Bei "Markus Lanz": Ministerpräsident Weil fürchtet "schleichende Deindustrialisierung"

Im Gespräch mit Markus Lanz brachte SPD-Politiker Stephan Weil seine Sorgen zum Ausdruck, als es um den Wirtschaftsstandort Deutschland ging. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Im Gespräch mit Markus Lanz brachte SPD-Politiker Stephan Weil seine Sorgen zum Ausdruck, als es um den Wirtschaftsstandort Deutschland ging. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Nach dem Ausstieg aus der Kernkraft blicken viele mit Sorge auf die steigenden Strompreise. Bei "Markus Lanz" äußerte SPD-Politiker Stephan Weil unverhohlen Ängste über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Für Markus Söders Weiterbetriebs-Pläne gab es dennoch nur beißenden Spott.

Am vergangenen Samstag gingen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz, doch es scheint, als sei das Thema noch längst nicht vom Tisch. Mit den steigenden Strompreisen werden immer mehr sorgenvolle Stimmen im Land laut. Allen voran CSU-Chef Markus Söder. Bayerns Ministerpräsident, der im Herbst wiedergewählt werden will, brachte zuletzt eine Länderzuständigkeit beim Weiterbetrieb der Kernkraft ins Spiel.

Ein hochbrisantes Thema, das auch bei "Markus Lanz" am Donnerstagabend diskutiert wurde. Über den Abschied von der Kernkraft sagte "FAZ"-Journalistin Helene Bubrowksi zunächst: "Wir gehen hier europäisch gesehen einen Sonderweg, und ich frage mich manchmal, woher die Grünen die Gewissheit nehmen, dass das alles so richtig ist. Da wünsche ich mir manchmal in politischen Debatten mehr Demut."

Eine Aussage, der SPD-Politiker Stephan Weil in Teilen zustimmte. Der niedersächsische Ministerpräsident ergänzte jedoch: "Demut würde meines Erachtens auch heißen, dass man sich fragt, wie man mit dem Atommüll umgeht. Darauf gibt es in Deutschland noch immer keine Antwort. Irgendwann ist alles ausdiskutiert und es muss entschieden werden. Das Hin und Her ist wirklich verkehrt in der Energiepolitik." Markus Lanz sprach daraufhin die hohen Strompreise an und wollte von dem Politiker wissen: "Wann wird der Storm günstiger?" Weil antwortete knapp: "Beim Industriestrom wird es mit Beginn 2025 günstiger."

Im ZDF-Talk diskutierten am Donnerstag, von link: Gastgeber Markus Lanz, Ministerpräsident Stephan Weil, Journalistin Helene Bubrowski, Bahn-Experte Christian Böttger und Schienenverkehr-Beauftragter Michael Theurer. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Im ZDF-Talk diskutierten am Donnerstag, von link: Gastgeber Markus Lanz, Ministerpräsident Stephan Weil, Journalistin Helene Bubrowski, Bahn-Experte Christian Böttger und Schienenverkehr-Beauftragter Michael Theurer. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

AKW-Weiterbetrieb: Journalistin wettert gegen "totales Luftschloss" von Markus Söder

Mit Blick auf Markus Söders jüngste Forderung sagte der SPD-Politiker ähnlich besonnen: "Die Frage Atomkraft 'Ja' oder 'Nein' muss jetzt mal langsam entschieden sein, nachdem wir jahrzehntelang darüber diskutiert haben." Deutlicher wurde Helene Bubrowksi, die im Gespräch mit Markus Lanz gegen den bayerischen Ministerpräsidenten wetterte: "Seine These, dass man das Ganze jetzt von Bayern aus lenkt, ist überhaupt nicht zu realisieren. Das ist ein totales Luftschloss eines wahlkämpfenden Ministerpräsidenten, der versucht, seine Felle zu retten. Erst aus der Atomkraft und dann aus der Kohlekraft auszusteigen, war vielleicht ein Fehler. Es ist aber so entschieden worden und jetzt muss man die Schritte, die vereinbart wurden, konsequent durchsetzen."

Dies brachte die Runde auf die Frage zur Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. SPD-Politiker Stephan Weil gab im Gespräch mit dem ZDF-Moderator offen zu: "Ich mache mir Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Man könnte von einer schleichenden Deindustrialisierung reden, die da droht. Wir müssen deshalb umso mehr wettbewerbsfähige Preise haben beim Strom. Das Thema macht mich unruhig."

Michael Theurer, Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr, ergänzte mit ernster Miene: "Wir haben lange keine Situation mehr in Deutschland gehabt, in der man um Industrie kämpfen musste. Aber jetzt ist es so." Vor allem "von China müssen wir uns unabhängig machen - auch aus Sicherheitsgründen", forderte der FDP-Mann.

Stephan Weil nickte zustimmend: "Man muss voller Respekt sagen, dass die chinesische Wirtschaft absolut leistungsfähig ist. Insofern muss man die Herausforderung annehmen." Markus Lanz fragte den Politiker daraufhin, ob milliardenschwere Subventionen möglich seien. Weil formulierte eine indirekte Forderung an FDP-Chef Christian Lindner: "Das Schlimmste, was einem Finanzminister passieren kann, ist tatsächlich, nichts zu tun."

Experte Christian Böttger (rechts, mit dem Schienenverkehr-Beauftragen Michael Theurer) machte deutlich, was bei der Deutschen Bahn seit Jahren schon schiefläuft. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
Experte Christian Böttger (rechts, mit dem Schienenverkehr-Beauftragen Michael Theurer) machte deutlich, was bei der Deutschen Bahn seit Jahren schon schiefläuft. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Bahn-Debakal: Experte sieht Versagen der Politik

Auch bei der Deutschen Bahn und dem Debakel rund um den deutschen Schienenverkehr gibt es laut Stephan Weil Handlungsbedarf: "Wir haben ein unabstreitbares Problem, und das müssen wir wegarbeiten." ZDF-Moderator Markus Lanz stimmte zu: "Wir erzählen uns seit Jahrzehnten, wir müssen mehr für die Schiene tun, investieren aber immer weniger. Es wird viel erzählt, dass wir ein neues Deutschland-Tempo brauchen, aber es passiert nichts." Den Grund dafür sieht Bahn-Experte Christian Böttger in der Politik, denn "die Politik hat die Bahn vernachlässigt".

Vor allem finanziell sieht der Bahn-Experte einen steten Abfall, wie er bei "Markus Lanz" deutlich machte: "Man hat in den letzten Jahren das Netz massiv zurückgebaut, um Geld zu sparen. Vor 20 Jahren war uns die Schiene noch 20 Milliarden wert, heute sind es 2 Milliarden pro Jahr." Eine Zahl, die den Bahnbeauftragten des Bundes, Michael Theurer, in Verlegenheit brachte. Er versprach deshalb am Donnerstagabend: "Das System Schiene erfordert langfristiges Denken. Wir wussten, dass da einiges im Argen liegt. Der Handlungsbedarf ist da. Es gibt Instandsetzungs-Rückstände, und das wollen wir anpacken. Es sollen 45 Strecken bis 2030 saniert werden."