Kritik an Entwicklungshilfe - Herr Klein, warum zahlt Deutschland für Jugendzentren in Osttimor?

Eine deutsche Helferin ist im Ausland im Einsatz.<span class="copyright">©Johanniter-Paul Hahn/Aktion De</span>
Eine deutsche Helferin ist im Ausland im Einsatz.©Johanniter-Paul Hahn/Aktion De

Insgesamt gibt Deutschland rund 33 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe aus. CDU-Politiker Volkmar Klein will anders als die Ampel trotzdem nicht sparen in diesem Bereich. Er will die Mittel an der richtigen Stelle einsetzen, nicht für „Ideologie-Projekte“ der Regierung.

FOCUS online: Herr Klein, Sie sind in der Unionsfraktion im Bundestag Sprecher für Entwicklungspolitik. Überblicken Sie eigentlich noch, für welche Projekte mit welcher Begründung Geld aus Deutschland ins Ausland fließt?

Volkmar Klein: Bei den Projekten der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit schon, das sind nicht zigtausende. Bei der Gesamtzahl der Projekte ist das aber tatsächlich schwieriger. Wir unterstützen aus dem Bundeshaushalt nämlich zusätzlich private Initiativen, die nach unseren Regeln dann selbst einen Anteil bezahlen. Da ist viel Kleinteiliges dabei.

Kürzungen der Ampelregierungen im Haushalt für das Entwicklungshilfe-Ministerium haben Sie in der Vergangenheit als „peinlich“ bezeichnet. Wollen Sie also noch mehr Geld ausgeben, obwohl die Ampel genau für diese Fülle der Projekte kritisiert wird?

Klein: Klein: Man muss das im Gesamtzusammenhang sehen. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende muss bedeuten, dass wir in der Außenpolitik Verantwortung tragen und kein Vakuum entstehen lassen. Die Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit sind da nicht der richtige Weg.

Der ehemalige US-Präsident George W. Bush hat einmal gesagt, man brauche aus außenpolitischer Verantwortung heraus und im Interesse des eigenen Landes die „drei D“: Defence, Diplomacy und Development – also Verteidigung, Diplomatie und eben Entwicklungszusammenarbeit. So wie es richtig ist, die Militärausgaben zu erhöhen, müssen wir auch mehr Entwicklungszusammenarbeit betreiben, nicht weniger.

„Nicht auf diesen populistischen Rundumschlag einlassen“

Umfragen zeigen, dass bei den Bürgern die Unterstützung für Entwicklungshilfe zurückgeht. Das ist kaum verwunderlich, wenn bei Investitionen in Deutschland ständig von Sparzwängen die Rede ist. Warum überlässt die Union die Kritik an der Entwicklungspolitik vor allem der AfD?

Klein: Nicht alle Projekte sind wirklich gut, im Einzelfall könnte man die Prioritäten sicher anders setzen. Aber wir dürfen uns nicht auf diesen populistischen Rundumschlag einlassen, denn es ist angesichts unserer Exportstärke wirtschaftlich wichtig, weltweit stabile Verhältnisse zu sichern.

Aber finden Sie den Unmut nicht nachvollziehbar? Überall soll gespart werden muss, das soll für die Entwicklungshilfe aber nicht gelten?

Klein: Wenn schon gespart werden muss – was bei einer besseren Wirtschaftspolitik der Ampel nicht notwendig wäre – dann bitte an den richtigen Stellen. Meine Kritik bezieht sich darauf, dass die Regierung genau dort überproportional kürzen will, wo mit dem Geld eine beschleunigende Wirkung entstehen könnte, damit mehr private Mittel eingeworben werden.

Es gibt zum Beispiel sogenannte EZ-Scouts, mit deren Hilfe deutsche Unternehmen herausfinden können, wo sie im Ausland so investieren können, dass sich daraus Chancen für die Menschen vor Ort und wirtschaftlicher Erfolg ergeben. Man darf doch nicht genau daran sparen, wenn man mehr private Gelder in der weltweiten Politik als Ziel hat. Denn es ist ja grundsätzlich richtig, dass die Bundesregierung sich dazu bekennt, dass wir die Probleme der Welt nicht mit deutschem Steuergeld lösen können.

„Durch die Ampel-Ideologie werden wir im Ausland nicht mehr ernst genommen“

Das Entwicklungshilfe-Ministerium von Svenja Schulze (SPD) schreibt, die Entwicklungszusammenarbeit habe nichts mit dem Verteilen von Almosen zu tun, sie basiere „auf einer partnerschaftlichen Kooperation mit gegenseitigem Lernen“. Das klingt gut, aber entspricht es der Realität?

Klein: Ich habe meine Zweifel daran, ob es wirklich eine Politik des „gegenseitigen Lernens“ gibt. Mein Eindruck ist, dass die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik zu viel auf Belehrungen setzt. Wenn ich zum Beispiel mit Botschaftern afrikanischer Staaten spreche, sagen sie mir: Wir wollen mehr Engagement der Wirtschaft und weniger belehrt werden. Sie empfinden das fast schon als neokolonialistisch.

Zwar betont die Bundesregierung immer die Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Aber eigentlich scheint das Motto zu gelten, dass die Partner im Ausland das akzeptieren müssen, was wir für politisch korrekt halten. Ich glaube, das trägt auch ein bisschen dazu bei, dass sich einige Länder vom Westen abkehren und den BRICS-Staaten zuwenden, also auch zu Russland und China. Das ist ein Hilfeschrei gegen unsere Belehrungen.

An welchem Beispiel können Sie es festmachen, dass die Ampel ihr Weltbild über die Entwicklungshilfe legt?

Klein: Es war schon in der Vergangenheit ein wichtiger Baustein der Entwicklungspolitik, Frauen zu unterstützen. Zum Beispiel werden Mikrokredite überwiegend an Frauen vergeben. Man hat erkannt, dass das Geld dann wirklich in die Entwicklung von Zukunftschancen gesteckt wird.

Jetzt ist aber in der Bundesregierung plötzlich ständig die Rede von „feministischer Entwicklungspolitik“. Die Ampel bedient damit ihr rot-grünes Parteitagsklientel, die Wortwahl ist den Leuten in Afrika aber eher zuwider. Durch die Ampel-Ideologie werden wir im Ausland nicht mehr ernst genommen.

CDU-Politiker verteidigt Geld für Radwege in Peru

Die Union hat unter Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) in der Vergangenheit ebenfalls viele Projekte gefördert, die nun kritisiert werden. Zum Beispiel wurden mit deutschem Geld Radwege in Peru gebaut, das Land ist aber gerade einmal für 0,2 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Haben Sie hier richtig priorisiert?

Klein: Ja. Entwicklungszusammenarbeit muss erfolgreicher werden, sodass Jobs entstehen und Menschen eine Perspektive bekommen. Dafür müssen aber die Grundlagen gesichert werden. Die peruanische Hauptstadt Lima liegt in einem engen Talkessel, dort leben rund 10 Millionen Menschen. Wenn die Entwicklung positiv weitergeht, werden immer mehr Einwohner mit zunehmendem Reichtum aufs Auto umsteigen wollen. Das kann in dem Talkessel aber nicht funktionieren. Deswegen ist es vernünftig, über Konzepte für Radwege nachzudenken. Bei dem Projekt geht es für mich in erster Linie um gute Infrastruktur, erst in zweiter Linie um CO2-Einsparungen.

Schauen wir auf ein anderes Projekt: In Osttimor wird ein Jugendzentrum mit deutschem Personal geleitet. Warum ist das im deutschen Interesse?

Klein: Das ist ein gutes Beispiel für den falschen Weg. Deutschland steht für vieles, wo wir im internationalen Vergleich gut sind. Aber beim Umgang mit Kindern und Jugendlichen haben wir doch selbst Nachholbedarf. Schauen Sie nur auf die ganzen Probleme im Schulbereich in Deutschland. Das ist kein Bereich, in dem wir Entwicklungsländern zeigen sollten, wo es langgeht. Im Sinne des „wechselseitigen Lernens“ wäre es hier vielleicht angebracht, wenn wir uns ein Beispiel an anderen Ländern nehmen würden.

Es gibt eine Statistik, wonach China 2022 das Land war, das die drittgrößte Summe von Entwicklungshilfeleistungen aus Deutschland bekommen hat. Ist es nicht absurd, dass wir eine so große Wirtschaftsmacht unterstützen?

Klein: Das entspricht aber nicht der Statistik für die Haushaltsmittel, von uns fließt fast gar kein Geld nach China. Aber es gibt eine Berechnung der öffentlichen Entwicklungsleistungen der OECD, in die zum Beispiel rund 250 Millionen Euro für China aus den Bundesländern einfließen. Das sind die Kosten der Studienplätze von chinesischen Studenten, die hierzulande an einer Universität sind. Solche Kosten gibt es auch für Studenten aus den USA, die zählt die OECD aber nicht, weil die USA anders als China nicht als Entwicklungsland gewertet werden. Weitere rund 250 Millionen Euro für China sind Kredite der deutschen Förderbank KfW, an denen sie aber sogar verdient.

„Es braucht mehr kulturelle Sensibilität“

Sie haben schon erwähnt, dass Entwicklungshilfe für internationale Stabilität sorgen soll. Wie gut klappt es denn, zum Beispiel Länder in Afrika mit Entwicklungshilfe dem Einfluss Chinas und Russlands zu entziehen?

Klein: Empirisch betrachtet funktioniert es im Moment nicht gut. Sich zurückzuziehen, wäre aber der falsche Schluss. Die mangelnde Wirkung hat nämlich zwei Gründe: Zum einen beteiligen wir uns in der Sahelzone am europäischem Engagement. Die Länder mit kolonialem Erbe haben aber kein gutes Verhältnis zu Frankreich und haben die Sorge, dass wenn Europa draufsteht, zu viel Frankreich drin ist. Deshalb müssen wir uns zwar europäisch abstimmen, aber emanzipiert von Frankreich dort aktiv werden. Und zum anderen spielt auch wieder eine Rolle, dass wir dort als Partner nicht ernst genommen werden, wenn wir mit „feministischer Entwicklungspolitik“ belehren wollen. Es braucht mehr kulturelle Sensibilität, die der aktuellen Bundesregierung leider fehlt.

Welche Projekte würden Sie dann beenden, wo würden Sie neue Schwerpunkte setzen, sollte die Union künftig wieder Regierungsverantwortung übernehmen?

Klein: Zentral ist, dass wir kreativer werden müssen im Anwerben privater Mittel, damit wir nicht alle Probleme mit Steuergeld lösen müssen. Außerdem heißt nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit für mich, dass die Projekte sich schnell selbst tragen können.