Warum ein verweigerter Handschlag kein Angriff auf die Emanzipation sein muss

Ein muslimischer Politiker wollte einer Journalistin nicht die Hand geben. Der Tumult war groß. Bleibt die Frage: Haben wir nicht andere Probleme?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Da zog Yasri Khan zurück. „Menschen können einander in unterschiedlicher Weise begrüßen. Die Hauptsache ist, respektvoll miteinander umzugehen“, sagte der schwedische Grünen-Politiker zu einer Fernsehjournalistin und legte die Hand aufs Herz.

Das schlug hohe Wellen. Es gibt Muslime, die wollen einer Frau nicht die Hand geben. Weil sie es gewohnt sind oder aus religiösen Gründen zu vermeiden versuchen. Manche tun es nicht, weil sie so im Volksislam erzogen worden sind und hinterfragen diese „Regel“ nicht. Andere versuchen dem Propheten nachzueifern und berufen sich auf Sprüche über ihn, die man – mit einer gewissen Dehnung – als Verbot des Handschlags deuten kann. Im Koran jedenfalls steht solch eine explizite Anweisung nicht. Es gibt auch Hardcore-Muslime, im Westen aufgewachsen, die den verweigerten Handschlag stilisieren um ihre tolle Frömmigkeit zu demonstrieren.

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Ich kenne sehr konservative Imame, die Frauen die Hand geben. Die meisten Muslime geben Frauen die Hand. Ein klares Muster ist da nicht zu erkennen.

Und dennoch wurde der schwedische Grüne mit Kritik überzogen, als habe er zum Heiligen Krieg gegen die Wikinger aufgerufen.

Dabei wird leider übersehen: Die Hauptsache ist tatsächlich, dass wir respektvoll miteinander umgehen. Die Frage wäre, ob sich die Fernsehjournalistin von der Geste mit der Hand auf dem Herz nun nicht respektvoll genug begrüßt fühlte oder nicht; eine Frage natürlich, die niemand für sie beantworten kann.

Das aber macht eine Diskussion darüber so schwer. Und eigentlich nicht so wichtig.

Strukturelle Fragen sind lästig

Denn das Motiv eines verweigerten Handschlags wird ja nicht gleich mitgeliefert. Sieht ein Muslim im Handschlag eine respektlose Geste gegenüber einer Frau? Eine Art Vorbote sexuellen Kontakts? Will er sie durch die Verweigerung nicht in ein sexualisiertes Schema pressen, sondern als Mensch begrüßen – oder tut er es gerade durch die Verweigerung?

Die Frage des Motivs ist eine komplizierte. Sollte zum Beispiel Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer bei einer seiner Russlandreisen mit einem sozialistischen Bruderkuss begrüßt werden – er dürfte sich unwohl fühlen und ihn verweigern. Es soll auch christliche Südeuropäer geben, die ungern nackt in die Sauna gehen. Und was ist mit einem Menschen wie dem TV-Privatdetektiv Adrian Monk, der aus psychischen Gründen keinem die Hand gibt – dürfte so einer nicht in die Politik?

Klar ist jedenfalls, dass Frauen in unserer Gesellschaft strukturell benachteiligt sind. Der Chef gibt seiner Angestellten einen freundlichen Händedruck, wenn er sie zu einem geringeren Gehalt einstellt, als ihre Kollegen erhalten. Er gibt ihr die Hand und schaut dabei verschmitzt ins Dekolleté (Wenn er Rainer Brüderle heißt, reißt er dazu noch einen zotigen Witz). Und er verabschiedet sie mit einem Händedruck, wenn sie in den Mutterschaftsurlaub geht und plant in Gedanken die Zukunft ganz überhaupt ohne sie.

Die Frage des Handschlags ist ein Nebenschauplatz. Frauen haben mit ganz anderen Hämmern zu kämpfen. Da ist diese Symbolfrage ein willkommener Anlass, um von den großen Problemen abzulenken.

Der schwedische Politiker Khan übrigens trat zurück. Er frage sich, sagte er, ob Politik im derzeitigen politischen Klima das Richtige für ihn sei – und ob er „dem Medienzirkus als Clown dienen“ wolle. Zum Harlekin hat man ihn tatsächlich gemacht. Die Medien müssen sich fragen, ob diese Debatte ihren Wert hat. Und Khan, ob sein verweigerter Handschlag auch.

Bilder: Cover Media und dpa

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