Deutsche Motoren in israelischen Panzern: Wie Europa Israels Offensive im Gazastreifen unterstützt
In einem kürzlich veröffentlichten vierseitigen Schreiben kritisierte der ehemalige UN-Beamte Craig Mokhiber die internationale Gemeinschaft, weil sie es versäumt habe, einen "Völkermord, der sich vor unseren Augen abspielt" im Gazastreifen zu verhindern.
Der US-amerikanische Menschenrechtsanwalt beschuldigte die USA, Großbritannien und weitere europäische Staaten, an dem Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen mitschuldig zu sein. Als Reaktion auf die Terrorattacke der Hamas vom 7. Oktober, bei der im Süden Israels mehr als 1400 Menschen getötet wurden, begann Israel, die Region massiv anzugreifen.
Bisher forderten die israelischen Angriffe nach Angaben der palästinensischen Behörden, die von der Hamas kontrolliert werden, mehr als 9000 Menschenleben im Gazastreifen.
Aus Informationen, die Euronews vorliegen, geht hervor, dass europäische Staaten Israels Offensive wahrscheinlich direkt "unterstützen" - und zwar durch Waffenlieferungen in den vergangenen Jahren.
Das Stockhom International Peace Research Institute (SIPRI) stellte Daten über Waffenverkäufe aus Europa an Israel zwischen 2013 und 2022 zur Verfügung, aus denen hervorgeht, dass Italien und Deutschland das israelische Militär mit wichtigen Waffen und Ausrüstungen beliefert haben, die es nun vor Ort im Gazastreifen einsetzt.
Großbritannien hat laut der Campaign Against the Arms Trade (CAAT) lukrative Geschäfte mit der israelischen Luftwaffe gemacht.
Die Organisation erklärte jedoch gegenüber Euronews, dass es aufgrund undurchsichtiger Lizenzvereinbarungen schwierig sein kann, genau zu bestimmen, was transferiert wurde.
Das SIPRI, ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Schweden, berichtete, dass Deutschland mehr als 1.000 Panzermotoren nach Israel geliefert hat.
Einer Exportlizenz aus dem Jahr 2000 zufolge wurden sie angeblich in Merkava-4-Panzern und gepanzerten Mannschaftstransportwagen vom Typ Namer eingesetzt. Auch für die in Israel produzierten Radpanzer Eitan seien Dieselmotoren geliefert worden.
"Nach unseren Schätzungen sind einige dieser Motoren wahrscheinlich bereit für den Einsatz in Gaza", sagte SIPRI-Forscher Zain Hussain gegenüber Euronews.
Laut dem Institut hat Deutschland in den letzten zehn Jahren auch U-Boote der Dolphin-Klasse und Korvetten der Sa'ar-Klasse für die israelische Marine geliefert und teilweise mit Steuergeldern finanziert. Diese seien allerdings mit israelischen Waffen und Raketen ausgestattet worden.
Von den Schiffen, so Hussain, "wurden einige in Betrieb genommen [und] wahrscheinlich für den Beschuss von Zielen im Gazastreifen verwendet".
"Deutschland hat einen Teil der israelischen Beschaffung von U-Booten und Korvetten als eine Form der Militärhilfe für Israel finanziert, um Israel in seiner Verteidigung zu unterstützen und als eine Art Entschädigung für die Nazi-Verbrechen", fügte er in einer Stellungnahme hinzu, die Euronews zugesandt wurde.
Laut dem SIPRI gibt es auch eine industrielle Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel, unter anderem bei der Entwicklung von Raketen und anderer Munition, an der Unternehmen wie Rheinmetall, MBDA Deutschland und Krauss-Maffei Wegmann beteiligt sind.
Im Oktober erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem deutschen Parlament, dass er Israel militärische Hilfe angeboten habe.
"In diesem Moment gibt es für Deutschland nur einen Platz - den Platz an der Seite Israels", sagte er den Abgeordneten. "Unsere eigene Geschichte, unsere Verantwortung, die sich aus dem Holocaust ergibt, macht es zu einer immerwährenden Aufgabe für uns, für die Sicherheit des Staates Israel einzutreten."
Italien hat, wenn auch in geringerem Umfang als Deutschland, Teile für Trainings- und Kampfflugzeuge geliefert, darunter der M-346 Master und der leichte Hubschrauber AW-119, so das SIPRI.
Obwohl Rom noch keine militärische Unterstützung für Israel zugesagt hat, hat die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nach dem Hamas-Angriff ihre Unterstützung der israelischen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht.
Zwischen 2013 und 2022 verkauften italienische Unternehmen Rüstungsgüter im Wert von fast 120 Millionen Euro an Israel: durchschnittlich etwa 12 Millionen Euro pro Jahr, berichtete Pagella Politica.
Aus den Daten, die Euronews von der Campaign Against Arms Trade (CAAT) zur Verfügung gestellt wurden, geht hervor, dass auch Großbritannien ein wichtiger Waffenlieferant für Israel ist.
15% der Komponenten in Israels F35-Kampfflugzeugen, die aktuell zur Bombardierung des Gazastreifens eingesetzt werden, wurden aus dem Vereinigten Königreich geliefert.
Die Organisation schätzt, dass Großbritannien seit 2016 Teile im Wert von 336 Millionen Pfund (386 Millionen Euro) geliefert hat.
Die CAAT gab jedoch an, dass die "bedeutendsten" Exporte über offene Lizenzen erfolgen, die es aufgrund ihrer "mangelnden Transparenz" schwierig machen, genau zu verfolgen, was transferiert wird.
Die Organisation wies auf mehrere "besorgniserregende" offene Lizenzen hin, die Ausrüstungen betreffen könnten, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten, wie zum Beispiel Software und Technologie für Kampfflugzeuge und Hubschrauber, Komponenten für Artillerie, Marinegeschütze und Kampfschiffe, Raketen- und Munitionsausrüstung sowie Militärradare.
"Waffenverkäufe an Israel müssen sofort gestoppt werden", forderte Emily Apple, Medienkoordinatorin der CAAT, in einer an Euronews gesendeten Erklärung.
"Israel begeht mit seiner anhaltenden Belagerung und Bombardierung des Gazastreifens Kriegsverbrechen gegen das palästinensische Volk, verursacht eine humanitäre Katastrophe und tötet Tausende von Zivilisten", so Apple weiter.
Durch die Lieferung von Teilen, die die Bombardierung des Gazastreifens ermöglichen würden, mache sich die britische Regierung und Industrie "mitschuldig an diesen Kriegsverbrechen".
In einer Erklärung, die Euronews zugesandt wurde, erklärte Amnesty International, dass es seit langem ein "umfassendes Waffenembargo gegen Israel, die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen" fordere.
"Wir haben diese Position aufgrund von Mustern schwerwiegender Verletzungen der internationalen Menschenrechte und des humanitären Rechts eingenommen, die sich über Jahre und viele Konflikte erstrecken", so Patrick Wilcken, ein Forscher für Militär-, Sicherheits- und Polizeifragen bei Amnesty International, gegenüber Euronews.
Amnesty International habe Beweise für Kriegsverbrechen der israelischen Streitkräfte, der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen dokumentiert.
Die israelischen Streitkräfte hätten es unter anderem "versäumt, angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Zivilbevölkerung zu schonen, wahllose Angriffe durchgeführt, bei denen nicht zwischen Zivilist:innen und militärischen Zielen unterschieden wurde, oder Angriffe durchgeführt, die möglicherweise gegen zivile Objekte gerichtet waren", so Wilcken.
Die Hamas habe "Massenmorde im Schnellverfahren, Geiselnahmen und wahllose Raketenangriffe auf Israel verübt", fügte er hinzu.
Die Lieferung militärischer Ausrüstung nach Israel verstoße gegen die **EU-**Richtlinien, die "die Achtung der Menschenrechte im endgültigen Zielland sowie die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch dieses Land" fordern, so Amnesty International.
Die Artikel 6 und 7 des Vertrags über den Waffenhandel verbieten auch die Lieferung von Waffen, wenn ein Risiko besteht, dass die Waffen zur Begehung einer schwerwiegenden Verletzung des humanitären Völkerrechts verwendet werden könnten oder diese begünstigen.
"Staaten, die weiterhin Waffen an Israel oder die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen liefern, obwohl sie wissen, dass der Empfängerstaat oder die Gruppe diese Waffen zur Begehung 'völkerrechtswidriger Handlungen' verwendet - zu denen Völkerrechtsverstöße wie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören -, laufen selbst Gefahr, dieses Unrecht zu unterstützen und zu fördern", fügte Wilcken hinzu.