Biblis - Altes Atomkrafwerk soll Strom der Zukunft liefern - doch es gibt einen Haken

Das abgeschaltete AKW Biblis in Südhessen (Luftaufnahme aus einem Flugzeug).<span class="copyright">Boris Roessler/dpa/Archivbild</span>
Das abgeschaltete AKW Biblis in Südhessen (Luftaufnahme aus einem Flugzeug).Boris Roessler/dpa/Archivbild

Das AKW Biblis ist eigentlich seit mehr als zehn Jahren vom deutschen Netz. Doch Betreiber RWE beabsichtigt nun, das Werk für die Nachfolgetechnologie der Kernkraft freizumachen: die Kernfusion. Zusammen mit einem Darmstädter Start-Up soll hier Forschung betrieben werden.

Das AKW Biblis - seit mehr als zehn Jahren vom Netz und nunmehr lediglich eine Rückbauanlage - soll neues Leben bekommen. Der Betreiber RWE Nuclear hat mit dem Start-Up Focused Energy vereinbart, das Gelände für einen Kernfusions-Forschungsreaktor zur Verfügung zu stellen. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, wollen beide Unternehmen eine entsprechende Erklärung in den kommenden Tagen unterzeichnen.

 

Geniestreich oder Milliardengrab?

Das Gerippe einer einstigen Zukunftstechnologie soll nun für ihren Nachfolger herhalten. Denn Kernfusion gilt seit Jahrzehnten als der Hoffnungsträger der Energiebranche: Riesige Mengen Energie für kaum Verschmutzung - ganz anders als beim kleinen Bruder Atomkraft, wo allein die seit Jahrzehnten schwelende Endlagerfrage immer noch ungeklärt ist.

Das Prinzip folgt, simpel erklärt, dem der Sonne: Wasserstoffatome werden auf Heliumatome geschossen, die dabei miteinander verschmelzen. Weil der neue Kern aber leichter ist als der Kern der Wasserstoff- und Heliumatome ist, wird dieser Masseunterschied in Form von Energie freigesetzt. Ähnliches geschieht in der Sonne. Schätzungen gehen derzeit davon aus, dass ein Gramm eines solchen Brennstoffes in einem Kernfusionsreaktor ungefähr so viel Energie freisetzt wie elf Tonnen Kohle.

Lange scheiterte die Kernfusion daran, dass ihre aufwendigen Reaktoren mehr Energie verbrauchten, als sie herstellten. Das hat sich inzwischen geändert: Im Februar setzte ein koreanisches Team mit einem Forschungsreaktor fast doppelt so viel Energie frei, wie es ursprünglich zuführte.

Ein weiterer Vorteil: Die Technologie gilt als sehr sauber. Bei der Energiegewinnung entsteht kein CO2, somit erzeugt die Technologie selbst klimaneutral Strom. Hinzu kommt, dass bei der Fusion schwächere und kurzlebigere radioaktive Stoffe entstehen, die schneller zerfallen. Damit entfällt das Problem einer jahrtausendelangen Endlagerung.

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Die Jagd nach der Sonne

Die Vorteile liegen also klar auf der Hand; auch in puncto Energieversorgung und -unabhängigkeit ist leicht schwer zu verstehen, wieso die halbe Welt dem Traum von der Sonne im Reaktor hinterher jagt. Neben der EU sind über 30 Unternehmen und Staaten wie die USA, Japan oder China ambitioniert dabei, sich diesen Traum zu erfüllen. Vor allem in den USA, wo Ende 2022 ein großer Durchbruch gelang, werden sehr viele Gelder in die Forschung investiert.

Auch das Darmstädter Start-Up Focused Energy, mit dem RWE derzeit verhandelt, profitiert von solchen Geldern. Nun soll die Jagd nach der Sonne auch in Deutschland weitergehen. Focused Energy plant derzeit, vereinfacht gesagt, mit Lasern auf Atome zu schießen und somit die Vorgänge im Inneren der Sonne nachzubilden. Bei dem Vorgang sollen Atome miteinander verschmelzen und dabei eben jene Fusion auslösen, bei der durch den Masseunterschied sehr viel Energie freigesetzt wird.

Und genau dafür sollen die alten Räume des AKW Biblis herhalten. Geplant ist ein teilweiser Umbau der alten Anlage zur Nutzung der Laser. Es gesellt sich damit zu prestigeträchtigen deutschen Kernfusionsvorhaben, wie Wendelstein-X-7 in Greifswald, dem weltgrößten Forschungsreaktor.

20 Jahre Forschung, 20 Milliarden Euro Baukosten

Die Euphorie um Kernfusion ist allerdings umstritten. So werden bereits seit Jahrzehnten Gelder in Forschungsvorhaben gepumpt - ohne bislang Energieversorgung zu liefern. Auch beim Biblis-Vorhaben geht man davon aus, dass noch 15 bis 20 Jahre Grundlagenforschung notwendig sind, bis die Technologie marktreif ist. Und damit kommt sie eigentlich viel zu spät, um Deutschland und den anderen Staaten der Welt beim Erreichen der Klimaziele zu helfen. Denn diese sollen einen unaufhaltsamen Klimawandel stoppen.

Hinzu kommt, dass die Testreaktoren enorm viel Energie verschlingen: Für eben jenen Versuch in den USA, der Ende 2022 Schlagzeilen machte, waren 500 Billionen Watt Energie notwendig - das ist mehr, als das Stromnetz der USA liefern kann. Und der französische Iter-Reaktor - ein sogenannter Tomahak-Reaktor, der die Fusion mit gigantischen Druckmengen statt Lasern erzwingen soll - sah im Zeitplan eigentlich vor, dass er 2025 ans Netz gehen soll. Doch das ist nicht einhaltbar.

Ein weiterer Fallstrick: Die enormen Kosten. Kommerzeille Reaktoren könnten bis zu 20 Milliarden Euro verschlingen, bis sie gebaut sind. Kritiker sagen: Dieses Geld ist bei Investitionen in Erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie besser aufgehoben.