Russland soll 30 Milliarden Euro für die Umweltstörung in der Ukraine zahlen

Russland soll 30 Milliarden Euro für die Umweltstörung in der Ukraine zahlen

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat bereits einen riesigen Umweltschaden hinterlassen. In den 24 Monaten des Krieges sind rund 175 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt worden, berichtete die "Initiative On Greenhouse Gas Accounting Of War" (IGGAW) am Rande der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz in Berlin.

Dies entspricht dem Jahresverbrauch von 90 Millionen Autos und könnte Russland knapp 30 Milliarden Euro an Reparationszahlungen für die von ihm verursachten Klimaschäden kosten, heißt es im Bericht der IGGAW. Dort wird die bisher umfangreichste Studie der durch Russlands Kreig verursachten Klimaschäden vorgestellt.

Durch den Krieg leiden nicht nur Menschen, sondern auch die Umwelt. Es werden Unmengen an Treibhausgasen freigesetzt. Dabei leiden die Menschen im globalen Süden am meisten an den Klimafolgen des Krieges, sagen die Autoren der Studie.

Woher kommt das freigesetzte Kohlendioxid?

Ein Drittel der Emissionen stammt aus militärischen Aktivitäten. An der Front werden Milliarden Liter an Treibstoff verbrannt. Dadurch wurden während des Krieges in der Ukraine bereits rund 35 Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt. Damit handelt es sich um die größte einzelne Emissionsquelle.

Ein weiteres Drittel stammt aus den riesigen Mengen an Stahl und Beton, die für den Wiederaufbau benötigt werden.

Diese Schäden hat der russische Angriff auf ein Wohngebäude in Dnipro, Ukraine am 19. April 2024 hinterlassen.
Diese Schäden hat der russische Angriff auf ein Wohngebäude in Dnipro, Ukraine am 19. April 2024 hinterlassen. - Regionale Militärverwaltung Dnipropetrowsk/AP

Ein Drittel der Emissionen stammt aus einer Vielzahl von Quellen. Die vom Krieg verursachten Brände haben seit der Invasion auf beiden Seiten der Front erheblich an Umfang und Intensität zugenommen. Laut Satellitenbilder wurden bereits etwa 27.000 Brände vom Krieg verursacht. Insgesmat gibt es Brandschäden auf fast einer Million Hektar Land.

Verkehrsflugzeuge wurden aufgrund von Beschränkungen und Sicherheitsbedenken umgeleitet. Derzeit können über 18 Millionen Quadratkilometer Luftraum über Russland und der Ukraine nur sehr begrenzt für die Luftfahrt verwendet werden. Durch Umleitungen zwischen Europa und Asien wurde zusätzlich Treibstoff verbraucht, was zu Nettoemissionen von rund 24 Millionen Tonnen führte.

Angriffe auf die Energieinfrastruktur sind eine weitere Ursache. In den ersten Wochen des Krieges führte Russland umfangreiche Angriffe auf ukrainische Lagerstätten für fossile Brennstoffe durch.

Nach einem russischen Angriff standen ukrainische Arbeiter am 2. Mai 2024 in den Trümmern eines beschädigten Wärmekraftwerks.
Nach einem russischen Angriff standen ukrainische Arbeiter am 2. Mai 2024 in den Trümmern eines beschädigten Wärmekraftwerks. - AP Photo/Francisco Seco

Verglichen mit der Zerstörung der Nord-Stream-Pipeline sind diese Schäden jedoch relativ gering. In der Folge strömte Gas tagelang ins Wasser und gelang danach in die Atmosphäre. Dabei wurde das starke Treibhausgas Methan freigesetzt. Seine Klimawirkung war insgesamt ungefähr so groß wie bei bis zu 14 Millionen Tonnen Kohlendioxid.

Eine der ungewöhnlichsten Emissionsquellen ist Schwefelhexafluorid, kurz SF6. Dieses Treibhausgas, das rund 24.000 Mal stärker ist als Kohlendioxid, wird zur Isolierung von elektrischen Schaltanlagen verwendet. In Folge der russischen Luftangriffe ist besonders viel SF6 feigesetzt worden: rund 40 Tonnen, deren Klimawirkung etwa genauso groß ist wie bei einer Million Tonnen CO2.

In geringerem Maße hat auch die Bewegung von fast sieben Millionen ukrainischen Flüchtlingen und denjenigen Russen, die nicht in den Kreig ziehen wollen, zur Klimaerwärmung beigetragen.

Ein Zug mit Flüchtlingen aus der Ukraine überquert am 7. März 2022 in Medyka die polnische Grenze.
Ein Zug mit Flüchtlingen aus der Ukraine überquert am 7. März 2022 in Medyka die polnische Grenze. - AP/Visar Kryeziu

"Die durch diesen Krieg verursachten Kohlenstoffemissionen nehmen weiter zu", sagt der Hauptautor des IGGAW-Berichtes, Lennard de Klerk.

Diese Bewertung der durch den Krieg in der Ukraine verursachten Klimaschäden ist bereits die vierte seit Beginn des Krieges, und jede dieser Bewertungen hat unser Verständnis der sich entwickelnden Emissionsquellen verbessert.

So erreichten im Jahr 2023 die gesamten weltweiten Militärausgaben 2,4 Billionen US-Dollar (rund 2,2 Billionen Euro). Im Vergleich zum Vorjahr 2022 stiegen sie um 6,8 Prozent. Das ist der stärkste Anstieg gegenüber dem Vorjahr seit 2009, wobei Faktoren wie die Produktion militärischer Ausrüstung und die Lieferung schwerer Waffen über lange Strecken allesamt zu den Emissionen beitragen.

Während der Wiederaufbau am Anfang des Krieges den größten Anteil der Emissionen ausmachte, ist der Anteil der Kriegsführung jetzt etwa gleich groß wie der des Wiederaufbaus, erklärt de Klerk.

Wie hoch sind die Klimakosten des Krieges?

Mithilfe neuester Methoden haben die Forscher ausgerechnet, wie hoch die Kosten des freigesetzten Kohlendioxids pro Tonne sind. Eine neue, von Experten begutachtete Studie, die in der Zeitschrift "Nature" veröffentlicht wurde, hat den Preis einer Tonne emittierten CO2 im Vergleich zur letzten Berechnung deutlich erhöht.

Die IGGAW schätzt nun, dass Russland 32 Milliarden Dollar (rund 29,5 Milliarden Euro) als Reparationen für die Klimaschäden bezahlen müsste, die es in den ersten 24 Monaten des Krieges verursacht hat.

Die ukrainische Regierung begrüßte den Bericht und erklärte, er werde zur Entschädigungsklage gegen Russland beitragen.

Dies wird ein wesentlicher Baustein in der Reparationsforderung sein, die wir gegenüber Russland stellen.

"Die heute veröffentlichte Analyse ist die aktuellste und umfassendste Momentaufnahme der Klimafolgen der russischen Invasion und trägt dazu bei, den Nebel des Krieges zu lichten, der auch hinsichtlich der Umweltkosten des Konflikts besteht", so Ruslan Strilets, ukrainischer Minister für Umweltschutz und natürliche Ressourcen. "Dies wird ein wesentlicher Baustein in der Reparationsforderung sein, die wir gegenüber Russland stellen."

 Ruslan Strilets, Minister für Umweltschutz und natürliche Ressourcen der Ukraine
Ruslan Strilets, Minister für Umweltschutz und natürliche Ressourcen der Ukraine - AP/Thomas Hartwell

Im Jahr 2022 forderte die UN-Generalversammlung Russland in einer Resolution auf, die Ukraine für den Krieg zu entschädigen, und der Europarat richtete ein Schadensregister ein. Der Bericht über die Klimaemissionen soll Teil dieses Registers werden.

"Russland schadet nicht nur der Ukraine, sondern auch unserem Klima", sagt de Klerk und fügt hinzu, dass die Unmengen an Kohlendioxid, die bereits im Krieg freigesetzt wurden, einen weltweiten Schaden eingerichtet haben. "Die Russische Föderation sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden", sagt er. Nicht nur der Ukraine soll Russland dafür Reparationen zahlen, sondern auch den Ländern des globalen Südens, die am meisten unter dem Klimawandel leiden.

Die Forscher entwickeln ihre Methodik von Grund auf neu

Daten über Kohlenstoffemissionen, die aus bewaffneten Konflikten resultieren, sind oft nur spärlich vorhanden. Geheimhaltung in Kriegszeiten, physische Gefahren und die Vertreibung von Experten erschweren die wissenschaftliche Arbeit in diesem Bereich erheblich. Die IGGAW, eine von westlichen Regierungen und Stiftungen finanzierte Initiative von Experten, versucht, diese Hürden zu überwinden.

Darüber hinaus muss eine neue Methodik entwickelt werden, um diese Zahlen aus den Daten ermitteln zu können. "Man muss sie von Grund auf neu entwickeln", sagt de Klerk. "Das braucht Zeit, und man könnte einige Emissionsquellen übersehen. Deshalb optimieren wir die Methodik mit jeder Iteration."

Das zweite Hindernis, fügt de Klerk hinzu, ist die Verfügbarkeit von Daten. Die Schätzung der IGGAW zu den Emissionen aus dem russischen Krieg in der Ukraine stützt sich unter anderem auf Satellitenbilder, Regierungsinformationen, wissenschaftliche Studien, Berichte, Informationen aus offenen Quellen und Interviews mit Experten.