"Kulturell vermittelte toxische Männlichkeit": Jens Spahn sorgt für Entrüstung bei "Anne Will"-Gästen

Mit seinen Aussagen zu "kleinen Paschas" hatte Friedrich Merz Anfang des Jahres für Schlagzeilen gesorgt. Den Wahlsieg der CDU in Berlin nutzte nun Jens Spahn, um seinem Vorsitzenden den Rücken zu stärken. Dass er in dem Kontext auch den Iran ins Spiel brachte, sorgte bei Omid Nouripour (Grüne) für Empörung.

Jens Spahn (Bild) erklärte bei
Jens Spahn (Bild) erklärte bei

Als Friedrich Merz Anfang Januar, im Zusammenhang mit den Silvesterkrawallen in Berlin, von "kleinen Paschas" aus arabischen Familien sprach, sorgte der CDU-Chef für Empörung und kontroverse Diskussionen. Am Sonntag hat Jens Spahn die Äußerungen seines Parteivorsitzenden bei "Anne Will" verteidigt.

In der Hauptstadt fand die Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl statt, mit 28,2 Prozent aller Stimmen (vorläufiges Wahlergebnis) ging die CDU als Sieger hervor. Spahn leitete daraus einen Regierungsauftrag ab und nannte als Grund für das Ergebnis unter anderem die Krawalle der Silvesternacht, die eine große Rolle für die Berlinerinnen und Berliner gespielt hätten.

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"Auch wer um 6 Uhr aus dem Berghain kommt, will sicher nach Hause kommen", erklärte Spahn im ARD-Talk. Viele Menschen hätten erstmals ihr Kreuz bei der CDU gemacht. Was Umfragen belegen: Das Thema "Sicherheit und Ordnung" hat für viele Wählerinnen und Wähler die größte Rolle gespielt.

Den politischen "Stimmungswechsel" identifizierte Spahn konkret mit der Silvesternacht, in der auch Sicherheits- und Rettungskräfte attackiert worden waren. Das habe für viele offenkundig gemacht, wo Probleme in der Hauptstadt lägen. Über diese Probleme würde aber niemand reden, sagte Spahn offenbar in Bezug auf den regierenden rot-rot-grünen Senat. "Und die, die darüber reden, werden in der öffentlichen Meinung dann langgemacht."

 

Nouripour: "Das zu vermischen, ist echt wow"

Später in der Sendung, als die Migrationspolitik in der Diskussion in den Vordergrund rückte, wollte Gastgeberin Anne Will es genau wissen: "Ist 'kleine Paschas' eine Formulierung, die sie wählen würden?" Spahn entgegnete, es sei jedenfalls eine Formulierung, die er in Gesprächen mit Erzieherinnen oder Lehrern in den letzten Jahren häufig gehört habe. Konkreter beantwortete er die Frage der Moderatorin nicht, er erinnere sich nicht, ob er diese Worte schon mal selbst gewählt habe.

Gleichwohl stellte sich der frühere Bundesgesundheitsminister hinter Friedrich Merz: "Ich finde, in diesem Gesamtkontext, in diesem Gesamtzitat kann man das auch genau so sagen." Spahn weiter: "Es geht um eine in aller Regel kulturell vermittelte toxische Männlichkeit."

Es geht um eine in aller Regel kulturell vermittelte toxische Männlichkeit.Jens Spahn

Die Aussage provozierte Reaktionen beim Rest in der Runde. SPD-Chefin Saskia Esken reagierte mit einem entrüsteten "Oh, wow". Spahn empfahl Esken wiederum, doch mal in den Iran zu schauen. Dort gebe es Regionen, in denen der Mann als wertvoller gelte als die Frau. Gerade eine "Kämpferin für die Emanzipation", stichelte Spahn in Richtung Esken, wolle doch sicher über dieses Thema reden.

Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour (links) erklärte Jens Spahn, warum aus seiner Sicht nicht in Frage kommt, die Proteste im Iran in dieser Diskussion anzuführen. (Bild: ARD)
Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour (links) erklärte Jens Spahn, warum aus seiner Sicht nicht in Frage kommt, die Proteste im Iran in dieser Diskussion anzuführen. (Bild: ARD)

 

Bröcker fordert: Bodycams für die Polizei statt Kultur-Diskussion

Der Hinweis auf die feministischen Befreiungskämpfe im Iran wiederum verärgerte Omid Nouripour, der selbst in Teheran geboren ist. Die Situation im Iran, erklärte der Grünen-Vorsitzende, sei so, dass Frauen Sicherheitsleuten ihr Kopftuch ins Gesicht werfen würden und ihre Väter und Brüder sie unterstützten. "Das miteinander zu vermischen, ist echt wow. Da muss ich schlucken." Davon abgesehen dürfe man aber über alles reden, so Nouripour, auch über Kulturalisierung.

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Gegenwind für Merz' Pascha-Aussagen kam auch von Michael Bröcker, dem Chefredakteur von "The Pioneer". Für den Journalisten sei die Äußerung des CDU-Vorsitzenden unsäglich. Allerdings kam auch Bröcker zu dem Schluss, dass die Thematik Sicherheit und Ordnung entscheidend für das Berliner Wahlergebnis gewesen sei. Er plädierte dafür, die Berliner Ordnungshüter besser auszustatten - Bröcker brachte etwa Bodycams ins Spiel -, statt über kulturelle Unterschiede zu diskutieren.

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