Nekrobotik: Wissenschaftler entwickeln Roboter aus toter Spinne

In den USA ist Wissenschaftlern ein Durchbruch gelungen: Sie haben aus einer toten Spinne einen Roboter entwickelt. Mit ihrer Arbeit wollen sie ein neues Forschungsgebiet begründet haben, die "Nekrobotik".

Seit je her sind Tiere Vorbild für die Robotik, die deren evolutionär bedingte Morphologie und die Mechanik ihrer Bewegung studiert und die Erkenntnisse auf maschinelle Konstruktionen überträgt. Nun sind Wissenschaftler in den USA einen Schritt weiter gegangen, als "nur" die organische Natur mit anorganischen Materialien zu imitieren. Sie haben eine Konstruktion geschaffen, bei der ein toter Tierkörper eine Komponente in einem technischen System ist. Konkret haben sie aus einem Spinnenkadaver eine leistungsstarke mechanische Greifmaschine entwickelt.

Als "nekrobotischen Greifer" bezeichnen die Wissenschaftler der Privatuniversität Rice University in Houston, Texas das Ergebnis ihrer Studie, die sie auf der Webseite "Wiley Online Library" veröffentlicht haben. Bei der Konstruktion ist die Natur Vorbild und zugleich integrativer Bestandteil. Spinnen eigneten sich deshalb besonders gut für einen mechanischen Greifer, meinen die Forschenden, als sie über einen "einzigartigen Bewegungsmechanismus" verfügten. Anders als Säugetiere, die sich durch Anspannung und Entspannung entgegengesetzter Muskeln fortbewegen, tun Spinnen das mit Hilfe von Hydraulik.

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Der "nekrobotische Greifer": Eine tote Spinne, in deren Vorderleib Luft gepumpt und wieder abgepumpt wird. Dadurch dehnen sich die Beine des Tiers aus und ziehen sich wieder zusammen. (Bild: Rice University/Preston Innovation Laboratory)

Bewegen und greifen durch Hydraulik

Erzeugt wird die Bewegung der Spinnenbeine konkret durch das Hinein- und wieder Abpumpen von Blut aus dem bzw. in den Vorderleib des Tieres, an dem neben den acht Beinen auch seine Augen und Mundwerkzeuge angegliedert sind. Zieht sich der Vorderleib – der Fachbegriff lautet Prosoma – zusammen, fließt das Blut in die Beugemuskeln der Beine, die sich durch den so entstehenden hydraulischen Druck wiederum strecken. Dehnt sich der Vorderleib aus, fließt das Blut aus dem Beugemuskel wieder ab, die Beine ziehen sich zusammen.

Diesen Mechanismus haben sich die Wissenschaftler um den Ingenieur Daniel J. Preston zu Nutze gemacht. Ihr "nekrobotischer Greifer" war eine tote Wolfsspinne, in deren Vorderleib sie eine Nadel einführten. Über diese mit einem Kleber versiegelte Nadel pumpten sie dann Luft in das Tier. Dadurch dehnten sich seine Beine aus. Entfernten sie die Luft wieder, zogen sich die Beine ein. Dadurch konnten sie wiederum, wie die Beine einer lebenden Spinne, einen Gegenstand greifen.

Leistungsstarke Roboterspinne

Ähnlich einer lebenden Spinne gelingt das dem "nekrobotischen Greifer" besonders effizient. Nach Angaben der Forschenden könne die Konstruktion Gegenstände greifen, die sowohl "empfindlich" wie auch "unregelmäßig" geformt und von "einer größeren Masse" seien. Was Letzteres angeht, nennen sie eine konkrete Zahl. Die Spinne konnte demnach das 130-fache ihres eigenen Gewichts heben. Ein weiterer Pluspunkt des Mechanismus': Er kann die Leistung lange aufrechterhalten. Erst nach 1.000 Zyklen hätte die Kraft der Spinnenbeine begonnen nachzulassen, heißt es.

Mit ihrer Arbeit wollen Preston und Kollegen den "ersten Schritt" gemacht haben auf einem neuen Forschungsfeld, den sie als "Nekrobotik" bezeichnen. Daher auch der Name ihres Mechanismus'. Der Begriff ist ein Kofferwort aus den Wörtern "nekro" – das ist Griechisch und steht für "toter Körper" bzw. "Leiche" – und "Robotik". Die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass ihre Arbeit weitere Früchte tragen wird. In weiteren Studien könnte die "unabhängige Betätigung der einzelnen Spinnenbeine" erforscht werden. Aber auch das "biotische Material" anderer Lebewesen "mit ähnlichen hydraulischen Eigenschaften" könnte Gegenstand der "Nekrobotik" werden.

Im Video: Hast du Angst vor Spinnen? Dann ist dieses Video nichts für dich!