Kommentar: Bundestagshalbzeit – Wie schlug sich Friedrich Merz als Oppositionschef?

Der CDU-Parteivorsitzende wäre unangefochtener nächster Kanzlerkandidat der Union. Nur macht er nicht immer die beste Figur. Doch Friedrich Merz braucht noch lange nicht aufzugeben.

CDU-Parteichef Friedrich Merz beim Wahlkampf in Berlin im Februar (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)
CDU-Parteichef Friedrich Merz beim Wahlkampf in Berlin im Februar. (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Stimmung in der CDU ist eher mau. Zwar liegt die Partei in Umfragen souverän an erster Stelle. Aber irgendein Detail stört stets das Gesamtbild. Und immer öfter machen die Christdemokraten den Unruheherd in der eigenen Parteizentrale aus. Ihrem Boss Friedrich Merz gelingt es zuverlässig aufs Neue, mit irritierenden Aussagen, die seltsam ungenau und hart zugleich erscheinen, Zweifel an seiner Statur zu nähren.

Daher ist Merz nicht alleiniger Anwärter auf die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl im Herbst 2025. Nicht jetzt, zur Halbzeit in der Sommerpause. Dafür muss sich Merz noch strecken. Gelingen könnte es ihm. Aber seine Beine, über die er zuweilen stolpert, sind lang.

Der Sauerländer kann für sich verbuchen, den Absturz der CDU gestoppt zu haben. Desolat stand die Partei nach der verlorenen Bundestagswahl da. Merz verlieh ihr Stabilität und Selbstbewusstsein. Aber eine Unsicherheit scheint geblieben zu sein. Jedenfalls gelingt es Merz nicht, die Zuversicht, die er in sich selbst hat, vollends auf die Union zu übertragen.

Zwar überzeugte er als Redner im Bundestag. Dort kann er mit Argumenten und beißender Schärfe die Ampelkoalition teilweise vor sich her treiben. Und er schafft es als Wertkonservativer, seine Abscheu gegen die letztlich die guten Werte des Zusammenlebens ablehnende AfD effektiv zu zeigen – und damit eben eine Alternative zu präsentieren.

Was redet er nur manchmal?

Aber Merz übertreibt zuweilen. In seinem Bemühen, die Regierungsparteien zu kritisieren, verzettelt er sich und dichtet Phantomthemen wie dem Gendern eine Wirkmächtigkeit an, über die sich nur die AfD freut. Die wiederum hat er ungewollt aufgewertet, indem er sich hinreichend unscharf über mögliche Zusammenarbeiten auf lokaler Ebene äußerte; das fiel in der CDU auf Widerhall. Aber äußerst negativen. Keiner der Parteigranden eilte ihm zur Seite. Merz stand wie ein begossener Pudel da, Friedrich allein zu Haus.

Und es gibt Kontrahenten. Von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist auszugehen, dass er diesmal noch mehr als vor der letzten Wahl versuchen wird, Spitzenkandidat der Union zu werden. Konsequent nutzt er jede Schwäche von Merz aus, um ihn abzuwatschen. Und dann läuft sich in Merz‘ eigenem Bundesland NRW Ministerpräsident Hendrik Wüst warm und sondiert seine Chance als junge und mittigere Option zu Merz.

Infografik: Deutschlands beliebteste Spitzenpolitiker:innen | Statista
Infografik: Deutschlands beliebteste Spitzenpolitiker:innen | Statista

Es liegt an ihm selbst

Zu beiden könnte er Distanz wahren, immerhin hat er als Partei- und Fraktionschef die Poleposition. Aber Merz müsste die kleinen, aber häufigen Kommunikationsfehler abstellen. Er sollte menschlicher wirken, authentischer. Immer wieder schimmert die leicht arrogante Seite des Besserwissers durch, des ehemaligen Bestverdieners eines Finanzgiganten, der kaum Zugang zu den Lebenswelten der Otto Normalverbrauchers findet.

Es ist seine letzte Chance. Merz mag kompetent sein, er hat Persönlichkeit und Standfestigkeit – unabhängig davon, ob man seine inhaltlichen Meinungen teilt oder nicht. Aber in diesen Zeiten zählen Eindrücke viel. Und die Figur, die Merz zuweilen macht, ist holprig. Sowas könnte er abstellen. Aber dazu müsste er sich ein Stück weit neu erfinden. Kommt er aus seiner Haut raus, wird Merz Kanzlerkandidat. Schafft er es nicht, ist die Politik für ihn, mal wieder, vorbei.