Von Russland abgeschnitten: Wie geht es den Menschen in der Exklave Kaliningrad?
Kaliningrad gilt unter anderem als "ein Stück Russland in Europa" oder als "russische Insel in der EU" und war mit seinen Ostseestränden mitunter ein beliebtes Urlaubsziel. Die Covid-Pandemie legte den Tourismus in der Region lahm doch vor allem seit Russland in der Ukraine einen Angriffskrieg führt, hat sich das Leben in der Exklave zwischen Litauen und Polen grundlegend verändert.
Die Entscheidung des Nachbarlands Litauen, EU-Sanktionen umzusetzen und den Import und Export über litauisches Territorium in die Region einzuschränken, hat die Unsicherheit der Menschen in Kaliningrad weiter verstärkt.
In sozialen Netzwerken wurden Videos geteilt von Menschen, die unter anderem in Einrichtungsläden hektisch ihre Einkaufswägen füllen.
Kaliningrad ist Heimat der russischen Ostseeflotte und Stationierungsort für nuklearfähige Iskander-Raketen. Es liegt an der Ostseeküste zwischen Litauen und Polen, beides NATO-Mitglieder, und hat keine Landgrenze zu Russland.
Die Putin-skeptischste Region Russlands
Die Bevölkerung in Kaliningrad sei besonders "Putin-kritisch", und sollen nicht an einer Ausreise gehindert werden, meint der EU-Abgeordnete und ehemalige Verteidigungs- sowie Außenminister von Polen, Radek Sikorski. "Die baltischen Russen sind eine Hoffnung für die Zukunft ihres Landes."
In einer Reportage, die der Sender Arte vor Kurzem sendete, fand der Journalist dagegen hauptsächlich Unterstützerinnen und der Unterstützer der Politik Wladimir Putins und seines Angriffskriegs auf die Ukraine.
Die Maßnahme werde bis zu 50 Prozent der Importe und Exporte betreffen, wie der Gouverneur von der Oblast Kaliningrad, Anton Alichanow, mitteilte. Auf der EU-Sanktionsliste geht es unter anderem um Kohle, Metalle, Baumaterialien und Hochtechnologieprodukte.
"Wir halten dies für eine äußerst schwerwiegende Verletzung des Rechts auf freien Transit in das und aus dem Kaliningrader Gebiet", sagte er in einem in sozialen Medien veröffentlichten Video. Die Behörden setzten alles daran, die Maßnahme aufheben zu lassen.
Spannung zwischen Litauen und Russland haben sich zuletzt auch verstärkt, als am 9. Juni ein Abgeordneter der Partei "Einiges Russland" einen Gesetzentwurf in die Duma eingebracht, mit der Litauen die Unabhängigkeit aberkannt werden sollte.
Russland sieht sich zu "angemessener Selbstverteidigung" gezwungen
Grund zur Panik - und Panikkäufen - gebe es aber nicht, so Alichanow. Zwei Fähren zwischen Kaliningrad und Sankt Petersburg sicherten die Versorgung der Exklave über die Seeroute, bis Ende des Jahres sollten sieben weitere Schiffe zum Einsatz kommen.
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Die "beginnende Blockade" verärgerte auch Politiker in Moskau: Der Vizechef des russischen Föderationsrats, Konstantin Kossatschow sagte, der Verbot des Bahntransits verstoße gegen internationales Recht. Er äußerte die Befürchtung, dass auch der Seezugang nach Kaliningrad gesperrt werden könnte, was gegen den Partnerschaftsvertrag zwischen EU und Russland verstoße.
Andrey Klimov Präsident der Kommission des Föderationsrates für den Schutz der staatlichen Souveränität der Russischen Föderation, nannte die Regulierung des Bahntransits bei Telegram "unverschämt". Die EU habe nun die Pflicht, die Maßnahme zu korrigieren. Ansonsten sei man gezwungen, das "von Litauen geschaffene Problem des Kaliningrader Transits mit jedem von uns gewählten Mittel zu lösen".
Russland werte die Transitsperren als "direkte Aggression" gegen Russland, "die uns buchstäblich dazu zwingt, dringend zu einer angemessenen Selbstverteidigung zu greifen".
Andrey Klishas, ebenfalls Mitglied des Föderationsrates für Krasnoyarsk pflichtete Klimov bei: "Der Versuch einer De-facto-Blockade des Kaliningrader Gebiets durch Litauen stellt eine Verletzung der russischen Souveränität über das Gebiet dar und könnte Anlass für sehr strenge und rechtliche gerechtfertigte Maßnahmen seitens Russlands sein."
EU verteidigt Vorgehen Litauens
Litauen habe nicht einseitig gehandelt und nur die EU-Sanktionen umgesetzt, als es beschloss, den Transit bestimmter Waren in die russische Enklave Kaliningrad zu verbieten, sagte der Chefdiplomat der EU, Josep Borrell.
"Gemäß den EU-Sanktionen gibt es Import- und Exportbeschränkungen, die für bestimmte Waren gelten", sagte Borrell am Montag nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg.
"Der Vorwurf gegen Litauen, dass es litauische Sanktionen anwenden würde, ist falsch, das ist reine Propaganda", fuhr er fort.
"Litauen tut nichts anderes, als die Leitlinien der Europäischen Kommission umzusetzen [...] wenn sie für bestimmte Waren durch das Gebiet der EU geführt werden, dann ist das verboten".
Borrell sagte, dass die EU ihre Leitlinien dennoch "erneut überprüfen" werde, um sicherzustellen, dass sie mit jeder Art von Maßnahme "vollständig übereinstimmen".