Kommentar von Politik-Experte Krause - Was Putin und Kim hinter verschlossenen Türen planten? Ich habe eine Befürchtung

Russlands Präsident Putin in Nordkorea: Was hinter dem Treffen mit Kim steckt, analysiert Politik-Experte Joachim Krause.<span class="copyright">Gavriil Grigorov/Sputnik Kremlin</span>
Russlands Präsident Putin in Nordkorea: Was hinter dem Treffen mit Kim steckt, analysiert Politik-Experte Joachim Krause.Gavriil Grigorov/Sputnik Kremlin

Nach dem Besuch Putins in Nordkorea rätseln die Beobachter, was jenseits der offiziell verlautbarten Sprache tatsächlich in den bilateralen Gesprächen vereinbart worden ist. Der Besuch ist Teil der Bemühungen Putins, den Ukraine-Krieg zu gewinnen, auch wenn darüber die Welt in Scherben geht.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat mit seiner schon betagten Iljuschin IL-96 Pjöngjang verlassen, wo ihm ein glanzvoller Empfang bereitet worden war. Mittlerweile rätseln alle, was zwischen ihm und dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un vereinbart wurde. Sicher scheint, dass Russland weitere Lieferungen an Artilleriemunition erhalten wird und ebenso Waffensysteme, die im gnadenlosen Abnutzungskrieg auf russischer Seite eingesetzt und vielen Ukrainern das Leben kosten werden. Aber die Frage bleibt: Was hat Putin sonst zugesagt?

In Washington macht man sich in diesem Zusammenhang vor allem darum Sorgen, dass Russland Nordkorea die Technologie für Wiedereintrittskörper liefern könnte. Nordkorea besitzt zwar Interkontinentalraketen, mit denen es die USA treffen kann. Aber ohne Wiedereintrittskörper, versehen mit einem speziellen Hitzeschild, wäre es nicht wirklich in der Lage die USA mit Kernwaffen zu bedrohen. Zwar können die USA Nordkorea sehr viel massiver nuklear bedrohen als umgekehrt. Aber was nicht übersehen werden darf: es gibt ein stabiles, aber dennoch prekäres nuklearstrategisches Gleichgewicht zwischen den USA und Russland, welches auf dem ungefähren Gleichstand der beiderseitigen Optionen und der Angriffssysteme basiert und das im New-START-Treaty noch festgeschrieben ist.

USA muss aufrüsten, um Atom-Gleichgewicht zu bewahren

Durch die Zurverfügungstellung von Wiedereintrittskörpertechnologie an Nordkorea wäre dieses Gleichgewicht gefährdet. Zudem bringt China seit einiger Zeit strategische Nuklearwaffen gegen die USA in Stellung. Beide Entwicklungen führen dazu, dass die USA weitere Kernwaffen aufstellen müssen. Der 2026 auslaufende New-START-Vertrag wird dann nicht durch einen neuen Vertrag ersetzt werden können, weil sich China dem strategischen Dialog mit Washington verweigert. Ein wesentliches Element strategischer Stabilität würde fehlen, welches während der Zeit des Ost-West-Konfliktes entscheidend zur Beruhigung beigetragen hatte.

Die zweite Sorge betrifft den Vertrag über gegenseitigen militärischen Beistand für den Fall, dass eine der beiden Seiten Gegenstand einer Invasion wird. Damit wird der alte, 1961 zwischen der damaligen Sowjetunion und Nordkorea geschlossene Vertrag wieder belebt. Da weder Russland noch Nordkorea in absehbarer Zeit Gegenstand einer Invasion sein werden, bleibt die Frage, was dieser Vertrag zu bedeuten hat.

Greift Kim Jong-un Südkorea an?

Es gibt zwei Interpretationen, die beide nicht sehr beruhigend sind. Die eine besagt, dass Nordkorea möglicherweise nicht nur Waffen, sondern auch Soldaten oder ganze Einheiten nach Russland schickt, die in den Krieg gegen die Ukraine eingreifen werden. Die andere besagt, dass sich Nordkorea russischen Beistand für den Fall gesichert hat, dass es zu einem Krieg auf der koreanischen Halbinsel kommt. Der international renommierte amerikanische Korea-Experte Siegfried Hecker hat schon vor wenigen Monaten davor gewarnt, dass Kim Jong-un beabsichtige, einen Krieg gegen Südkorea zu führen. Zur Erinnerung: Sein Großvater Kim Il Sung fing 1950 den Korea-Krieg auch erst an, nachdem er sich Rückendeckung bei Stalin gesucht hatte.

Hinter allem steht die Frage, welche Schäden der russische Präsident Putin noch verursachen will, um den Krieg gegen die Ukraine zu gewinnen. Putin ist offenkundig bereit, für seine Version des „Endsiegs“ eine Krise der internationalen Politik vom Zaun zu brechen, die das Potenzial hat, in einen Weltkrieg überzugehen. Das ist nicht der Weltkrieg den Bundeskanzler Olaf Scholz im Sinn hat, wenn er Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt, die Russland angeblich zu Atomschlägen gegen Deutschland veranlassen könnten.

Es ist der sehr viel wahrscheinlichere, schleichende Weltkrieg, der dadurch entsteht, dass Russland zum einen die nuklearstrategische Stabilität und die begrenzte Kooperation zur Verhinderung von Kernwaffenkriegen schlicht beiseite schiebt.

Es ist zum anderen, dass Russland Länder wie China, Nordkorea, Iran aber auch Venezuela und Serbien dazu anstiftet, eingefrorene Konflikte wieder aufleben zu lassen oder aber bestehende Konflikte zu eskalieren. Der schleichende Weltkrieg wird zu einem offenen Weltkrieg sollte sich China dazu entschließen, Taiwan anzugreifen oder gleich die amerikanische Militärpräsenz in Ostasien. Oder wenn Nordkorea einen Krieg gegen den Süden vom Zaun bricht.

Verhandlungen mit Putin sind alle gescheitert

Man wird den rasenden Putin nicht von der Verfolgung seiner Ziele abhalten können, indem man ihm Verhandlungen anbietet. Das haben viele getan – immer ohne Erfolg. Viel wichtiger ist es, ihm die Grenzen seines Handelns aufzuzeigen. Und das geht wohl offenkundig nicht ohne die Mobilisierung von militärischer Macht.