Kommentar: Die von der Union geforderte Asyl-Wende ist das C nicht wert

CDU und CSU verlangen drastische Schritte, um die Einwanderung nach Deutschland zu erschweren. Damit zeigen sie eine wenig realistische Sicht auf die Lage – zu Lasten der Mitmenschlichkeit. Aber in einigen Punkten hat die Union auch recht.

Ein typischer Fall für die Außengrenze? Ein syrischer Mann hält bei der Ankunft auf Lesbos im Jahr 2015 sein kleines Kind (Bild: REUTERS/Yannis Behrakis)
Ein typischer Fall für die Außengrenze? Ein syrischer Mann hält bei der Ankunft auf Lesbos im Jahr 2015 sein kleines Kind. (Bild: REUTERS/Yannis Behrakis)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die Opposition holt aus zum Paukenschlag. Da gerade weiterhin viele Fliehende auch Deutschland erreichen und die Kommunen große Bedenken ob ihrer Kapazitäten anmelden, wollen sich CDU und CSU im Bundestag profilieren. Sie fordern eine "Asyl-Wende" – einen Maßnahmenkatalog, der die Migration von Leidtragenden nach Deutschland erschweren soll.

Dafür sollen die Sozialleistungen für nicht anerkannte Asylbewerber gesenkt und europaweit auf ein vergleichbares Maß gebracht werden. Ferner soll die Entscheidung über Asylanträge nur noch an den EU-Außengrenzen getroffen werden. Und nur anerkannte Asylbewerber sollen von dort verteilt werden – nach Wirtschaftskraft der EU-Staaten. Wer schon in einem anderen EU-Land einen Antrag gestellt hat, müsste an den Binnengrenzen zurückgewiesen werden können.

Das sind die Kernpunkte. Ganz klar: Dies würde im Schnitt zu weniger Aufnahmen in Deutschland führen – allerdings weitaus weniger als von der Union gedacht. Denn es bleibt ein Märchen, dass Fliehende sich davon abhalten lassen würden, nach Deutschland zu streben, wenn sie dort etwas weniger Gelder zum Lebensunterhalt kriegten. Die Motive für eine Flucht sind konkreter und handfester. Nur wer sie mit einer Kreuzfahrt verwechselt, käme auf solch eine Idee des vermeintlichen Abschreckungspotenzials.

Früher war es nicht besser

Aber umgesetzt würde diese Politik einen Rückschritt bedeuten. Sie wäre ungerecht und unmenschlich. Sie würde Europa strapazieren und wieder in Kleinstaaterei führen. Denn es ist doch klar, dass Fliehende vorher europäischen Boden betreten, bevor sie Deutschland erreichen. Die Union will zurück zur Politik des schlanken Fußes als Mittelstaat, der die anderen Nachbarn an den Außengrenzen machen lässt – so wie jahrelang vor 2015 geschehen, als Länder wie Griechenland und Italien im Stich gelassen wurden.

Durch diese Politik würde kein einziger fliehender Mensch weniger Europa erreichen. Und das "C" für "christlich" bei CDU und CSU würde einen erheblichen Stresstest erleben.

CDU und CSU nutzen dabei eine Schwäche der Bundesregierung aus. Weil sich der Bund stur stellt und darauf beharrt, den Kommunen erstmal genügend Hilfe zur Aufnahme Geflohener zur Verfügung gestellt zu haben, diese aber dies anders sehen – holt sich die Union die enttäuschten Bürgermeister und Landräte an Bord. Denn in den Forderungen der Bundestagsfraktion steht auch Vernünftiges. Im Papier steht: Die Bundesregierung soll Kommunen Bundes-Immobilien und Container-Unterkünfte bereitstellen und bezahlen. "Solange der Bund die irreguläre Migration weiterhin nicht effektiv begrenzt und steuert", müsse der Bund "vollständig die Kosten" übernehmen.

Über eine vollständige Kostenübernahme ließe sich reden, obwohl dies von einer Opposition leicht gefordert werden kann. Auch stemmt der Bund gerade sehr viel, während die Bundesländer in einer komfortableren Lage sind. Aber es gibt Kommunen, die mit dem Management der ankommenden Menschen überfordert sind. Die brauchen eine schnelle Hilfe.

Ein Schelm, wer Böses denkt

Doch ob die Union tatsächlich nur ein Herz für die Kommunen gewonnen hat, lässt sich bezweifeln. Vielmehr ist es ein geschickter Schachzug, der in der widersprüchlichen Aussage gipfelt: "Nur der Bund hat es in der Hand, die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, zu begrenzen. Deshalb muss der Bund vor allem den Kommunen bei entstehenden Kosten zur Seite stehen." Denn das eine hat mit dem anderen schlicht nichts zu tun. Oder wollen die Kommunen wieder Stadtgrenzen mit hellebardenbewehrten Wächtern installieren, wie Anno Dazumal? Wer hier Bund und Kommunen auseinanderdividiert, hat nicht verstanden, was ein Land ausmacht.

Über weitere Punkte des Forderungspapiers ließe sich reden, zum Beispiel, ob die Maghreb-Staaten und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen sind. So aber, mit dieser großen Keule, provoziert die Opposition den Schulterschluss der Ampelkoalitionsparteien und damit einen reinen Grabenkampf. Am Ende könnten die Kommunen, die doch Hilfe benötigen, die Gelackmeierten sein.