Rivian gilt als Tesla-Konkurrent – doch die CEOs Scaringe und Musk könnten unterschiedlicher nicht sein

Rivian-Gründer und Geschäftsführer RJ Scaringe läuft durch seine Fabrik, während Arbeiter im Elektrofahrzeugwerk in Normal, Illinois, Fahrgestelle bauen. - Copyright: Brian Cassella/Chicago Tribune/Tribune News Service via Getty Images
Rivian-Gründer und Geschäftsführer RJ Scaringe läuft durch seine Fabrik, während Arbeiter im Elektrofahrzeugwerk in Normal, Illinois, Fahrgestelle bauen. - Copyright: Brian Cassella/Chicago Tribune/Tribune News Service via Getty Images

Er gilt als der absolute Gegenpol zum schillernden US-amerikanischen Unternehmer Elon Musk und gerade deshalb ist RJ Scaringe so spannend: Der Gründer der Automarke Rivian sieht seine Firma als Vorreiter bei der Mission, Elektromobilität im Massenmarkt zu etablieren. Auch wenn Tesla mit seinem Börsenwert dem Rivalen noch überlegen ist. Die „Financial Times“ hat den Werdegang des 39-Jährigen aus Florida aufgeschrieben.

Robert Joseph Scaringe nennen die Rivian-Mitarbeiter und viele seiner Bekannten meistens nur "RJ". Scaringe ist 39 Jahre alt, groß und athletisch. In Aussehen und Auftreten ähnelt er Clark Kent, dem Superman aus den DC-Comics, bis hin zu seiner kastenförmigen Brille und den zurückgekämmten, tiefschwarzen Haaren. Gelegentlich wagt er sich einmal an eine Superman-Imitation und bei allem, was Scaringe seit der Gründung von Rivian im Jahr 2009 erreicht hat, verwundert das kaum. Der Mann aus Florida ist laut einem Bericht der „Financial Times“ (FT) einmal bei einer Mutprobe einen Marathon in Florida gelaufen, um die Frau zu beeindrucken, mit der er damals zusammen war. Er war um eine Nasenlänge schneller als sie, obwohl sie dafür trainiert hatte und er nicht.

An Dingen wie dem Weltraum und Twitter hat Scaringe kein Interesse

Abgesehen von diesem Wettbewerbsdrang könne man RJ Scaringe am ehesten als den Anti-Elon-Musk bezeichnen, schreibt die FT. Er sei ein Familienmensch, hat eine Frau und drei kleine Kinder. Er ist Veganer. Dank eines der erfolgreichsten Börsengänge der letzten Jahre liegt sein Nettovermögen heute bei etwa 530 Millionen Dollar (etwa 502 Millionen Euro), verglichen mit 265 Milliarden Dollar bei Musk. Sein Fokus liegt voll und ganz auf dem Bau von Fahrzeugen, mit denen Scaringe den Klimawandel bekämpfen will. Er interessiert sich weder für Raketen, noch für Twitter, weder als Nutzer noch als Eigentümer. Dort hat der Rivian-Gründer zwar mehr als 60.000 Follower, aber er twittert nur selten und folgt nur einer Handvoll Menschen – zwei davon sind Jeff Bezos und ein spanischer Küchenchef.

Seit er als 17-Jähriger an der Atlantikküste Floridas, südlich von Cape Canaveral, aufgewachsen ist, hat Scaringe nach eigenen Angaben nur den Wunsch, ein eigenes Autounternehmen zu leiten. Im Studium lernte er allerdings, dass die alteingesessenen Firmen gut darin waren, Autos zu produzieren, aber nicht so wagemutig und kreativ bei neuen Konzepten und Kursänderungen.

Scarings E-Autofirma hat nach eigenen Angaben etwa 9500 Mitarbeiter, von denen über 3300 im US-Hauptwerk im Bundesstaat Illinois beschäftigt sind. Das Hauptwerk steht in der Stadt Normal, im US-Bundesstaat Illinois, etwa 212 Kilometer südwestlich von Chicago. Die Produktionsstätte des Elektrofahrzeugtechnik-Unternehmens ist etwa 30,5 Hektar groß. Dort wird unter anderem das Modell R1T gefertigt, ein Pick-up-Truck, der unmittelbar von null auf weit über 96 Kilometer pro Stunde beschleunigen kann. Im Gegensatz zu Musk, der für Tesla zuerst einen Sportwagen entwickelte, setzte Scaringe direkt auf das beliebteste Automodell der Amis: zum Listenpreis von 63.990 Euro ist der offene Kleintransporter seit September 2021 erhältlich. Er wurde vom Magazin „Motortrend“ zum Truck des Jahres 2022 gekürt.

Rivian macht bislang zwar noch keinen nennenswerten Umsatz, hat jedoch durch diese Veröffentlichung des ersten Elektromodells im umkämpften Pick-up-Segment den Wettlauf mit Tesla für sich entschieden. Scaringe hat für Rivian Milliardenbeträge von einer Vielzahl von erstklassigen Investoren eingesammelt. In fünf Finanzierungsrunden zwischen Februar 2019 und Januar 2021 nahm der Geschäftsführer weitere ca. 10,4 Milliarden Dollar von einer Gruppe sogenannter Blue-Chip-Investoren, wie Fidelity, Ford, Amazon, ein.

Anleger rissen sich beim mit Spannung erwarteten Börsengang des US-Elektroautobauers um die Aktien des Tesla-Rivalen. Damals lag der Ausgabepreis bei 78 Dollar pro Aktie. Am 2. Mai dieses Jahres wurden die Aktien von Rivian allerdings mit 30,24 Dollar pro Aktie gehandelt, 70 Prozent unter dem Preis des Börsengangs. Dennoch: Mit einem Börsenwert von rund 93 Milliarden Dollar oder umgerechnet etwa 81 Milliarden Euro wird Rivian deutlich höher gehandelt als etwa die deutsche Branchengröße BMW, die es zuletzt auf gut 59 Milliarden Euro brachte. Sogar den größten US-Autobauer General Motors übertrifft Rivian um rund sechs Milliarden Dollar. Dabei steckt das US-Unternehmen noch tief in den roten Zahlen. Bei der letzten Finanzierungsrunde vor dem Börsengang im Januar war Rivian lediglich mit knapp 28 Milliarden Dollar bewertet worden.

Milliarden-Deal mit Volkswagen

Volkswagen hat im Juni 2024 mitgeteilt, dass es bis zu 5 Milliarden US-Dollar (entspricht rund 4,7 Milliarden Euro) im Rahmen eines geplanten Joint Ventures mit dem Elektrofahrzeughersteller Rivian investieren werde, wie „Reuters“ berichtet.

Der angekündigte Zusammenschluss verdeutlicht den Wert der Rivian-Assets im Bereich Software. Die Volkswagen-Tochter Cariad, die im Software-Bereich tätig ist, hat seit Jahren mit Verzögerungen und Verlusten zu kämpfen hat.

Dieser Artikel erschien am 10. Mai 2022 und wurde am 26. Juni 2024 aktualisiert.

Mit Material der DPA