FOCUS-online-Umfrage - Die wichtigsten 6 Fragen: So denkt Deutschland wirklich über den Krieg und Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin (r) und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (l)<span class="copyright">Petr Kovalev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa; Sean Kilpatrick/Canadian Press via ZUMA Press/dpa</span>
Der russische Präsident Wladimir Putin (r) und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (l)Petr Kovalev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa; Sean Kilpatrick/Canadian Press via ZUMA Press/dpa

Wie denken die Deutschen über den Ukraine-Krieg, die Nato und Putin? FOCUS online hat Bundesbürgern die sechs wichtigsten Fragen zum Konflikt gestellt. Das sind die Ergebnisse.

Am 23. Februar 2022 erklärte der russische Präsident Wladimir Putin der Ukraine den Krieg. Über zwei Jahre dauert dieser nun schon an. Während Putin aktuell ein neues Bündnis mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un geschmiedet hat, diskutieren die westlichen Alliierten über den Nato-Beitritt der Ukraine . Ein Kriegsende scheint weiterhin nicht in Sicht.

Das bedeute auch, dass die deutsche Unterstützung für die Ukraine weiterlaufen wird. Die Bundesrepublik unterstützt seit zwei Jahren mit Waffen, Geld und auch politisch. Doch wie bewerten die Deutschen die Lage und welche Erwartungen haben sie an die zukünftige Rolle Deutschlands in dem Konflikt? Aktuelle Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes Civey für FOCUS online gibt Einblicke in die Meinung der Bundesbürger über Putin , Selenskyj und Diplomatie.

Greift Putin die Nato an?

Immer wieder äußern Russland-Experten, Beobachter des Krieges und Politikwissenschaftler Bedenken, Putin plane früher oder später auch einen Angriff auf die Nato. Während manche das für sehr wahrscheinlich halten, winken andere wiederum ab. So oder so: Die Frage, ob Putin einen Krieg gegen die Nato plant, steht immer wieder im Raum.

Aus der FOCUS-online-Umfrage geht nun hervor: Rund die Hälfte der Befragten Bundesbürger glaubt nicht, dass Russland in Zukunft eine Militäroffensive gegen ein Nato-Land starten wird. Immerhin 34 Prozent halten dies für möglich.

 

Unter den befragten Ostdeutschen glauben nur 23 Prozent der an einen möglichen russischen Angriff auf Nato-Staaten, während 38 Prozent der Westdeutschen dies für realistisch halten.

Soll die Ukraine der Nato beitreten?

Der potenzielle Nato-Beitritt der Ukraine veranlasst russische Propagandisten und Putin selbst jedoch immer wieder dazu, der Ukraine und dem Westen massiv zu drohen. Seit Jahren dient unter anderem dieses Beitrittsszenario dem russischen Präsidenten als Rechtfertigung seiner Aggressionen gegen die Ukraine.

Fragt man die Bundesbürger nach ihrer Meinung zu einem Nato-Beitritt der Ukraine, zeigt sich: Rund 55 Prozent der Befragten lehnen dies ab, nur 34 Prozent befürworten diesen Schritt. Vor allem im Osten Deutschlands ist die Ablehnung eines ukrainischen Beitritts zum Verteidigungsbündnis stark ausgeprägt.

 

Deutlich wird in den Umfrage-Ergebnissen auch: Vor allem die Anhänger der Grünen sprechen sich für einen Nato-Beitritt der Ukraine aus, die Anhänger der AfD sind nahezu geschlossen dagegen.

Sollte die Ukraine von ihrem Beitrittsersuchen Abstand nehmen, werde Putin einen Waffenstillstand befehlen, teilte er zuletzt mit. Die Ukraine müsse einen neutralen Status annehmen und sich entmilitarisieren und auf eigene Gebiete verzichten.

Ist Putin ein seriöser Diplomat?

Doch wie vertrauenswürdig sind solche Putin-Aussagen? Hier sind sich die Deutschen weitestgehend einig: 72 Prozent halten ihn nicht für einen seriösen Partner für Diplomatie und Verhandlungen.

 

Die meiste Zustimmung zur Frage, ob Putin ein seriöser Partner für Diplomatie und Verhandlungen ist, kommt aus den Reihen der AfD-Anhänger. 50 Prozent der Befragten stimmten dem zu. Das stärkste Misstrauen bringen die Grünen Putin entgegen: 99 Prozent der Befragten halten den russischen Präsidenten für keinen seriösen Verhandlungspartner.

Verhandeln: Ja oder nein?

Trotz dieser Skepsis ist jedoch eine Mehrheit von 55 Prozent der Meinung, dass der weitere Verlauf des Ukraine-Konflikts vor allem von diplomatischen Maßnahmen geprägt sein sollte. Ein Widerspruch, der die Zerrissenheit der Deutschen mit Blick auf den Krieg und den weiteren Umgang damit deutlich macht.

 

Weitere Nato-Waffenlieferungen werden am stärksten von Anhängern der Grünen (59 Prozent), der FDP (44 Prozent) und der SPD (43 Prozent) befürwortet. Auch beim Einsatz von Nato-Truppen sprechen sich mit elf Prozent Anhänger der Grünen am stärksten dafür aus.

Der Ruf nach diplomatischen Lösungen sind bei allen Parteianhängern vertreten. Am stärksten jedoch bei der AfD (81 Prozent), den Linken (62 Prozent) sowie der SPD (49 Prozent). Auffällig auch hier: Die Anhänger der Grünen würden im weiteren Kriegsverlauf am wenigsten auf den Einsatz diplomatischer Maßnahmen setzen (23 Prozent).

Wie zuverlässig ist Selenskyj?

Doch auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird von den Deutschen mittlerweile mit mehr Argwohn betrachtet. An ihm scheiden sich die Geister: 42 Prozent der Deutschen halten ihn für einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner, ebenso viele verneinen dies.

 

Erneut zeigen sich Unterschiede zwischen Ost und West sowie zwischen den politischen Lagern. Im Osten halten 62 Prozent Selenskyj nicht für einen zuverlässigen Partner. Im Westen teilen nur 36 Prozent diese Meinung.

Unter den Wählern der AfD stimmen 83 Prozent dieser Aussage zu. 85 Prozent der Grünen-Wähler halten Selenskyj hingegen für vertrauenswürdig. Bei der SPD sind es 66 und bei der FDP 54 Prozent der Befragten. CDU- und CSU-Wähler sind stärker gespalten in der Vertrauensfrage: 48 Prozent halten Selenskyj für vertrauenswürdig, 30 Prozent sehen das nicht so und 22 Prozent sind unentschieden.

Soll die Ukraine Putins Forderungen nachgeben?

Nun hatte Putin, dem der Umfrage zufolge 72 Prozent misstrauen, Selenskyj zuletzt ein vielbeachtetes aber auch umstrittenes Angebot gemacht. Für ein mögliches Ende des Krieges müsse die Ukraine ihre Nato-Beitrittspläne aufgeben und ihre Truppen aus den vier annektierten Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja abziehen. Im Gegenzug versprach er einen sicheren Rückzug und ein vollständiges Ende des Krieges.

Das „Angebot“ Putins würde bedeuten, dass die Ukraine große Teile der vier annektierten Regionen kampflos an den Aggressor abtreten müsste. Für die Mehrheit der Deutschen ist klar: Die Ukraine sollte nicht auf die Forderungen Putins eingehen, der Friedensgespräche nur unter der Bedingung des Rückzugs der Ukraine aus vier ukrainischen Gebieten anstrebt. 53 Prozent der Befragten sind dieser Meinung.

 

Im Osten des Landes sind 51 Prozent der Meinung, die Ukraine sollte dem Angebot Putins nachkommen und mit dem Rückzug aus den vier Regionen beginnen. Im Westen sprechen sich nur 30 Prozent dafür aus.

Mit Blick auf die Parteianhängerschaft zeigt sich auch hier ein deutliches Bild: Bei den Grünen sind 94 Prozent dagegen, bei der AfD 75 Prozent dafür. Unter Anhängern der Linken sprechen sich 45 Prozent dafür aus. Bei der FDP und der Union sind es 25 Prozent. SPD-Wähler befürworten das Putin-Angebot zu 12 Prozent.

Die Umfrage zeigt, wie sehr der Ukraine-Krieg die Deutschen umtreibt. Es wird deutlich, dass sich die Bundesbürger der weitreichenden Bedeutung dieser Krise bewusst sind und sich ernsthafte Sorgen über die möglichen Auswirkungen machen.

Es wird aber auch deutlich, dass es in der Gesellschaft unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie mit der Krise umzugehen ist und welche Rolle Deutschland und die Nato dabei spielen sollten.