Kommentar: Abhören der "Letzten Generation“ – mit geballter Faust gegen die Falschen

Polizeibeamte tragen im Mai 2023 einen Straßenblockierer der
Polizeibeamte tragen im Mai 2023 einen Straßenblockierer der "Letzten Generation" von einer Berliner Kreuzung (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Die bayerische Polizei hat monatelang die Telefone der Klimaschutz-Aktivisten von der "Letzten Generation“ überwacht. Das sind nicht nur Kanonen gegen Spatzen. Es ist auch Ausdruck unserer kopflosen Reaktion auf die wahren Probleme unserer Zeit.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die "Letzte Generation“ gewinnt derzeit nicht viele Blumentöpfe. Staus wegen Blockaden, geschlossene Museen wegen beschmutzten Bilderrahmen und dann auch noch die Aktionen auf Sylt, die eben nicht nur die "Superreichen“ trafen. Immer mehr Hass tritt den Störern unseres Alltags entgegen.

Die Geduld in Deutschland zeigt einen kürzeren Faden. Es eskaliert rascher. Das mag normal sein, jedenfalls keine Überraschung. Was aber wirklich irritiert, ist die Reaktion des Staates. Der hechelt in seiner Empörung nicht nur hinterher, sondern vergisst dabei den Blick ins Grundgesetz.

Vielleicht ist es keine Überraschung, dass Bayern dabei übers Ziel hinausschießt, schließlich wird das Bundesland von einer Partei dauerregiert, die von sich behauptet, mit dem Ohr am Puls des Bürgers zu sein. Über Monate hinweg hat die Polizei auf richterliche Anordnung hin Telefone von Aktivisten der "Letzten Generation“ abgehört – auch das offizielle Pressetelefon, bei dem Journalisten anriefen. Faktisch haben also Beamte die Gespräche von Berufsgeheimnisträgern mitgehört. Denn das sind Journalisten. Über diesen Status haben die bayerischen Ermittler in ihrem Jagdeifer offenbar geflissentlich hinweggesehen.

Es gibt den von der Justiz formulierten Anfangsverdacht der Gründung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung; wir sprechen immer noch von der "Letzten Generation“. Schon dies ist überzogen. Damit werden die Aktivisten auf eine Stufe mit Drogenhändlern und Mafiosi gestellt – wegen Sitzblockaden und öffentlichen Verunzierungen. Die Aktionen der Klimaschützer sind grundsätzlich gewaltfrei. Punkt. Man kann sie hassen, aber sie zu einer Gangsterbande hochzustilisieren, gilt nur dem Ziel, sie irgendwie zu verunglimpfen.

Es liegt was in der Luft

Die Telefonüberwachung ist nun die Kirsche auf dieser seltsamen Sahnetorte, die man besser nicht probiert. Sie passt ins Bild eines allzu menschlichen Verhaltens, indem wir uns den Überbringer schlechter Nachrichten als ersten vorknöpfen.

Die "Letzte Generation“ nervt wegen ihres Beharrens, wegen ihres Alarmismus ob des Klimawandels. Das tut sie ausdrücklich. Aber die Reaktionen darauf passen mittlerweile in ein Muster. Wärmepumpen? Der gemeine Deutsche kriegt Schnappatmung. Die AfD stellt einen Landrat? Vielleicht sollten wir doch auf dem Mittelmeer mehr wegschauen. Krieg in Europa? Ach, das ist schlicht nicht meiner. Wir schneidern uns gerade eine sehr bescheidene Kragenweite und hoffen, damit durchzukommen. Es ist eine ziemlich feige Taktik im Stile des Straußes, der seinen Kopf in den Sand steckt.

Wir können auch anders

Wer gegen rigoroses Durchdrücken von Wärmepumpen ist, sollte Argumente präsentieren. Wer weniger Fliehende ins Land lassen will, kann dies begründen. Wer gegen Interventionen im russischen Angriffskrieg ist, hat bestimmt etwas zu sagen. Aber stattdessen Andersdenkende zu kriminalisieren, ist ein mickriger Move.

Es ist schon jetzt klar, dass aus dem Anfangsverdacht der bayerischen Ermittler nichts wird. Nur ein bisschen Dreck wird kleben bleiben, aber das ist nicht Aufgabe der unabhängigen Justitia. Ganz offenbar treffen die Aktivisten von der "Letzten Generation“, ob man sie nun mag oder nicht, einen Nerv. Sie ernten Reaktionen, die nicht gerade als angemessen bezeichnet werden können. Ich denke, da tritt etwas zutage: unser schlechtes Gewissen.