Darmgesundheit - Probiotika auf dem Prüfstand: Was wirklich hinter einem gesunden Mikrobiom steckt

Essen für die Darmgesundheit - Was wirklich hinter einem gesunden Mikrobiom steckt<span class="copyright">Getty Images/Dr_Microbe</span>
Essen für die Darmgesundheit - Was wirklich hinter einem gesunden Mikrobiom stecktGetty Images/Dr_Microbe

Ernährungsforscher Uwe Knop räumt mit einigen weit verbreiteten Irrtümern rund um das intestinale Mikrobiom, besser bekannt als „Darmflora“, auf. Zum Beispiel macht es laut Knop keinen Sinn, Stuhlproben zur Untersuchung zu schicken.

Was ist das intestinale Mikrobiom und welche Rolle spielt es für unsere Gesundheit?

Das intestinale Mikrobiom ist vielen noch besser bekannt unter seiner alten Bezeichnung als „Darmflora“ - aber mit Flora hat es nichts zu tun. Daher sagt man heutzutage Mikrobiom zu den 30-100 Billionen von Mikroorganismen, die in unserem Darm leben. Die Verteilung dieser Spezies, vorwiegend unterschiedliche Darmbakterien, ist so individuell wie unser Fingerabdruck.

Das Gewicht des intestinalen Mikrobioms beträgt etwa 1,5 bis 2 Kilogramm, was dem eines Organs wie der Leber oder Niere entspricht. Genauso wichtig ist auch seine Rolle als einer der „Hüter“ unserer Gesundheit.

Unser Mikrobiom spielt eine relevante Rolle für die Verdauung, beim Immunsystem, Stoffwechsel und beim Schutz vor Krankheiten. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Störungen des intestinalen Mikrobioms zu verschiedenen Krankheiten führen können. Die Forschung auf diesem Gebiet befindet sich jedoch noch im Grundlagenstadium

Wie beeinflusst unsere Ernährung die Zusammensetzung der Darmflora?

Ganz einfach: „Dein Mikrobiom is(s)t, was Du isst.“ Unsere Ernährung bestimmt maßgeblich die Zusammensetzung der Billionen kleinen Helfer im Darm. Auch wenn es einige Lebensmittel gibt, denen man grundsätzlich einen „günstigen Einfluss“ nachsagt, so weiß heutzutage niemand, welche Ernährung die „perfekte Mikrobiomdiät“ darstellt. Daher sollten wir idealerweise so essen, dass es uns uns dabei richtig gut geht und wir eine problemlose Verdauung statt Darmbeschwerden haben.

„Gute Verträglichkeit“ ist das Stichwort - alles, was wir gut vertragen, können wir auch gut verdauen. Im Umkehrschluss sollten wir nichts essen, was wir nicht vertragen, egal als wie „gesund“ es auch gehypt wird. Denn wer beispielsweise von Vollkornbrot und Rohkost Blähungen, Blähbauch, Krämpfe, Schmerzen oder Durchfall bekommt, für den ist das definitiv keine gesunde Ernährung - und damit auch nicht für das Mikrobiom, das ja hör- und spürbar rebelliert.

Welche Ernährung individuell am besten zu einem passt und damit auch am besten für unsere Darmbewohner ist, das erfahren Sie durch die natürlichste Ernährungsart des Menschen: Mit  Intuitivem Essen und dem Vertrauen in den eigenen Körper kann man nachhaltig individuell gesunde Ernährungsgewohnheiten entwickeln.

Können probiotische Lebensmittel helfen, ein gesundes intestinales Mikrobiom aufrechtzuerhalten?

Wenn überhaupt, nur kurzfristig. Grundsätzlich braucht kein gesunder Mensch spezielle „Mikrobiom-Lebensmittel“. Auch eine „Ansiedlung neuer Stämme“ oder spürbar positive Effekte auf die Darmgesundheit sollten gesunde Menschen nicht erwarten, nur weil sie spezielle probiotischen Lebensmittel konsumieren.

Seit vielen Jahren dürfen zum Beispiel probiotische Drinks wie „Actimel“ nicht mehr mit Aussagen werben, die auf eine positive Beeinflussung der Darmgesundheit hindeuten, weil die wissenschaftlichen Beweise dafür nicht ausreichend sind. Bereits im Jahr 2017 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Reihe von Werbeaussagen von Actimel und anderen probiotischen Produkten überprüft.

Die EFSA kam zu dem Schluss, dass die vorgelegten Beweise nicht ausreichten, um die Behauptungen zu stützen, dass diese Produkte das Mikrobiom verbessern oder das Immunsystem stärken können. Daher hört und liest man davon bis heute nichts mehr in dieser Werbung.

Sind Stuhltests zum Einsenden, die das Mikrobiom untersuchen, empfehlenswert?

Die Deutsche Gesell­schaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoff­wechselkrankheiten (DGVS) bezeichnete Mikrobiom-Analysen bereits 2018 in einer Stellungnahme unmissverständlich als „teuer und sinnlos“. Dieser Status gilt noch heute. Denn derzeit lässt sich mittels dieser Analysen weder ein Hinweis auf spezielle Erkrankungen ableiten, noch gibt es verlässliche Methoden, um anschließend die Zusammensetzung der Darmlebewesen so zu verändern, dass Patienten davon profitieren können.

Auch Ernährungs-Professoren wie zum Beispiel Hans Hauner, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München (TUM), raten derzeit von Mikrobiom-Analysen ab, „weil wir da einfach noch viel zu wenig wissen über den Nutzen und die Wertigkeit solcher Analysen. Besonders, wenn das anonym über die Einsendung einer Stuhlprobe erfolgt und dann irgendein Brief zurückkommt und irgendetwas empfehlt.“ Für Hauner sind die angebotenen Mikrobiom-Analysen daher „wirklich Humbug und reine Geschäftemacherei“. Und mit dieser Meinung steht er definitiv nicht alleine da.

Kann man sich sein „gesundes Mikrobiom“ gezielt anzüchten?

Nein, die „große Kleinstlebewesen-Community“ in unserem Verdauungsstrakt lässt sich nicht gezielt und wunschgemäß in die eine oder andere Richtung verändern - außer man hungert extrem oder ernährt sich total einseitig, das hat natürlich enormen Einfluss.

Aber selbst dann wird es zu keiner „gezielten“ Umverteilung kommen, sondern zu einer unkontrollierbaren Reorganisation. Welches Darm-Mikrobiom sich beispielsweise bei jemanden neu ansiedelt, der keine Kohlenhydrate mehr isst, das ist erstens unbekannt und zweitens ohnehin immer absolut individuell.