Mediziner sagt seine Meinung - Angebliche Salzgefahr? Arzt entlarvt Tricks der Studienmacher

Salzstreuer und Krebsforschung: Eine aktuelle Studie zum Salzkonsum sorgt für Verwirrung – doch wie stichhaltig sind die Ergebnisse wirklich?<span class="copyright">Getty Images/Aleksandr Zubkov</span>
Salzstreuer und Krebsforschung: Eine aktuelle Studie zum Salzkonsum sorgt für Verwirrung – doch wie stichhaltig sind die Ergebnisse wirklich?Getty Images/Aleksandr Zubkov

Forscher lassen sich benutzen, aus Studien die Vermutungen aufstellen, Tatsachen zu formulieren. Diese werden genutzt, Angst zu erzeugen. Haben Menschen ausreichend Angst, erklingt der Ruf nach staatlichem Handeln. Mediziner Peter Paul Nawroth erklärt, ob das gerechtfertigt ist.

Erlebnisbericht: Eine ältere Dame hatte in mehreren Zeitungen gelesen, dass Salz Magenkrebs auslösen würde und gefährlich sei. Sie meinte: „Gut, dass es Politiker gibt, die den Salzgehalt mittels staatlicher Eingriffe verringern wollen.“

Was zeigt die Studie wirklich?

Diese Studie zeigt, wie krank unser Wissenschaftssystem in der Medizin ist. Krank, weil die Begutachtung schlecht war, sonst hätten die Gutachter genauer nachgefragt: Es wurde veröffentlicht, dass der Salzkonsum (Natriumchlorid) mit der Natriumausscheidung im Urin korreliert und dass häufigeres Nachsalzen der Speisen mit einem häufigeren Auftreten von Magenkrebs einhergeht.

Demnach müsste man erwarten, dass die Salzausscheidung im Urin mit der Häufigkeit von Magenkrebs korreliert. Aber die Salzausscheidung im Urin, die ja mit der Salzzufuhr zusammenhängt, hatte keinen Bezug zur Häufigkeit von Magenkrebs.

Wie kann das sein? Mehr Salz, das nicht im Urin nachweisbar ist? Das widerspricht sich doch! Also ist es wahrscheinlich, dass das ganze Ergebnis der Studie fehlerhaft ist und die Forscher sich nur auf einen Datensatz konzentrierten, der eine Story für die Menschen ergibt, die noch nicht Angst vor Salz haben – obgleich generell gilt:  Kein gesunder Mensch muss Angst vor Salz haben.

Take Home Message 1

Prüfen Sie, ob die Aussagen in einem Bericht plausibel sind! Wenn nicht: Vergissen Sie, was die Forscher sagen.

Die Peinlichkeit für diejenigen, die an das Ergebnis der Studie glauben: Es wurden über 400.000 Erwachsene in England befragt, ob sie nie, selten oder immer ihr Essen nachsalzen. Das Ergebnis: In der Gruppe derjenigen, die nie oder selten nachsalzten, erkrankten 0,123 Prozent an Magenkrebs, in der Gruppe derer, die immer nachsalzten, erkrankten 0,231 Prozent an Magenkrebs. Also nur ein Unterschied von 0,108 Prozent!

Aber eine Studie, die einen nur 0,108 Prozent Unterschied beschreibt, wird niemand interessieren. Also benötigen die Autoren einen Trick: Sie errechnen die „relative Risikosteigerung“. Was ist das? Der Anstieg von 0,123 auf 0,231 ist ein relativer Anstieg um fast 90 Prozent. Klingt gefährlicher als der nur 0,108 Prozent absolute Anstieg.

Das lässt sich veröffentlichen und hilft, die Angst vor Salz am Leben zu erhalten. Angesichts der marginalen Unterschiedes von nur 0,108 Prozent, ist es peinlich, dass so etwas den Weg in die Öffentlichkeit findet und Menschen verunsichert.

Zudem berichteten die Autoren ehrlich, dass der Korridor, innerhalb dessen das Ergebnis zu 95 Prozent richtig ist, von fast nicht messbar bis zu richtig groß reicht.

Wenn der Korridor der zu 95 Prozent richtigen Antwort so riesig ist und der gemessene Unterschied nur 0,108 Prozent beträgt, zeigt dies, dass die Daten nur geringe Beweiskraft haben.

So etwas sollten Forscher unter sich diskutieren, aber nicht in die Öffentlichkeit tragen, dass Nachsalzen Magenkrebs verursacht.

Für den viel zu breiten Korridor gibt es Ursachen: Die untersuchten Gruppen sind nicht perfekt vergleichbar, die Ereignisrate gering und der gemessene Effekt vernachlässigbar. Also ist das Ergebnis nicht nur nicht plausibel, sondern auch auf dünnem Eis gebaut.

Außerdem ergab eine kürzliche, umfassende Übersicht aller Studien zum Zusammenhang der Ernährung mit Krebs, dass nur für wenige Nahrungsmittel belastbare Daten vorliegen. Dies gilt für Brust-, Darm-, Leber-, Speiseröhrenkrebs, sowie Krebs im HNO-Bereich bei hohem Alkoholkonsum. Nicht bei hohem Salzkonsum!

Gute Studien ergeben ein anderes Ergebnis als schlampige Studien. Gute Studien sind deswegen öfter (aber leider nicht immer) in den Zeitschriften zu finden, die von den Wissenschaftlern ein höheres Niveau verlangen.

Zur Beruhigung: Die Studien, die Salz als gefährlich darstellen, sind nur Beobachtungsstudien. Diese schauen sich eine Gruppe von Menschen an und fragen, ob diejenigen, die mehr Salz essen, auch mehr Erkrankungen erleiden. Das Problem dieser Studien: Sie können nur schlecht Störgrößen ausschalten, zum Beispiel Unterschiede in psychosozialen Faktoren, wie Armut und Depression, die das Essverhalten beeinflussen.

Daher können solche Beobachtungsstudien nur Vermutungen aussprechen, aber nie etwas beweisen. Höherwertiger und belastbarer sind die Aussagen von Interventionsstudien, bei denen eine Änderung des Verhaltens geprüft wird. Da findet man zum Beispiel nur einen marginalen, wenn überhaupt einen Effekt einer Salzreduktion auf Erkrankungen. Daher ist die Salz-Verteufelung ebenso Unfug, wie das unkontrollierte Salzen.

Take Home Message 2

Fragen Sie insbesondere bei seltenen Ereignissen immer nach den absoluten Zahlen und lassen Sie sich nicht von relativen Vergleichen beeindrucken. Seien Sie skeptisch bei allen Beobachtungsstudien und verlasse sich - wenn möglich - nur auf gut durchgeführte Therapiestudien. Nur diese können ein Ursache – Wirkungs-Verhältnis beschreiben. Da diese Studienqualität beim Thema Salz nicht gegeben ist, gibt es für die aufgeregten Berichte über die Gefahr durch Salz keine wissenschaftlich haltbare Basis.

Man fragt sich dann: Wem nutzt diese Salz-Dramatisierung? Erstens denen, die davon leben, öffentlichkeitswirksame Schlagzeilen zu erzeugen, also den Forschern, denen nicht die Frage wahr/unwahr wichtig ist, sondern die Beeinflussung der Öffentlichkeit. Diese Forschungsrichtung wird immer häufiger mit staatlichen Forschungsmitteln versehen. Daher nehmen diese Drama-Warnungen zu, obwohl der wissenschaftliche Gehalt seit vielen Jahren unverändert ist.

Daraus erkennt man: Es gibt noch jemanden, der von der ungerechtfertigten Angstmache profitiert: Einzelne Politiker, die die Angstdaten nutzen, um daraus das Recht abzuleiten: Der Staat muss eingreifen, um unsere Gesundheit zu retten. Da dafür harte Daten fehlen, denn Beobachtungsstudien können nur Korrelationen beschreiben, also Vermutungen aufstellen, ist dies ungerechtfertigt. Ein Staat der ungerechtfertigt eingreifen möchte, verliert Vertrauen.

Take Home Message 3

Vorsicht bei Wissenschaftsaktivisten. Die erkennt man daran, dass sie zusammen mit Politikern erst mit angeblichen Studienergebnissen Angst einjagen. Ist dann die Angst groß genug, nehmen sie die Verängstigten wie „Kinder“ an die Hand und reden ihnen ein, sie bräuchten medizinische Hilfe oder staatliche Eingriffe, um ihr Leben führen zu können. Widerstehen Sie denen, die Sie erst verängstigen, um Sie dann beherrschen zu können! Denn die Wahrheit ist komplizierter:

Erlebnisbericht: Die alte Dame begann häufig zu stürzen, wurde schwächer und fühlte sich unwohl. Die Laboruntersuchung ergab ein erniedrigtes Natrium. Die Diagnose: SIADH – Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion – eine aus vielen Gründen mögliche Störung eines Hormons. Dies führt zum Abfall des Natriums im Blut. Die Folge: Stürze, Knochenschwund und andere Beschwerden. Ein Teil der Therapie: Am Abend Kartoffelchips, salzige Gurke, Salzstangen oder gesalzene Nüsse!

Den Erfolg spürte die alte Dame nach wenigen Tagen. Es ging ihr viel besser und sie stürzte viel seltener. Nur der Blutdruck stieg ein wenig. Die Erhöhung ihrer Blutdrucktablette von einer halben auf eine ganze regelte das dann wieder. Der alten Dame ging es noch bis zum 95. Lebensjahr recht gut.

Take Home Message 4

Bitte nicht glauben, dass alles was sich Studie nennt, den ganzen Umfang der Wahrheit wiedergibt. Deswegen immer kritische Fragen parat haben!

Praktischer Tipp: Eine Kartoffel, ein Stück Fisch und ein Stück Fleisch in 3 Teile teilen. Ein Teil ganz ohne Salz, eines mit einer geringen Menge Salz und eines kräftig salzen. Dann probieren, welche Salzmenge das natürliche Aroma am besten zur Geltung kommen lässt. Gesunder Menschenverstand weist die Lösung!

Take Home Message 5

Der Staat hat erst dann das Recht einzugreifen, wenn wir ein Problem nicht selber regeln können und der Lösungsweg des Staates nachweisbar richtig ist. Es war richtig, eine Vorschrift zu erlassen, die die Nutzung von Sicherheitsgurten verlangt. Eine staatlich angeordnete Salzreduktion ist falsch, da unbegründet. Wehret den Anfängen der Entmündigung durch eine „Gesundheitsdiktatur“. Sie wird schnell zum „Gesundheitsgewitter“.