Kommentar: Was Richard David Precht und Markus Söder gemein haben

Krieg ist eine ernste Angelegenheit. Ihn aber ernst nehmen, das fällt Manchen schwer. Ein fremdernannter Philosoph und ein militärischer Ministerpräsident fallen dabei besonders auf.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ob da noch ein Helm draufpasst? Bayerns CSU-Politiker Markus Söder in einem Fastnachtskostüm bei einer Feier im Jahr 2012 (Bild: REUTERS/Michaela Rehle)
Ob da noch ein Helm draufpasst? Bayerns CSU-Politiker Markus Söder in einem Fastnachtskostüm bei einer Feier im Jahr 2012 (Bild: REUTERS/Michaela Rehle)

Wir sind alle keine Militärexperten, und Fußball-Bundestrainer auch nicht. Ein bisschen Zurückhaltung ist bei diesen Themen kein schlechter Ratgeber. Nehme ich den Krieg, etwa den in der Ukraine, nicht ernst genug, wenn ich ihn mit Fußball vergleiche? Ja, tue ich nicht. Aber nur, um einen mehr oder weniger eleganten Übergang zu Leuten zu basteln, denen definitiv der Ernst der Lage abgeht; zumindest zwingen ihre Worte zu dieser Herleitung.

Da ist zum Beispiel Richard David Precht, ein promovierter Germanist, der philosophische Themen für Otto Normalverbraucher wie mich recht griffig und interessant erklärt. Und da ist Markus Söder, ein Ministerpräsident, der jedenfalls auch so redet, dass man alles kann, nur nicht einschlafen.

Zum Krieg in der Ukraine sagte Precht im März, die Selbstverteidigung eines Einzelnen gegen einen russischen Angriff sei nicht das gleiche wie die Durchhalteparolen eines Präsidenten, "der sein Volk in einen Krieg schickt, den es verlieren muss".

Damit lag er falsch wie ein Mittelstürmer beim Generalstab der Bundeswehr.

Zum einen hat der ukrainische Präsident sein Volk in keinen Krieg geschickt, denn der Krieg kam zu ihm. In den ersten Stunden hatten russische Fallschirmjäger versucht, den gewählten Präsidenten "auszuschalten", dann das ganze Land. Dann griffen die Bürger zu den Waffen und machten das, was Precht richtigerweise „Selbstverteidigung“ nennt. Der meinte dazu nur: "Natürlich hat die Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung, aber auch die Pflicht zur Klugheit, einzusehen, wann man sich ergeben muss." Seine Worte waren unmissverständlich dahingehend zu verstehen, dass ein bisschen Widerstand okay, aber alles weitere sinnlos sei – wegen der militärischen Überlegenheit auf russischer Seite.

Nun sind wir alle, wie am Anfang schon betont, keine Militärexperten. Precht ist es gewiss nicht mehr oder weniger als etwa ich. Wie er dazukam, über die "Klugheit" anderer zu urteilen und zu sagen, dass solch ein Widerstand verloren werden "muss", kann nur mit gewisser Hybris erklärt werden.

Lost in Translation of War News

Andererseits war für uns Laien auch nicht vorhersehbar, welchen Verlauf dieser Krieg nehmen würde und wird. Wir schauen auf die täglichen Wasserstandsmeldungen und lesen von Orten, von denen wir nie zuvor gehört haben und deshalb den Eindruck kriegen, wir hätten etwas verpasst – so selbstverständlich ist von ihnen in den Nachrichten die Rede. Ich kann nach wie vor Panzernamen kaum voneinander unterscheiden. Aber ich habe verstanden, dass die Ukrainer Waffen dringend brauchen und dass sie damit Erfolge bei der Verteidigung ihrer Freiheit zeitigen und dadurch auch unsere eigene sichern. Schieben wir also Prechts Worte beiseite. Er scheint die Ukrainer, ihre Freiheit und Unabhängigkeit, ihren so eindeutig klar mehrheitlich artikulierten Willen, nicht ernst genug zu nehmen. Und falsch lag er auch – aber das darf man als Nicht-Militärexperte.

Beim Frisör in der Staatskanzlei

Es gibt dann einen Politiker, der sich mit Soldatischem und mit Angriff auskennt. Denn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder legte jüngst zum Maßstab fest, wie Politiker im Grunde herumzulaufen hätten: "Ich glaube Anton Hofreiter erst dann, dass er für die Bundeswehr ist" sagte er vor dem CDU-Parteitag, "wenn er sich endlich einen ordentlichen, militärischen Haarschnitt zulegt."

Aha. Politiker brauchen also einen militärischen Haarschnitt. Söder hat zweifellos einen. Für ihn ist das Berufsleben womöglich ein Kampf, einer des persönlichen Fortkommens vielleicht? Oder des Verteidigens bayerischer Privilegien gegenüber anderen Bundesländern?

Der christsoziale Söder mokierte sich über den Grünen-Politiker Hofreiter, weil er längere Haare trägt. Du meine Güte, könnte man sagen, der Söder Markus wollte halt eine Zote raushauen, es war eine Parteitagsrede, da kann man mal Fünfe gerade sein lassen. Aber genau das tut Söder eben nicht. Er kritisiert Hofreiter rosinenpickend, weil dieser zwar in seinen Augen das Richtige sagt, aber wegen ein paar Härchen unglaubwürdig wirke. Natürlich ist das ein billiger Versuch von Mobbing und Bodyshaming. Aber es ist noch mehr. Hofreiter zählt zu jenen Grünen, die am vehementesten den Einstand mit den angegriffenen Ukrainern fordern, also auch mit Waffen. Und das redet Söder madig, weil er sich selbst als eine Art Bavarian Iron Man stilisieren will? Damit nimmt er die Ukrainer ebenfalls nicht ernst. Er entwertet die Solidarität mit ihnen, weil ihm das nicht so wichtig scheint. Was ist ihm eigentlich wichtiger als er sich selbst?

Der Schriftsteller Albert Camus schrieb einmal: "Es ehrt unsere Zeit, dass sie genügend Mut aufbringt, Angst vor dem Krieg zu haben." Söder und Precht sollten alle beide anfangen, ihre Gedanken zu Ende zu denken, bevor anfangen zu reden.

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