Freitagsabrechnung von Josef Seitz - Jeder Museumsbesuch ist spannender als die Resterampe von ARD und ZDF

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Immer mehr Menschen in Deutschland zahlen immer mehr Geld für ihr öffentlich-rechtliches Fernsehen – ein Rekord jagt den anderen. Zeitgleich schlägt der Rechnungshof Alarm: Der SWR steht am Rand der Handlungsfähigkeit. Gespart wird – genau: am Programm. Also: am Zuschauer. Also: am Beitragszahler.

Juhu! Das hätte ich fast gerufen. Also: fast. Da hat am Dienstag dieser Woche der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio seinen Jahresbericht veröffentlicht – und ein Rekord jagt den nächsten.

Erstmals mehr als 40 Millionen Wohnungen angemeldet.

Erstmals mehr als 47 Millionen Beitragskonten.

Erstmals mehr als neun Milliarden Euro Rundfunkbeitrag eingenommen: 9.022.866.803,59 Euro, um genau zu sein.

Juhu!, freue ich mich als Zuschauer und Gebührenzahler auf ein Superprogramm. Juhu?

20.15 Uhr? Spannend wie ein Museumsbesuch

Samstag: „Donna Leon“ von 2016. Sonntag: „Rosamunde Pilcher“ von 2019. Montag: „Das Mädchen am Strand“ von 2020. Dienstag: „Das Traumschiff“ von 2020. Mittwoch: „Alters-glühen – Speeddating für Senioren“ von 2014. Donnerstag: „Der Kroatien-Krimi“ von 2022. Freitag: „Die Chefin“ von 2020.

Jeder Museumsbesuch ist spannender als diese Resterampe, die ARD und ZDF mit beeindruckender Gnadenlosigkeit zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr auf den Bildschirm schieben. Sieht ganz so aus, als wären fürs Programm nur mehr die 59 Cent übriggeblieben, die 9.022.866.803 Euro werden für andere Zwecke benötigt. Das wirklich Erschreckende? So falsch ist der Eindruck nicht, den das öffentlich-rechtliche Programm da macht.

2,1 Milliarden: Die Altlasten sind Altenlasten

Nicht nur das Programm sieht alt aus. Beim Südwestdeutschen Rundfunk hat diese Woche der Landesrechnungshof Alarm geschlagen – und das eben nicht wegen Produktionskosten, nicht wegen Honoraren, nicht wegen des Programms. Es geht um die Altlasten. Genauer: um die Altenlasten. „Das Eigenkapital des SWR hat sich verzehrt“, ist da nachzulesen, dies sei im Wesentlichen auf die jahrelang immer weiter gestiegenen Pensionsrückstellungen zurückzuführen: „So stellten die Rückstellungen von 2,1 Milliarden Euro für künftige Pensionen bereits im Jahr 2019 den größten Passivposten der Bilanz des SWR dar.“

Und: „Die Deckungslücke betrug 539 Millionen Euro in 2019 und hat steigende Tendenz.“ Im Klartext: Ohne deutliche Gegenmaßnahmen verliert der Fernsehsender seine finanzielle Handlungsfähigkeit. Das Ergebnis der Landesrechnungshof-Rechnung ist sehr eindeutig. Präsidentin Cornelia Ruppert: „Das bedeutet, dass die Leitung des SWR alle Möglichkeiten nutzen muss, die Kosten zu senken.“

Was Sie sich wirklich sparen können, Herr Gniffke

Gespart wird: am Programm. Also: am Zuschauer. Also: am Gebührenzahler. Das heißt natürlich anders. „Wir straffen und fokussieren unser Angebot“, nennt das Programmdirektor Clemens Bratzler. „Das ist eine Aufgabe“, springt Intendant Kai Gniffke zur Seite, „die den gesamten SWR fordert und die wir nur mit einer großen Gemeinschaftsanstrengung aller Mitarbeitenden meistern werden.“ Da versteht der SWR keinen Spaß, also in Zukunft wenig mehr als halb so viel Spaß.

Für die ARD will der Stuttgarter Sender nur mehr drei statt fünf Folgen von „Verstehen Sie Spaß?“ beisteuern. Auf der Streichliste steht das Kabarettprogramm „Spätschicht“, die „Comedy vom Rhein“, die „Mathias Richling Show“. Es gibt also deutlich weniger zu lachen beim SWR.

Auch die informativste Literatursendung „Lesenswert“ mit Denis Scheck wird es künftig nicht mehr geben. Was ich persönlich noch mit auf die Streichliste setzen würde? Mir fällt da dieses Sommerfest ein, bei dem sich zuletzt auf dem Stuttgarter Schlossplatz Comedy-Kampfhund Oliver Pocher in zwei Zuschauerinnen verbissen hatte, bis die Tränen flossen. So etwas kann man sich nun wirklich sparen.