Kommentar: Die Kardashians der Bundesliga – warum wir den FC Bayern München lieben

Großes Drama bei den Bayern: Sie werden nicht alle Titel gewinnen, die es zu gewinnen gibt. Vielleicht nicht einmal einen. Nun ja. Dieser Verein lässt einen halt nicht kalt, da zählt für ihn, was für andere kaum gilt. Und wir alle, ob Fan des FCB oder nicht, saugen jede Nachricht aus dieser Soap-Opera auf. Das ist doch ein Titel, oder?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Großer Auftritt trotz leerer Ränge: Die Allianz-Arena des FC Bayern München (Bild: Kirby Lee-USA TODAY Sports)
Großer Auftritt trotz leerer Ränge: Die Allianz-Arena des FC Bayern München (Bild: Kirby Lee-USA TODAY Sports)

Die halbe Republik schaute mal wieder beim Training zu. Thomas Tuchel wurde sauer, und – tatsächlich: Er zerbrach ein hölzernes Stänglein. Eiderdaus. Es war eine Breaking News. Denn wenn es dem Fußballverein FC Bayern München schlecht geht, fiebert das Land mit. Die einen leiden, die anderen feixen. Und jede Menge schauen einfach interessiert zu.

Mal gucken, was bei den Bayern so los ist

Ich ertappe mich immer wieder dabei, jede Meldung zu den Bayern aufzusaugen. Da gibt es jede Menge „Pflicht“ bei den Nachrichtenüberblicken, etwa den Krieg im Sudan, die Sorgen um Heizungen in Deutschland, der Klimawandel. Da will man ja auch mal den Kopf freikriegen. Schaut dann nach den Blumen auf dem Balkon, oder nach den neuesten Ergüssen des Germanisten Richard Da… wie hieß der noch mal? Precht. Ich checke meist, was los ist, beim FC Bayern.

Denn da geht immer was. Sadio Mané trainiert nun extra hart, während Leroy Sané wieder lustlos trabte? Und was sagt Manuel Neuer aus der Muckibude darüber, dass sich sein Buddy Thomas Müller harte Ansagen anhören muss? Egal, der Müller kann ja Sportchef werden, denn der Hasan, der…

Wie bereits erwähnt: Immer gibt es die Chance, sich beim Gossip über diesen Mia-san-Mia-Klub auszuruhen, bei ihm und seinen Problemchen zu verweilen, die auch immer ein bisschen Glamour sind. Denn der FC Bayern ist Glamour. Seine Akteure sind die Kardashians. Komisch, dass der Verein noch nicht auf die Idee gekommen ist, sich per Fernsehkamera im Realitysoap-Format zu vermarkten.

So viel Lametta findet man sonst nirgendwo

Ich selber bin kein Fan der Bayern. Mein Herz schlägt für den SV – ach, das interessiert eher weniger. Jedenfalls war ich Bayernfan zwischen meinem sechsten und elften Lebensjahr. Damals wurde ich durch Falschinformationen weggelockt, es ging um angeblich arrogantes Verhalten bei einem Europapokalspiel in der DDR. Egal. Aber zum Hater der Bayern wurde ich nicht. Sollen die doch so viel gewinnen, wie sie wollen; es ist auch ein Sieg, nicht abzusteigen. Und selbst das Mittelfeld kann Wohligkeit verströmen, das Signal: Wir sind da, wir bleiben. Danach geschaut, was bei den Bayern los ist, hab ich aber stets. So viel Lametta findet man sonst nirgendwo im deutschen Fußball.

Sind die Bayern die Kardashians des deutschen Fußballs? Manchmal wirkt es fast so. (Bild: REUTERS/Lukas Barth)
Sind die Bayern die Kardashians des deutschen Fußballs? Manchmal wirkt es fast so. (Bild: REUTERS/Lukas Barth)

Vielleicht liegt es auch an der postulierten Sondersituation Bayerns in Deutschland. Weil sich dieses Bundesland eine eigene Partei leistet, die woanders nicht antreten mag (sind wohl Angsthasen), erhascht der „Freistaat“ eine Extrawurst nach der anderen, sei es bei fixen Sommerferien oder noch einer Straße mehr, die dort gebaut wird. Die CSU redet sich und den Bayern ein, die Region sei besonders erfolgreich und schön. Dabei ist Castrop-Rauxel nicht hässlicher – und Bayern ist natürlich schön. Ferner ist Bremen nicht weniger erfolgreich, aber im Norden verfährt man weniger nach dem Motto: Tue Gutes und rede drüber. Es muss wohl an der Sonne liegen, die im Süden stärker auf die Schädel drückt. Jedenfalls hat Bayern dieses Mia san mia als eine Marke aufgebaut, wie früher das Made in Germany, das heute niemanden mehr lockt, aber noch vor einiger Zeit für Umsatzsteigerung sorgte.

Was ist der neuste Tratsch?

Und der Münchener Fußballverein an der Säbener Straße strotzt ebenso vor Selbstbewusstsein, das in grausamer Konsequenz auch dann mal weg ist, wenn es nicht mehr gut läuft. Die Malaisen, die dem FC Bayern aktuell passieren, würden andere Bundesligisten längst nicht derart aus der Bahn werfen. Aber was rede ich da: Eigentlich ist doch nichts passiert, außer dass der Verein auf dem zweiten Platz steht. Ist doch auch ganz ok. Eignet sich aber nicht zum Drama. Und das wollen wir. Also, was hat Uli Hoeneß nochmal dem Tuchel ins Ohr geflüstert?

Im Video: Braucht der FC Bayern diesen Uli Hoeneß? | 2nach10