Sensations-Comeback? "Weiß nicht, wie ernst sie das meint"
Bei Olympia 2022 in Peking holte sie Gold und Silber, im Jahr darauf folgte der erste Weltcup-Sieg und WM-Silber in der Staffel: Katharina Hennig hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Vorzeige-Athletin im deutschen Wintersport aufgeschwungen.
Zusammen mit Victoria Carl hat die 27 Jahre alte Sächsin eine neue Erfolgswelle im Skilanglauf losgetreten. Aktuell ist Hennig - in diesem Winter von gesundheitlichen Problemen zurückgeworfen - Elfte in der Gesamtwertung.
Im SPORT1-Interview spricht Hennig - heute um 18.30 Uhr auch zu Gast bei „SKI & BERGE - Das DSV Magazin“ im TV auf SPORT1 - über ihre Saison, die mögliche Rückkehr eines Superstars - und den Umgang von Biathletin Vanessa Voigt mit Social-Media-Anfeindungen.
SPORT1: Frau Hennig, wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Saison?
Katharina Hennig: Gerade zu Beginn war es durchwachsen. Es ging bei den Ergebnissen gespalten los. Im Klassischen waren es sehr gute Resultate, im Freistil war Luft nach oben. Und dann hat mich Corona Mitte Dezember erwischt. Das war sehr ärgerlich. Zusammen mit Laura Gimmler, Albert Kuchler und Florian Notz musste ich den Weltcup in Gällivare (SWE) absagen und pausieren. Wir sind da auf Nummer sicher gegangen, man weiß ja nicht, was das für Folgen nach sich zieht. Zur Tour konnte ich wieder einsteigen, habe aber gemerkt, dass das noch Zeit braucht, sich wieder in Wettkämpfe reinzulaufen. Ab Mitte der Tour ging es dann bergauf. Als ich in Val di Fiemme den ersten Podestplatz in dieser Saison erlaufen habe, hat es mich sehr gefreut – gefolgt vom Heim-Weltcup in Oberhof, wo ich den zweiten Platz im klassischen Massenstart geschafft habe. Das war das Highlight in diesem Jahr. Seit der Tour läuft es wieder gut, der Körper stimmt und ich freue mich auf die restlichen Rennen.
SPORT1: Corona war also eine starke Beeinträchtigung für Sie?
Hennig: Definitiv, es war einfach ungünstig. Vergangenes Jahr habe ich Corona noch im Oktober bekommen. Jetzt habe ich beides erfahren – vor dem Winter und mitten im Winter. Da ist Letzteres viel schlechter. Das wirft dich komplett aus der Bahn, wenn du gerade in Schwung gekommen bist. Es dauert einfach eine Weile, bis du wieder auf dem Niveau bist, das man sich wünscht.
„Weltcup in Amerika war der Wahnsinn“
SPORT1: Sie haben die Rennen in Nordamerika absolviert – war es die Reisestrapazen wert?
Hennig: Definitiv. Ich bin froh, dass ich drüben gewesen bin. Es war leider nur ein langes klassischen Rennen dabei, da lief es auch wegen Materialproblemen nicht ganz so gut. Aber auch das gehört dazu. Es muss halt einfach alles passen. Auch wenn es nicht wie gewünscht gelaufen ist, war es eine super Erfahrung – speziell in Canmore. Es war ein Highlight, die Landschaft abseits der Wettkämpfe zu genießen. In Minneapolis war dann beim Heim-Weltcup von Jessie Diggins die Hölle los. Das war der Wahnsinn, die Zuschauer waren wie die Groupies und haben sehr fair angefeuert.
SPORT1: Was ist in der restlichen Saison noch drin? Podestplatz oder sogar ein Sieg?
Hennig: Wir haben in Lahti, Oslo und Falun noch klassische Rennen, auf die ich mich freue. Wie wir in Canmore gesehen haben, muss alles passen. Nicht nur der Körper, sondern auch das Material. Ich werde alles geben und hoffe, dass an einem der drei Tage alles zusammenpasst.
SPORT1: Wie kommen die besten Langläuferinnen der Welt untereinander klar? Ist es eine große Familie?
Hennig: Es ist eine große Langlauf-Familie, die von Ort zu Ort fährt. Mit den deutschsprachigen Athleten habe ich mehr Kontakt als mit den anderen. Wir unterhalten uns auch mal beim gemeinsamen Training auf den Wettkampfstrecken. Das schweißt uns alle zusammen und nach dem letzten Saisonrennen gibt es eine große Abschiedsparty, bei der die Spannung abfällt. Aber im Sommer geht man getrennte Wege, trainiert und im Winter sieht man sich dann wieder. Und so wiederholt sich das immer wieder.
SPORT1: Zuletzt wurde über ein Comeback von Therese Johaug spekuliert. Würden Sie das begrüßen?
Hennig: Schwierige Frage. Das ist letztlich ihre Entscheidung. Sie ist eine Weile raus gewesen und ich weiß nicht, wie ernst sie das meint. Fakt ist: Leistung fällt nicht vom Himmel. Auch sie muss viel tun, um an alte Leistungen anknüpfen zu können. Aber die WM 2025 im eigenen Land bietet sich an.
SPORT1: Kann sie wieder das Niveau von früher erreichen?
Hennig: Ich kann es mir schwer vorstellen, aber wer weiß. Langlauf ist sehr trainingsintensiv, und wenn man einmal raus ist, muss man wahnsinnig viel tun, um an dieses Niveau anknüpfen zu können. Sie war die Dominatorin schlechthin, aber auf abwechslungsreichen Strecken war sie schlagbar. Es wäre eine riesige Herausforderung für sie und ich lass mich gern überraschen, ob sie es macht oder nicht.
Hennig sieht Friedrich Moch als „riesen Talent“
SPORT1: Kurzer Blick zu den Männern: Friedrich Moch liegt im Weltcup auf Platz fünf. Was ist ihm noch zuzutrauen?
Hennig: Friedrich ist ein riesiges Talent. Ich kenne ihn vom Training und ich weiß, wie diszipliniert er ist. Er hat noch einiges in petto und wir können uns die kommenden Jahre auf ihn freuen. Er ist ein konstanter Läufer, die Leistungen im klassischen Stil und im Freistil haben sich diese Saison angeglichen. Das bringt ihn so weit nach vorn.
SPORT1: Können Sie von ihm lernen und sich etwas abschauen?
Hennig: Gerade in der Freistil-Technik bewundere ich ihn sehr. Es ist sein Steckenpferd und die Art und Weise, wie er läuft, ist katzengleich. Es sieht sehr leichtfüßig aus und man kann sich davon etwas abschauen.
„Können uns nicht mit dem Biathlon vergleichen“
SPORT1: Zuletzt fand die Biathlon-WM statt. Bekanntlich ist diese medial viel präsenter als der Langlauf. Blicken Sie darauf mit einem gewissen Neid oder sind Sie froh, dass der Hype im Langlauf nicht so groß ist?
Hennig: Seit ich Langlauf betreibe, ist Biathlon viel populärer. Wir versuchen natürlich auch, Aufmerksamkeit dazu zu gewinnen. Wir hätten gern mehr Übertragungen, aber das ist ein zäher Weg. Wir arbeiten daran, dass die Aufmerksamkeit steigt. Aber mit Biathlon sollten und können wir uns nicht vergleichen - das sind zwei verschiedene Welten.
SPORT1: Geht steigende Popularität nur über Erfolg oder würden andere Wettbewerbe auch helfen – zum Beispiel kürzere Distanzen?
Hennig: Bei der Wettkampfgestaltung ist Luft nach oben, Massenstarts sind populärer als Einzelrennen. Definitiv sollten mehr Teamwettkämpfe kommen. Aber das läuft über die FIS. Wir als Athletensprecher haben da auch Mitspracherecht und werden nach unserer Meinung gefragt. Seit zwei Jahren haben wird die Mixed-Wettkämpfe, aber davon könnte es noch mehr geben.
SPORT1: Die Biathletin Vanessa Voigt hat bei der WM viel Kritik und Anfeindung über Social-Media-Kanäle erfahren und eine Diskussion über den richtigen Umgang mit dem Problem ausgelöst. Haben Sie ähnliche Erfahrung gemacht und wie gehen Sie damit um?
Hennig: Beim Langlauf geht es uns da - aufgrund der geringeren Aufmerksamkeit im Vergleich zum Biathlon - ganz gut. Leider gibt es Leute, die meinen, sie müssten sich da äußern. Ich finde, das muss nicht sein. Das, was die Biathleten leisten, kann man von außen nicht einschätzen. Es ist schwer, als Sportler derartige Vorfälle beiseitezuschieben. Wir sind Personen des öffentlichen Lebens und vermarkten uns auch über Social-Media-Kanäle, da muss man für sich einen guten Weg finden, damit umzugehen.
SPORT1: Also ist Ihr Handy noch an?
Hennig: Ja. Unser Publikum beim Langlauf ist aber auch ein anderes als im Biathlon. Es ist alles ein kleinerer Rahmen.