Analyse von Ulrich Reitz - Mit umstrittenem DFB-Post verirrt sich Göring-Eckardt in grüner Identitätspolitik

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Katrin Göring-Eckhardt.Foto: dpa

„Stellt euch vor, da wären nur weiße deutsche Spieler.“ Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat sich im Dschungel grüner Identitätspolitik verirrt. Hier steht, wie sie dort wieder rauskommt.

Einige durchaus hilfreich gemeinte Anmerkungen zu Katrin Göring-Eckardt, weil sie sich im Dschungel grüner Identitätspolitik verlaufen hat. Und augenscheinlich dort auch nicht wieder allein herausfindet.

Zunächst einmal ist da ein innerer Widerspruch. Vor ziemlich genau vier Jahren, am 15. Juni 2020, ließ die Grüne folgendes vernehmen: „Menschen so wie Tiere in Rassen unterteilen zu wollen, ist eine zutiefst inhumane Idee, die historisch als Rechtfertigung eines brutalen Kolonialismus geschaffen wurde.“

In diesem Satz ist vieles drin, was Grüne zu Grünen macht: Den Begriff „Rasse“ wollen sie schon lange aus dem Grundgesetz streichen, konkret aus Artikel 3, Absatz 3, Satz 1.

Darin steht, dass „niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf“. Dieses „benachteiligt oder bevorzugt“ wird später noch wichtig werden – wenn es um die deutsche Fußballnationalmannschaft geht.

Political Correctness und Göring-Eckardt

Jedenfalls: Die Streichung von „Rasse“ steht im Koalitionsvertrag – allein – die Koalition scheiterte bislang daran. An diesem Scheitern dürfte sich auch bis zum Ende der Wahlperiode kaum noch etwas ändern. Denn die Anhänger der – selbstredend - „antirassistischen“ Political Correctness wie Göring-Eckardt, hatten womöglich nicht mehr auf dem Schirm, dass:

Erstens: Der Begriff „Rasse“ deshalb im Grundgesetz steht, damit niemand aus diesem Grund diskriminiert werden kann. Die Verwendung dieses Begriffs dient dem Schutz, und nicht der Diskriminierung von Menschen.

Zweitens: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben den Rassebegriff ins Grundgesetz geschrieben, um den Rassewahn der Nazis ein für allemal auszurotten. Diesen Begriff einfach mal so zu streichen, weil dies die Ansicht einer so kleinen wie lauten Gruppe von Menschen, der „Woken“, entspricht, ist also schein-humanitär und unhistorisch.

Drittens: Ist auch noch niemandem etwas Besseres, also Überzeugenderes, eingefallen.

Die rechtsradikale Theorie von einer „Umvolkung“

Zurück zu „KGE“, wie Göring-Eckardt von Anhängern gekost wird. Ihre Stellungnahme von vor vier Jahren sagt, man dürfe Menschen nicht in Rassen unterteilen. Was sie allerdings haargenau mit ihrem Tweet über die Nationalelf veranstaltet hat: „Diese Mannschaft ist wirklich großartig. Stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler.“

Was bedeutet: Göring-Eckardt führt die Hautfarbe, die sie als Kategorie aus dem Grundgesetz verbannen will, hier wieder ein. Was dies zum Tabubruch macht, ist die in ihrer Stellungnahme enthaltene Diskriminierung, die eine rechtsradikale Verschwörungstheorie zu bestätigen scheint.

Es ist die Theorie von einer „Umvolkung“ oder einem „Großen Austausch“ der deutschen Ur-Bevölkerung, die durch die politische Linke, voran die Grünen, betrieben werde.

Unglücklicher Kronzeuge dafür ist wiederum eine Grüne – dieselbe Göring-Eckardt, die Angela Merkels „Wir schaffen das“ 2015 folgendermaßen mit unterstützt hatte: „Deutschland wird bunter werden ja, wie toll ist das! Das haben wir uns immer gewünscht. Wahrscheinlich wird es auch religiöser werden. Na klar. Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich sage euch eins: Ich freue mich drauf!“

Deutschland ist zwar religiöser geworden, aber nicht christlicher

Inzwischen ist Deutschland tatsächlich religiöser geworden, allerdings nicht christlicher – die Zahl der Kirchenaustritte ist und bleibt Jahr für Jahr auf Rekordniveau. Dafür wachsen mit der Zahl der Migranten aus islamischen Ländern auch die religiösen Bekundungen auf deutschen Straßen, etwa, indem wie in Essen oder Hamburg bei Großdemonstrationen von Moslems ein Kalifat gefordert wird.

Deutschland ist aber nicht nur religiöser, sondern auch unsicherer geworden. Die Behörden zählen inzwischen 22000 Messerattacken pro Jahr, deutlich überproportional vertreten in dieser Deliktart: Afghanen.

Der Tweet, mit dem Göring-Eckardt ihre Äußerung über die deutsche Elf zurücknahm, machte es denn auch nicht unbedingt besser, er lautet: „Habe meinen Tweet gelöscht. Tut mir leid, wie ich formuliert habe. Mich hat aufgeregt, dass 21 Prozent der Deutschen es besser fänden, wenn mehr „Weiße“ in der Nationalmannschaft wären. Ich bin stolz auf diese Mannschaft und wünsche mir, dass wir auch die 21 Prozent noch überzeugen.“

Nun: Göring-Eckardt hätte auch sagen können: Es ist völlig egal, wer da auf dem Rasen des momentanen Glücks für Deutschland die Tore schießt, vor allem ist es egal, welche Hautfarbe er hat und wo er oder seine Eltern herkommen, weil nämlich: Fortschritt darin besteht, dass Herkunft und Rasse keine Rolle mehr spielen in einem System, das ausschließlich auf Leistung basiert. Überhaupt nicht mehr über Identitätsfragen reden zu müssen, weil Identitäten keine Rolle mehr spielen, das ist der wirkliche Fortschritt.

Solche Unterscheidungen sind ein Rückschritt

Einem deutschen Fußball-Patrioten solle gleichgültig sein, ob ein Schwarzer, ein Weißer, jemand mit polnischem oder afrikanischem Migrationshintergrund die Tore für die Elf schießt. Oder andere Mannschaften vom Tore-Schießen abhält – wie Hans Tilkowski, dem Torwart der Nationalmannschaft in den sechziger Jahren, der als „Mann im Wembley-Tor“ zur Legende wurde.

Falls eine Mannschaft aus elf Männern mit polnischer Familienbiografie oder eben „People Of Colour“ das Beste wäre, was Deutschland auf den Fußballplatz bringen könnte, wäre nichts dagegen zu sagen. Ebenso wäre es wurscht, es stünden, was Göring-Eckardt blöd fände, nur Weiße auf dem Platz.

Solche Unterscheidungen sind – auch im Sinne der „Fortschrittskoalition“ – kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. Im Grund ist das, was die Grüne Parlaments-Vizepräsidentin sagt, reaktionär. Ein weiteres Problem grün-linker Identitätspolitik: Sie geht nicht von Individuen aus, sondern von Gruppen, die eine Gesellschaft strukturieren.

Dazu eine kluge Anmerkung des „Zeit“-Kollegen Joachim Bittner: „Gesellschaften werden bunt durch frei und unterschiedlich denkende Individuen, egal, wie sie aussehen oder mit wem sie schlafen.“

Im Grund kann man Göring-Eckardt – jenseits des Pulverdampfs – auch dankbar sein. Sie hat vorgeführt, weshalb Identitätspolitik ein pseudohumanitäres Konzept von gestern ist.