kommen konnten und das ausreichend wäre. Sie waren in Sicherheit. Sie konnten erste Hilfe bekommen, medizinische Hilfe, psychologische Hilfe, etwas Essen, heißen Tee, und bis zum Ende des Tages in Sicherheit gebracht werden. Langsam und unbequem, aber sie wurden an einen sichereren Ort gebracht. Wie viele Menschen, wie viele Unternehmen, wie viele Stellen in der Ukraine haben wir uns auf den Krieg vorbereitet. Aber für diese Art von Krieg waren wir nicht bereit. Ein groß angelegter Einmarsch mit Beschuss und Luftangriffen und so weiter. Ich möchte nicht mehr in eine Situation geraten, auf die ich nicht vorbereitet bin. Deshalb sind wir seit dem Sommer auf alles vorbereitet. Das Umfeld ist ein anderes. Wir bereiten uns auf jeden Fall vor, der eintreten könnte.

euronews: Mit welcher Verzögerung hat die Eisenbahngesellschaft den Betrieb in den zurückeroberten Gebieten des Landes aufgenommen?

Kamyshin: In Cherson haben wir eine Woche gebraucht. Ich und meine Belegschaft waren am zweiten Tag nach der Rückeroberung dort. Dann am vierten Tag. Dann eine Woche danach haben wir den ersten Zug eingesetzt. Es war schwierig, denn wir mussten die Infrastruktur in Stand setzen, Kampfmittel entschärfen, Gleise, den Bahnhof und den ganzen Bereich in Stand setzen.

euronews: Simferopol, Cherson, Luhansk, Sewastopol, Kertsch, Berdiansk: Wohin fahren Sie nach dem Sieg?

Kamyshin: Wenn Sie sich erinnern, sagte der Präsident zu David Letterman, dass er eines Tages ans Meer fahren und ein Bier trinken werde. Und am Geburtstag des Präsidenten habe ich ihm versprochen, dass ein Zug zu den Stränden auf der Krim fährt. Wahrscheinlich fahren wir mit demselben Zug.