„An der Schwelle der Macht“ - Frankreichs Rechtspopulisten gewinnen erste Wahlrunde

Der französische Präsident Emmanuel Macron verlässt die Wahlkabine zur Stimmabgabe bei den vorgezogenen französischen Parlamentswahlen. Die mit Spannung erwartete Parlamentsneuwahl in Frankreich ist in die erste Runde gestartet. Foto: Yara Nardi/Reuters Pool/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++<span class="copyright">dpa</span>
Der französische Präsident Emmanuel Macron verlässt die Wahlkabine zur Stimmabgabe bei den vorgezogenen französischen Parlamentswahlen. Die mit Spannung erwartete Parlamentsneuwahl in Frankreich ist in die erste Runde gestartet. Foto: Yara Nardi/Reuters Pool/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++dpa

Die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich kommt einem politischen Beben gleich. Die Rechtsnationalen könnten stärkste Kraft werden. Nun richten sich alle Augen auf die kommende Woche.

Drei Wochen nach der Europawahl haben Frankreichs Rechtspopulisten erneut einen deutlichen Wahlsieg eingefahren. „Die extreme Rechte ist an der Schwelle der Macht“, räumte Premierminister Gabriel Attal am Sonntagabend in Paris ein. Nach Hochrechnungen kommt die Partei Rassemblement National (RN) in der ersten Runde der Parlamentswahl auf gut 33 Prozent. Nach manchen Prognosen könnte der RN nach der zweiten Runde am 7. Juli auf eine relative oder absolute Mehrheit kommen. Dabei gibt es aber noch viele Variablen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief angesichts des Wahlerfolgs der Rechtspopulisten zu einem „breiten, demokratischen und republikanischen Bündnis“ auf. Die hohe Wahlbeteiligung zeuge von dem „Willen, die politische Situation zu klären“, betonte der Präsident.

Kandidaten-Rückzug

Premierminister Gabriel Attal kündigte den Rückzug von etwa 60 Kandidaten in der zweiten Runde an, um den Sieg rechtspopulistischer Kandidaten zu verhindern. Das RN dürften im zweiten Wahlgang „keine einzige Stimme“ erhalten, sagte er. Das Regierungslager liegt mit etwa 21 Prozent abgeschlagen auf Platz drei.

Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront kommt nach den Hochrechnungen auf etwa 28 Prozent. „Wir haben sieben Tage Zeit, um Frankreich vor einer Katastrophe zu bewahren“, erklärte der sozialistische Politiker Raphaël Glucksmann.

Die Republikaner - ohne ihren abtrünnigen Parteichef Eric Ciotti - liegen bei zehn Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit mindestens 65 Prozent deutlich höher als 2022 mit 48 Prozent.

Le Pen geht aufs Ganze

Die Ex-Parteichefin des RN, Marine Le Pen, rief ihre Anhänger dazu auf, ihrer Partei in der nächsten Runde eine „absolute Mehrheit“ zu verschaffen. Macrons Lager sei „praktisch ausgelöscht“, erklärte Le Pen, die in ihrem Wahlkreis im Norden bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde.

Parteichef Jordan Bardella sieht sich bereits als künftiger „Premierminister aller Franzose“, falls seine Partei die absolute Mehrheit bekommen sollte. Er werde „verfassungstreu, aber unnachgiebig“ sein, kündigte der 28-Jährige an.

Niederlage für Macron

Der linkspopulistische Politiker Jean-Luc Mélenchon nannte das Ergebnis eine „schwere und indiskutable Niederlage für Macron“. Er erklärte, dass seine Partei La France Insoumise (LFI) manche Kandidaten ebenfalls zurückziehen werde, um den Sieg von RN-Kandidaten zu verhindern.

Frankreich-Experten warnten angesichts des Wahlergebnisses vor einer politischen Dauerkrise. „Es konkretisiert sich die Gefahr, dass Frankreich sich in einer Situation ohne parlamentarische Mehrheit wiederfindet“, sagte Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die politische Instabilität werde zunehmen, fügte er hinzu.

Die Verteilung der 577 Sitze der Nationalversammlung wird sich erst nach der zweiten Wahlrunde klären. 39 Abgeordnete des RN wurden bereits im ersten Wahlgang in die Nationalversammlung gewählt, vom Wahlbündnis Neue Volksfront konnten sich 32 Abgeordnete direkt durchsetzen, wie aus offiziellen Zahlen des Innenministeriums hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AFP vorlagen. Um in der ersten Runde gewählt zu werden, brauchen die Kandidaten nicht nur die absolute Mehrheit der Stimmen, diese müssen auch einem Viertel der eingeschriebenen Wähler entsprechen.

Vierte Kohabitation droht

Sollte der RN eine absolute Mehrheit erhalten, dürfte Frankreich zum vierten Mal eine Kohabitation erleben, in der Präsident und Premierminister unterschiedlichen Lagern angehören. Allerdings wären die ideologischen Unterschiede größer denn je zuvor.

Der RN ist mit einem stramm europa- und ausländerfeindlichen Programm angetreten. Die Partei hat zudem massive Wahlgeschenke in Aussicht gestellt, von denen es einige bereits abgemildert hat.

Konkret will die Partei Frankreichs EU-Beitrag verringern, eine Obergrenze für Einwanderung einführen, die Bewegungsfreiheit von Nicht-EU-Ausländern einschränken und Berufsverbote für Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit auf den Weg bringen. Als eine der ersten Maßnahmen soll die Mehrwertsteuer auf Gas und Treibstoff reduziert werden. Die Abschaffung der Rentenreform soll erst später geschehen.

„Wall Street Journal„: Peinliches Ergebnis für Macron

„Wenn Sie mit Emmanuel Macron in einem Kasino sind, dann ahmen sie nicht seine Einsätze nach. Der französische Präsident zockte, indem er eine kurzfristige Wahl zur Nationalversammlung ansetzte, und am Sonntag endeten er und seine Zentrumspartei auf einem schwachen dritten Platz im ersten Wahlgang. Die großen Sieger waren die Parteien der Rechten und der Linken (...) Das ist ein peinliches Ergebnis für Macron, der die unnötige kurzfristige Wahl ansetzte, nachdem das Rassemblemt National gut bei der kürzlichen Wahl zum Europäischen Parlament abgeschnitten hatte. Seine Wette war, dass die Wähler wieder nüchtern würden, wenn es um die Nationalversammlung ginge. Sie schenkten sich stattdessen noch einen Doppelten ein, mehr daran interessiert, eine Botschaft der Unzufriedenheit auszusenden als an Macrons Version einer zentristischen Nüchternheit.„

„La Stampa„: Macron hat Spiel verloren

Die italienische Zeitung „La Stampa“ befasst sich am Montag mit der Parlamentswahl in Frankreich:

«Mit seiner Entscheidung, die Abgeordnetenkammer aufzulösen, wollte Präsident Emmanuel Macron eine Front von Republikanern um sich scharen, um sich als einziges echtes Bollwerk gegen die extreme Rechte zu positionieren und wie 2017 und 2022 seine politische Wette erneut gewinnen. Aufgrund der zahlreichen Spaltungen zwischen der gemäßigten Linken und der radikalen Linken von Jean-Luc Mélenchon rechnete er nicht damit, dass sich diese Kräfte für die Wahl in Form einer neuen Volksfront zusammenschließen.

Emmanuel Macron hat dieses Spiel verloren. Der Präsident sieht sich mit einem Land konfrontiert, das in drei Lager gespalten ist, mit der sehr realen Möglichkeit, dass die republikanische Rechte und die Linke zum ersten Mal nicht in der Lage sein werden, sich zu verbünden, um die extreme Rechte an der Macht zu hindern.“

“De Tijd“: Macron hat sich überschätzt

Zum Erfolg der rechtsnationalen Partei Rassemblement National (RN) bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich meint die belgische Zeitung “De Tijd“ am Montag:

“Letztlich sagen diese Ergebnisse noch nicht viel über die endgültige Verteilung der Sitze im Parlament aus. Denn nächste Woche gibt es eine zweite Runde in den Wahlkreisen, in denen kein Kandidat eine absolute Mehrheit erreicht hat. Und dann kommen taktische Erwägungen bei der Stimmabgabe ins Spiel. Wenn es ein RN-Kandidat in die zweite Runde schafft - was angesichts der Ergebnisse der ersten Runde kein Problem ist -, schließen sich die anderen Parteien normalerweise zusammen, um ihn zu besiegen.

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