Kommentar: Olaf Scholz, der Abschiebungskanzler – was ist davon zu halten?

Der Regierungschef stimmt neue und harte Töne in der Migrationspolitik an. Seine SPD muss er dafür noch hinter sich kriegen, die Grünen murren auch. Auf jeden Fall offenbart Olaf Scholz einen roten Faden seiner Politik: Hin und wieder macht er einen Wumms.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Es gibt auch nette Termine für den Kanzler: Olaf Scholz beim Besuch der Frauen-Fußballnationalmannschaft in Frankfurt am Main (Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach)
Es gibt auch nette Termine für den Kanzler: Olaf Scholz beim Besuch der Frauen-Fußballnationalmannschaft in Frankfurt am Main (Bild: REUTERS/Kai Pfaffenbach)

Gesetze tragen stets schöne Namen. Alles wird gut, sagen ihre Titel. Heute will die Bundesregierung solch einen Entwurf beschließen: „Rückführungsverbesserungsgesetz“ heißt es und bedeutet: Schneller und effektiver sollen Menschen abgeschoben werden, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben. Angetrieben hat diesen Entwurf der Kanzler selbst. Im „Spiegel“ fiel Olaf Scholz mit der Mahnung auf: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ Das klingt nach Aufräumen oder Abräumen. Jedenfalls nach hochgekrempelten Ärmeln. Dass es um Menschen geht, könnte man glatt vergessen.

Scholz holt das Megaphon raus

Scholz zieht damit einen Schnitt. Dass bisher nicht wenige abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben wurden, hatte Gründe in der Bürokratie und in den Menschenrechten. Der Kanzler reagiert damit auf eine sich breitmachende allgemeine Stimmung in Deutschland. Sie besagt: Wir haben so viele Probleme, jetzt nicht auch noch so viel von dieser Migration. Da ist der Krieg in der Ukraine, die Inflation, Energieversorgungssorgen, der Klimawandel. Und dann sollen Kommunen auch noch die Sporthalle für ankommende Geflohene freiräumen? Man könnte einwenden: Was hat die angegriffene Ukraine mit dem FC Entenhausen zu tun? Wenn sich aber Eindrücke auftürmen, wird es schwer mit dem Differenzieren. Damit dringt man auch weniger durch. Und da Scholz merkt, dass er nicht mehr ausschließlich im Leisesprech agieren kann, holt er nun das Megaphon aus dem Abstellschrank.

Umfrageergebnisse zum Migrationspakt. Redaktion: D. Loesche; Grafik: P. Massow
Umfrageergebnisse zum Migrationspakt. Redaktion: D. Loesche; Grafik: P. Massow

Der Käpt’n hat gesprochen

Damit signalisiert er den Umfragen: Ich habe verstanden. Nun könnte man fragen, warum seine SPD ausgerechnet jetzt solch einen Schwenk in der Migrationspolitik vollzieht. Denn die Fakten haben sich kaum geändert. Die Akzeptanz dafür ändert sich gerade. Auch wäre Scholz der Vorwurf zu machen, er entwickle sich zum Umfragenkanzler; etwas, das er sicher ungern hörte, sieht sich Scholz doch als unabhängigen Käpt’n am Steuerrad.

Riskant ist sein Manöver auch, weil er damit Ungemach in die Koalition bringt. Die Grünen sind schon arg gebeutelt, mussten viele Kröten ihrer Klimapolitikambitionen schlucken. Und die FDP fühlt sich derzeit in jedem Hemd, das sie anzieht, unwohl. Da kommt Scholz also mit seinen Abschiebeankündigungen genau richtig, um die Partystimmung der Ampel endgültig in den Keller zu treiben.

Vielleicht hat Scholz schlicht erkannt, dass rechtspopulistischen Tendenzen der Wind aus den Segeln genommen wird, wenn man sie verbal beruhigt. Ein paar Placebos verteilt. Der Kanzler spuckt nun laute Töne, aber wird sich die Migrationspolitik tatsächlich grundlegend ändern? In der Politik wird Gefühltes mächtiger. Geht es Scholz darum, muss er nun exakt dosieren: zwischen Beschwichtigung einerseits und Aktionismus andererseits – und zwar bei der Bevölkerung und den Parteiverbündeten gleichermaßen.

Viele Alternativen hat Scholz nicht

Die bisherige Koalition mit Gründen und FDP wird er nicht beenden wollen. Zu groß wären die Erschütterungen eines Scheiterns, und zu wenig haben ihm CDU und CSU zu bieten; dass sein Rivale Friedrich Merz dann in einem Ministeramt eingehegt und so die Opposition geschwächt wäre, ist zwar verlockend, aber nicht durchschlagend.

Am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass wohl effizienter umgesetzt wird, was eh richterlich beschlossen ist. Prozesse werden verschlankt, die Ansagen werden klarer, dass mit der Ankunft in Deutschland nicht alles entschieden ist und man sich dann nur noch durchlavieren muss. Vergessen wird dabei freilich, dass solch ein Ankommen nie ein Zuckerschlecken ist. Aber es ist halt die Zeit, in der man nach unten tritt.

Im Video: Scholz: Migrationspaket erleichtert Abschiebungen