Kommentar: Die Große Koalition stürzt über Bayern ab

Keine absolute Mehrheit für die CSU bei der Bayern-Wahl (Bild: dpa)
Keine absolute Mehrheit für die CSU bei der Bayern-Wahl (Bild: dpa)

Bei den bayerischen Landtagswahlen erleben CSU und SPD ein Desaster. Die Wähler machen aber auch klar: Sie wollen Verlässlichkeit.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ministerpräsident Markus Söder konnte in seiner ersten Stellungnahme nicht oft genug wiederholen, die CSU habe den Regierungsauftrag erhalten, diesen Auftrag müsse man nun schultern – und so weiter. Söder musste halt eine Katastrophe moderieren und entschied sich mit einem schnellen Auftritt noch vor der ersten Hochrechnung für die Flucht nach vorn.

Klar bleibt die CSU stärkste Partei, und klar ist der Absturz in der Wählergunst – von 47 Prozent vor vier Jahren auf irgendetwas Kümmerliches in den Dreißigern. Und die SPD halbierte gar ihr Ergebnis und landet womöglich noch hinter der AfD. Sollte die Landtagswahl in Bayern eine Aussage über die Bundespolitik bereithalten, so haben die Bayern die Große Koalition in Berlin aus CDU (welche nicht zur Wahl stand), CSU und SPD abgewählt.

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Zu schlecht war das Erscheinungsbild. Die schnelllebigeren Zeiten schauen weniger auf echte Regierungsarbeit, welche durchaus Ergebnisse vorweisen kann, sondern vornehmlich auf die wahrgenommene Performance. Und bei der blieb im öffentlichen Bewusstsein hängen, dass CSU-Politiker ohne ersichtlichen Grund einen Richtungsstreit vom Zaun brachen, den sie am Ende auch nicht mehr verstanden: Es ging um nach Fliehende, die nicht kamen.

Der Trend war gnadenlos

Die SPD wird am Montag noch bitter weinen. Die Kabale der Christsozialen hat sie mit in den Abgrund gezogen. Tatsächlich sind die Sozialdemokraten in der jämmerlichen Lage, dass sie wegen allem verlieren. Und wird Kritisches ausgemacht, versprechen sich die Wähler offensichtlich nicht von der SPD Aussicht auf eine Korrektur. Das mag ungerecht sein, vor allem, wenn man auf die Grünen schaut, bei denen sich am Ende des Wahlkampfs nicht der Eindruck verhindern ließ, selbst ein Pups würde ihnen noch als Glanzleistung ausgelegt.

Noch ein Kommentar zur Landtagswahl in Bayern

Die Bayernwahl dokumentiert, dass sich die Mitte der Bevölkerung diversifiziert. Da ist mehr Platz als für eine Partei. Vor allem, wenn die angestammte Volkspartei CSU die Veränderungen im Land nicht nachvollzieht, ja, sie gar zu begreifen sich beharrlich weigert. Darüber hinaus bauten Christsoziale eine Negativstimmung auf, die sich nun rächt: So schlecht wollten es die Wähler nicht haben, sie wollten nicht aus einer kreierten Not gerettet werden, sondern entschieden sich für ein Lob der Stabilität.

Denn natürlich soll die CSU in Bayern auch weiterhin regieren, womöglich reicht dazu nur ein einziger weiterer Partner. Das wird machbar sein. Das Krawallige aber, welches sich die Partei zulegte, gehört nun in die Mottenkiste.

Es wird schlimmer

Die vielleicht stärkste Erkenntnis kommt hingegen still daher, wird weithin unbeobachtet und unkommentiert bleiben. Das überragende Wahlergebnis der Grünen ist zu einem guten Teil auf den Sommer zurückzuführen. Es war nicht nur der Sommer der tollen Temperaturen, der guten Weinernte und der Wonne Balkoniens.

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Es war auch der Sommer der vertrockneten Felder, der komischen Stürme – des Klimawandels. Dieses Jahr begannen mehr Wähler zu spüren, um mit den Worten einer berühmten Fernsehserie zu sprechen: Winter is coming. Es gibt keine andere Katastrophe, welche derart bedrohlich auf uns zurollt und die wir so wenig wahrhaben wollen wie der von uns hausgemachte Klimawandel. Doch die Folgen werden immer krasser. Der Herbst, der uns allen heute vorkam wie ein Sommer, ist nur ein Vorbote davon.

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