Heizgesetz, Kommunikation, Diskussionen - „Eines macht mir besonders Sorgen“: Grüne sagt, was ihr Angst einjagt

Katja Dörner (l), Oberbürgermeisterkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Stadt Bonn und Sibylle Keupen, Oberbürgermeisterkandidatin der Partei für die Stadt Aachen, geben eine Pressekonferenz am Düsseldorfer Rheinufer.<span class="copyright">dpa/Rolf Vennenbernd/dpa</span>
Katja Dörner (l), Oberbürgermeisterkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Stadt Bonn und Sibylle Keupen, Oberbürgermeisterkandidatin der Partei für die Stadt Aachen, geben eine Pressekonferenz am Düsseldorfer Rheinufer.dpa/Rolf Vennenbernd/dpa

Die Grünen stecken in der Krise: Mit nur 11,9 Prozent bei der Europawahl beginnt ein ernsthafter Richtungsstreit in der Partei. Während viele mehr Pragmatismus und Klartext fordern, mahnt die Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner zur Vorsicht vor Populismus.

„Tiefpunkt“, „Zäsur“, „Zeitenwende“: Begriffe, mit denen nach der Europawahl wohl keine Partei so oft in Verbindung gebracht wird, wie die Grünen. Keine andere Partei hat so viele Wähler verloren. Selbst die SPD, die ein historisch schlechtes Ergebnis erzielte, schnitt prozentual besser ab.

Nach der knapp 12 Prozent Wahlniederlage, ist die Partei sichtlich geschockt und die Wähler enttäuscht: „Ich hätte, wie noch vor 5 Jahren Grün gewählt“, kommentiert ein ehemaliger Grünen-Wähler beispielsweise frustriert auf der Facebookseite des Bündnis 90.  „Aber nicht eine Außenpolitik, die sich von Diplomatie komplett verabschiedet hat und nur noch auf Waffenlieferungen setzt“. Ein anderer schreibt desillusioniert: „Ihr seid über Jahrzehnte meine Partei gewesen, aber was ihr jetzt treibt, das ist Realsatire pur".

„Dass das Heizungsgesetz ein Wendepunkt war, liegt auf der Hand“

Klar ist: Es muss ein Richtungswechsel her. Noch am Tag nach der Wahl erklärte Ricarda Lang, dass es kein „Weiter so“ geben könne. Doch wie genau soll der neue Kurs der Grünen aussehen?

In einem Interview mit „t-online “ spricht die Grünen Politikerin und Bonner Oberbürgermeisterin Katja Dörner über die Zukunft ihrer Partei– und räumt viele Fehler ein. Vor allem die Misere rund ums Heizungsgesetz habe ihrer Partei geschadet:  „Dass das Heizungsgesetz, die Kommunikation und die Diskussionen dazu ein Wendepunkt waren, liegt auf der Hand. Ob zu Recht oder zu Unrecht: Das hat Vertrauen gekostet.“

Auch beim Kernthema der Grünen, dem Klimaschutz, habe ihre Partei nicht performen können: „Der Klimaschutz hat auch für viele Jüngere keine so große Rolle mehr gespielt bei dieser Wahl.“, so Dörner zu „t-online“. Zugleich hätten die Grünen einige, für die Klimaschutz wichtig ist, ins Lager der Nichtwähler oder zu Kleinparteien wie die Klimaliste oder an Volt verloren. „Uns ist es nicht gelungen, die Dringlichkeit beim Klimaschutz zu transportieren und dass wir es sind, die dafür kämpfen.“ Zwar sei Umweltschutz absolut notwendig. Man müsse ihn aber in Zukunft stärker „mit der sozialen Frage“ verknüpfen.

„Wenn uns das wegbröselt, habe ich Angst, was das mit der Stimmung im Land macht“

„Eines macht mir besonders Sorgen“, sagt Dörner und meint die aktuelle Sozialpolitik. Vor allem: „Der Sparhaushalt, der durch das Festhalten an der Schuldenbremse droht.“ Als Oberbürgermeisterin sehe sie „die maroden Schulen und die maroden Schwimmbäder.“ Es gehe um die Grundlagen der Daseinsvorsorge. „Wenn uns das wegbröselt, habe ich Angst, was das mit der Stimmung im Land macht.“

Die Stimmung im Land wird aber auch von einem anderen Thema gerade besonders geprägt: der Migrationsfrage. Auch das ist ein vieldiskutierter Punkt bei einem möglichen Richtungswechsel der Partei. Erst kürzlich f orderte beispielsweise der Grüne Baden-Württembergische Finanzminister Danyal Bayaz mehr „Pragmatismus“ und „Klartext“ in Bezug auf den steigenden Islamismus in Deutschland.

Klartext versus Populismus

Das sieht Dörner offenbar anders: „Mein Eindruck ist nicht, dass es den Grünen in dieser Bundesregierung an Pragmatismus fehlt.“ Die Grünen hätten gezeigt, dass sie in der Lage seien, auf veränderte Realitäten zu reagieren. „Wir haben angesichts eines Krieges in Europa über Dinge entscheiden müssen, die wir uns zu Beginn der Wahlperiode nicht vorstellen konnten. Da gibt es klar mehr Pragmatismus als bei den anderen Ampelparteien, insbesondere, wenn es um die Unterstützung der Ukraine in sicherheitspolitischen Fragen allgemein geht.“

Dem Islamismus in Deutschland müsse man zwar „mit aller Entschiedenheit entgegengetreten“. In der Migrationsdebatte gäbe es aber „viel Populismus, mit dem manche Akteure schnelle Punkte machen“, so Dörner. Zur Lösung der Probleme trage das selten bei.