Neue Freunde: Ein Dorf in Sachsen will seine Flüchtlinge behalten

Der Landkreis beschließt, 60 Asylbewerber in eine andere Unterkunft zu verlegen. Als die Bewohner von Wiederau davon erfahren, hagelt es Proteste.

Sachsen ist als Pegida-Land verschrien. Aber nicht überall begegnet man Fremden mit Hass. Während in Dresden demonstriert wird, kämpft nur 70 Kilometer davon entfernt ein Dorf für seine Flüchtlinge. Im 1000-Seelen-Ort Wiederau leben die Einwohner echte Willkommenskultur.

Sie sollen bleiben, die 60 jungen Männer aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und Iran. Der Landkreis Mittelsachsen hatte angekündigt, die Flüchtlinge in eine andere Unterkunft nach Rossau zu verlegen. Eine wirtschaftliche Entscheidung, hieß es. Doch die Beatmen hatten nicht mit Protesten der Bevölkerung gerechnet. Mittlerweile engagieren sich über 100 Einwohner aus Wiederau in der Flüchtlingshilfe. Die Meldung versetzte sie in Alarmbereitschaft. Die jungen Männer einfach ziehen lassen? Das kam für sie nicht infrage. Die Helfer nahmen die Flüchtlinge kurzentschlossen mit zu sich nach Hause.

Jeder Flüchtling hat einen Paten im Dorf

Der stellvertretende Bürgermeister Bernd Schönfeld lobt die „hohe Einsatzbereitschaft“ im Ort. „Jeder tut, was er kann“, sagt er. „Die Flüchtlinge fühlen sich bei uns wohl.“ Die Asylsuchenden bestätigen das. Auf eine Tafel schrieb einer der Männer: „Wir wollen in Wiederau bleiben. Wir haben Schule hier und wir haben eine Familie, aber in Rossau nichts.“

Inzwischen hat auch der Landkreis eingelenkt. In einer emotionalen Debatte beugte sich am Donnerstag Landrat Matthias Damm der Forderung der Wiederauer. Die Asylbewerber dürfen vorerst bleiben. Nicht alle sind glücklich darüber. Auf Facebook positioniert sich die Gruppe „Königshain-Wiederau sagt Nein zum Flüchtlingslager“. Dort hatte man den Umzug der jungen Männer bereits als Teilerfolg gefeiert. Nun schrieben die Gegner: „Dank der Flüchtlingshilfe Gruppe gibt es weiterhin einen gespaltenen Ort!“

Aus Fremden wurden Freunde

Tatsächlich hatte es viele kritische Stimmen gegeben, als bekannt wurde, dass Wiederau Flüchtlinge aufnehmen soll. Es folgten hitzige Diskussionen auf Gemeinderatssitzungen und Bürgerversammlungen. Doch als im vergangenen Jahr, zwei Tage vor Weihnachten, die ersten Männer eintrafen, zerstreuten sich viele Bedenken. Die Zahl der Helfer wuchs. Jeden Tag schaute jemand aus dem Dorf in der Zeltunterkunft vorbei. Jeder Flüchtling bekam einen Paten. Fußballspiele, gemeinsames Kochen und Ausflüge schweißten die Menschen zusammen. Aus Fremden wurden in kurzer Zeit Freunde. „Wenn es überall so wäre wie hier, könnten wir es schaffen“ sagt Schönfeld zur Flüchtlingskrise in Deutschland. „Beispiele wie Wiederau haben Signalwirkung.“

Foto: Flüchtlingshilfe Königshain-Wiederau

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