Zahl der Erdbeben-Toten auf mehr als 40.000 gestiegen

Gut eine Woche nach der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei und in Syrien stiegen die Todeszahlen immer weiter. Die WHO sagt, es sei die schlimmste Naturkatastrophen seit Jahrhunderten.

Seho Uyan, who survived a deadly earthquake, but lost his four relatives, sits in front of a collapsed building in Adiyaman, Turkey February 11, 2023. REUTERS/Sertac Kayar     TPX IMAGES OF THE DAY
Ein Überlebender des Erdbebens sitzt vor Trümmern. (Bild: REUTERS/Sertac Kayar)

Zahl der Toten steigt auf 40.000

Gut eine Woche nach der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Zahl der Toten auf mehr als 40.000 gestiegen. Alleine in der Türkei liege die Zahl bei 35.418, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge. Aus Syrien wurden zuletzt 5900 Tote gemeldet.

Rund 26 Millionen Menschen in beiden Ländern bräuchten humanitäre Unterstützung. "Jetzt ist die Zeit für die internationale Gemeinschaft, dieselbe Großzügigkeit zu zeigen, die die Türkei im Laufe der Jahre anderen Nationen weltweit gezeigt hat", sagte der aus London zugeschaltete Belgier. Das Land beherberge die größte Flüchtlingsbevölkerung der Erde.

"Wir erleben die schlimmste Naturkatastrophe in der WHO-Region Europa seit einem Jahrhundert", sagte Kluge über das Erdbeben, bei dem Zehntausende Menschen ums Leben gekommen sind. Das gesamte Ausmaß und die wahren Kosten seien noch immer nicht klar. An die Betroffenen gerichtet betonte er: "Euer Leid ist immens, eure Trauer sitzt tief. Die WHO steht euch in der Stunde der Not - und immer - zur Seite."

Mehr als eine Woche nach den verheerenden Erdbeben ist die Hoffnung mittlerweile gering, weitere Überlebende zu finden. "Die Rettungsphase, bei der Menschen lebend aus den Trümmern gezogen und bei der unter Trümmern Verstorbene gefunden werden, neigt sich dem Ende", sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths gestern während eines Besuchs im syrischen Aleppo.

Dennoch gibt es auch heute Medienberichte über drei Bergungen lebender Menschen aus den Trümmern. In der Provinz Kahramanmaras hätten Helfer am Morgen zwei 17 und 21 Jahre alte Brüder gerettet, berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu und der Sender "CNN Türk". Sie lagen demnach 198 Stunden unter den Trümmern. In der Provinz Adiyaman wurde demnach ein 18-Jähriger, der ebenfalls 198 Stunden verschüttet war, gerettet. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.

Grenzübergänge werden wohl geöffnet

Zur Verbesserung der humanitären Hilfe in schwer zugänglichen Erdbebengebieten Syriens will Präsident Baschar al-Assad Diplomaten zufolge zwei weitere Grenzübergänge in die Türkei öffnen. Bab Al-Salam und Al Ra'ee sollten für drei Monate geöffnet werden, berichtete Griffiths dem UN-Sicherheitsrat gestern mehreren Diplomaten zufolge.

Bislang können die Vereinten Nationen nur über einen Grenzübergang (Bab al-Hawa) Hilfe in Gebiete liefern, die nicht von der Regierung kontrolliert werden. Der Nordwesten Syriens wird von verschiedenen Rebellengruppen kontrolliert.

Ausmaß des Erdbebens in der Türkei und Syrien
Ausmaß des Erdbebens in der Türkei und Syrien. (Grafik: P. Massow, Redaktion: B. Schaller)

UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte die Entscheidung Assads: "Die Öffnung dieser Grenzübergänge - zusammen mit der Erleichterung des humanitären Zugangs, der Beschleunigung der Visagenehmigungen und der Erleichterung des Reisens zwischen den Drehkreuzen - wird es ermöglichen, dass mehr Hilfe schneller eintrifft."

Überlebenschancen nur noch gering

Die Zahl der bestätigten Toten lag bis zum frühen Dienstagmorgen bei mehr als 37.500, mehr als 80.000 Menschen wurden verletzt. Tausende werden weiter vermisst. Helfer bargen noch am Montag einzelne lebende Verschüttete. Überlebende, die jetzt noch gefunden werden, müssen Zugang zu Flüssigkeit gehabt haben - etwa zu Regenwasser, Schnee oder anderen Quellen. Normalerweise kann ein Mensch etwa 72 Stunden, also drei Tage, ohne Wasser auskommen, danach wird es lebensbedrohlich. Dieser Zeitraum ist bereits weit überschritten.

Unzählige Gebäude und Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Ein Bericht des Türkischen Unternehmens- und Geschäftsverbands Türkonfed schätzt den Schaden nach den Beben auf etwa 84 Milliarden Dollar (rund 79 Milliarden Euro).

Satellitenbilder zeigen langfristige Folgen

Dieses von Maxar Technologies bereitgestellte Satellitenbild zeigt einen Überblick über beschädigte Container und Hafenanlagen nach einem Erdbeben in Iskenderun, Türkei. In der gesamten Region gibt es erhebliche Schäden an kritischer Infrastruktur. (Bild: Satellitenbild/Maxar Technologies/dpa)
Dieses von Maxar Technologies bereitgestellte Satellitenbild zeigt einen Überblick über beschädigte Container und Hafenanlagen nach einem Erdbeben in Iskenderun, Türkei. In der gesamten Region gibt es erhebliche Schäden an kritischer Infrastruktur. (Bild: Satellitenbild/Maxar Technologies/dpa)

Die schweren Beben haben dabei nach Daten von Satelliten womöglich auch langfristige geologische Folgen. "In der Küstenstadt Iskenderun scheint es erhebliche Absenkungen gegeben zu haben, die zu Überschwemmungen geführt haben, während das Beben viele Hügel im ganzen Land einem ernsthaften Erdrutschrisiko ausgesetzt hat", hieß es von der europäischen Raumfahrtagentur Esa.

Dieses von Maxar Technologies bereitgestellte Satellitenbild zeigt einen großen Erdrutsch, der die Straße nach einem Erdbeben in Islahiye, Türkei, blockiert. (Bild: Satellitenbild/Maxar Technologies/dpa)
Dieses von Maxar Technologies bereitgestellte Satellitenbild zeigt einen großen Erdrutsch, der die Straße nach einem Erdbeben in Islahiye, Türkei, blockiert. (Bild: Satellitenbild/Maxar Technologies/dpa)

Der Sender "NTV" hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass Gebäude in der türkischen Küstenstadt wegen überfluteter Straßen evakuiert werden mussten.

Am frühen Morgen des 6. Februar hatte das erste Beben der Stärke 7,7 das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert, Stunden später folgte ein zweites Beben der Stärke 7,6. Seitdem gab es mehr als 2400 Nachbeben. In der Türkei sind zehn Provinzen betroffen - dort gilt inzwischen ein dreimonatiger Ausnahmezustand. Mehr als Hunderttausend Freiwillige reisten in die Erdbebenregion, um zu helfen. Einige von ihnen kehrten mittlerweile in ihre Heimat zurück, etwa mehrere deutsche Such- und Rettungsteams.

Im Video: Nur von oben sieht man das ganze Ausmaß der Zerstörung