Kommentar: Joe Bidens Kandidatur könnte ziemlich schiefgehen

Der amtierende US-Präsident will es noch einmal wissen: Joe Biden will erneut als Kandidat seiner Demokratischen Partei antreten. Das klingt alles vernünftig. Aber nicht herz- oder leidenschaftlich. Genau darin liegt die Chance seines Gegners Donald Trump – oder einer jüngeren Option.

Ein Kommentar von Jan Rübel

US-Präsident Joe Biden kurz nach seiner Ankündigung, noch einmal als Kandidat fürs Weiße Haus antreten zu wollen (Bild: REUTERS/Leah Millis)
US-Präsident Joe Biden kurz nach seiner Ankündigung, noch einmal als Kandidat fürs Weiße Haus antreten zu wollen (Bild: REUTERS/Leah Millis)

Bei den Republikanern werden sie rasch die Rechenschieber beiseite gelegt haben. Denn die Erklärung von Joe Biden, sich um eine zweite Amtszeit als US-Präsident zu bemühen, ist für sie eine einfache Kalkulation. Sie wissen nun genau, was sie tun müssen. Denn eine sichere Nummer ist der amtierende Präsident vielleicht als Hüter des Weißen Hauses, der westlichen Welt. Aber um diese nächste Wahl am 5. November 2024 zu gewinnen, braucht es andere Qualitäten. Da muss Biden in den Ring steigen und um Herzen kämpfen. Dafür muss sich der 80-Jährige aber mächtig strecken.

Die Wucht der Gegenspieler

Biden als Kandidat der Demokraten ist somit gesetzt, innerparteilich werden keine chancenreichen Wettbewerber gegen ihn antreten. Bei den Republikanern deutet sich bisher ein Machtkampf zwischen Donald Trump und dem Gouverneur Floridas an, Ron DeSantis. Beide werden mehr Dampf und Druck entfalten als Biden. Das müssen sie auch, als Herausforderer. Biden kann aber durch diese Wucht beiseitegeschoben werden.

Denn seine Wahl gewann er vor vier Jahren in erster Linie, weil er nicht Trump war. Er versprach, Amerika von diesem Staatsentführer zu befreien. Und so sagten sich viele durchaus konservativ denkende Wähler mit höheren Bildungsgraden von Trump los. Der war ihnen dann doch zu unanständig geraten. Biden wurde gegen ihn Präsident, weil er diese Schichten für sich gewann.

Floridas Gouverneur Ron DeSantis (links) ist größter parteiinterner Widersacher von Donald Trump (Bild: REUTERS/Tom Brenner)
Floridas Gouverneur Ron DeSantis (links) ist größter parteiinterner Widersacher von Donald Trump (Bild: REUTERS/Tom Brenner)

Doch Trumps Abschneiden war damals alles andere als ein total fail. Er schnitt im Vergleich zu seiner ersten Wahl sehr gut bei Frauen ab, bei schwarzen Wählern und bei Latinos. Und er scharte die weißen Arbeiter um sich – die wichtigste Erkenntnis aus der vergangenen Präsidentschaftswahl ist: Je geringer die Bildung, desto eher die Stimme für die Republikaner. Die Demokraten dagegen verloren die Leute, für die sie ursprünglich einmal sprechen wollten. Demokraten, auch Biden, gelten als abgehoben. Als vernünftig und ruhig, aber auch als elitär. Das mag ungerecht sein, aber gegen dieses Image helfen nur Schweiß und Tränen. Und dies müsste Biden im kommenden Wahlkampf liefern.

Polarisierung kommt durchaus an

Trump jedenfalls wird seinen Siegeswillen aus allen Poren spritzen. Er wird zuspitzen, vermeintlich einfache Antworten anbieten, die nur auf den ersten Blick funktionieren, aber darauf kommt es an. Trump hat ja nicht einmal seine Niederlage bei der letzten Wahl eingeräumt, und er verfügt über eine Anhängerschar, die ihm weitaus engagierter folgt als Bidens Fans. Trumps Anhänger glauben ihm jeden Bullshit.

Daher hat Biden nur eine Chance, wenn er engagiert versucht, die Arbeiter, die weniger Verdienenden, die mit geringeren Schulabschlüssen wieder für sich zurückzugewinnen. Er muss zeigen, wofür er steht. Allein gegen Trump zu sein, allein nicht so fies und mies zu sein wie er – das reicht nicht. Und da ist der aktuelle Präsident in einer Bringschuld.

Denn so nachvollziehbar seine Politik als Number One auch ist, so wenig erfährt man, wie Biden gerade tickt. Der Präsident agiert abgeschirmter als seine Amtsvorgänger. Reden liest er ab. Spontanität gibt es nur in homöopathischen Dosen – und von ihnen wissen wir, dass sie keine Zukunft haben und es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie aus dem Versorgungskatalog der Krankenkassen fliegen.

Nach vorn gerichtet – das verspricht Erfolg

Regiert Biden so wenig allein sichtbar, weil seine Konstitution nicht mehr hergibt? Ängstigen sich seine Berater um mögliche Aussetzer? All dies muss nun zur Seite geschoben werden. Biden muss zu Joe werden, zum Kumpel von nebenan. Er muss nun durchs Land ziehen, die Provinzen beackern. Denn vor vier Jahren, da langte es aus, in einem Keller zu sitzen und im pandemiebedingten Lockdown vor allem virtuell aufzutreten. Das wird im kommenden Jahr nicht reichen.

Und vielleicht ist Biden auch fit dafür. Er will antreten, also sollte er die Konstitution dafür haben. Aber das muss er dann auch zeigen.

Es könnte nämlich auch gut sein, dass sich Trump innerparteilich nicht durchsetzt. In der Republikanischen Partei werden sie registriert haben, dass ein Typ wie Trump auch abstößt. Der 44-jährige DeSantis dagegen wirkte wie ein agiler Jungspund gegenüber Biden. Trump mag zwar auftreten wie ein Bulldog. Jung aber ist er gewiss nicht, mit seinen 76 Jahren. Biden braucht also den Eindruck von Agilität. Nur dann, und durch die Umarmung der ärmeren Schichten, hat er eine Chance.

Im Video: Joe Biden: Zu alt für eine neue Kandidatur?