Sicher mit dem Pedelec durch die Stadt
Berlin (dpa/tmn) - Speziell im Sommer wird es auf den Radwegen im Stadtverkehr oft eng: Schutzblech an Schutzblech reihen sich Radfahrende aneinander - immer mehr auch mit Pedelec. Wer zum ersten Mal auf einem Elektrofahrrad sitzt, sollte sich gut vorbereiten.
Ā«Radwege hierzulande sind meist viel zu schmal, rumpelig, chaotisch geführt - oder fehlen manchmal ganz.Ā» Das Urteil von Stephanie Krone vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) über die Fahrradfreundlichkeit der deutschen StƤdte fƤllt eindeutig aus. Das heiĆt auch: Erschwerte Bedingungen für Radfahrer. Wer dann noch recht neu mit dem umgangssprachlich E-Bike genannten Pedelec unterwegs ist, muss sich auch noch an das andere Fahrverhalten gewƶhnen.
Vor der ersten Fahrt erstmal auf Probe aufsitzen
Vor der ersten Fahrt rät Krone deshalb zu einer Probetour in sicherer Umgebung. Denn selbst, wenn viele Modelle sich optisch nicht mehr allzu sehr von einem herkömmlichen Rad unterscheiden, reagieren Elektroräder anders als gewohnt. Eine Eigenart zeigt sich schon im Antritt. Ein Pedelec schiebe sich durch die Motorunterstützung fast von selbst vorwärts, so Krone. «Wenn man damit nicht rechnet und zu stark tritt, kann man schlimmstenfalls einen Satz nach vorn machen.»
Zum Eingewöhnen empfiehlt sie die niedrigste Unterstützungsleistung, um sich an den Schub des Motors besonders beim Anfahren zu gewöhnen. Beim Fahrtraining sollten Anfänger zusätzlich ein paar Schlangenlinien fahren, um das Kurvenfahren zu üben. Erst wenn sich der Radfahrer sicherer fühlt, sollte er sich an die 25 km/h herantasten, bis zu denen das Pedelec beim Treten maximal hilft.
Achtung Bremse! Ćben ist wichtig
AuĆerdem rƤt sie, das Bremsen zu üben. Denn wer so flott unterwegs ist, müsse vor allem im Stadtverkehr jederzeit abbremsen kƶnnen. Entsprechend krƤftig fallen die Bremsen bei Pedelecs aus. Ein nicht zu unterschƤtzendes Risiko, da sich laut Deutschem Verkehrssicherheitsrat (DVR) durch das hƶhere Gesamtgewicht und den schnellen Antrieb der Bremsweg verlƤngert. Entsprechend oft sind Pedelecfahrer regelmƤĆig im StraĆenverkehr in UnfƤlle verwickelt.
Laut Statistischem Bundesamt verunglückten 2021 372 Radfahrer tödlich, darunter 131 mit dem Pedelec. Während die Zahl der tödlich verunglückten Radfahrer im Vergleich zum Vorjahr sank, stieg sie hingegen bei den Pedelecfahrern. Hauptsächlich handelte es sich laut DVR um Senioren und Seniorinnen, die innerorts einen Unfall bauten.
Für unsichere Fahrer gibt es Dreiräder
Gerade für unsichere Fahrer, die mit der Eigenart eines Pedelec überfordert sind, hat Stephanie Krone daher einen Rat. Ā«Ćltere und bewegungseingeschrƤnkte Menschen sollten zusƤtzlich prüfen, ob sie einen Schulterblick noch hinbekommen, ohne ins Schlingern zu geratenĀ». Ein Rückspiegel oder auch ein Dreirad kƶnnten für sie ansonsten die Lƶsung sein.
AuĆerdem sollten Helm oder Fahrrad-Airbag nicht fehlen, rƤt die Deutsche Gesellschaft für OrthopƤdie und Unfallchirurgie. Und ein regelmƤĆiger Gesundheitscheck auch angesichts einer Medikamenteneinnahme bringt Gewissheit über die Verkehrstauglichkeit.
Genauso ist das Gewicht des Rades entscheidend. Ist es zu schwer, leidet womöglich der Fahrspaà darunter - oder im schlimmsten Fall verlieren Fahrer die Kontrolle. Krone empfiehlt daher beim Kauf einen kurzen Tragetest: Ist das Rad leicht genug, um es ein paar Stufen hochzutragen?
Langsam an die Elektronik herantasten
Womƶglich lieĆen sich mit etwas mehr Vorbereitung viele Pedelec-UnfƤlle verhindern. Denn laut Jonas Hurlin vom DVR sind diese oft selbst verschuldet, ohne dass ein anderer Verkehrsteilnehmer beteiligt war. Für ihn ein Zeichen, dass Ā«das Gefühl für Geschwindigkeit, Bremsverhalten und Kurvenverhalten erst erlernt werden mussĀ».
Ein weiterer Blick in die Statistik des Statistischen Bundesamts zeigt auĆerdem: Am hƤufigsten verunglückten Radfahrer in den Sommermonaten zwischen Mai und September und dazu meist unter der Woche - also etwa auf dem Weg zur Arbeit.
Ebenso verdeutlichen die Zahlen: Immer mehr UnfƤlle geschehen aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeiten. Sind also StƤdte überhaupt für Pedelecs geeignet? Für den DVR-Sprecher sind ElektrorƤder grundsƤtzlich stadttauglich - wenngleich etwas mehr Ćbung nƶtig ist, um sie richtig zu beherrschen.
Umso mehr mahnt Hurlin auf den Radwegen zu mehr Rücksicht, aber das gilt seiner Meinung nach genauso für sportliche Radfahrer ohne Motorunterstützung. Um ZusammenstƶĆe zu vermeiden, sollten andere Verkehrsteilnehmer, die sich Radweg oder Fahrbahn mit einem Elektrorad teilen, mit einer hohen Geschwindigkeit und raschen Beschleunigung des Fahrers rechnen.
Vorsicht beim Ćberholen
Angesichts der engen Radwege sollten sich Radfahrer auĆerdem gut überlegen, wie und ob sie andere Verkehrsteilnehmer überholen mƶchten, ohne sich und andere zu gefƤhrden. Denn um sicher aneinander vorbeifahren zu kƶnnen, sind laut Siegfried Brockmann mindestens zwei Meter notwendig. Eine Breite, die nicht immer gegeben ist.
Ā«Pedelecs und LastenrƤder zeigen die Probleme nur noch mehr, weil die Radwege dadurch noch enger werdenĀ», so der Leiter der Unfallforschung der Versicherer. Für Brockmann gelten für Pedelecfahrer daher die üblichen Benimmregeln wie für andere sportliche Radler: Angepasst fahren. AuĆerdem ist das Fahren in die falsche Fahrtrichtung oder auf dem Gehweg tabu.
Ā«Man sollte immer vorhersagbar fahren, also die Ćnderung der Fahrtrichtung per Handzeichen ankündigen und keine plƶtzlichen Schlenker fahren oder unvermittelt stehen bleibenĀ», sagt Krone.
So kauft man nicht die Katze im Sack
Bei Kosten von schnell mehreren Tausend Euro kann es reizvoll sein, ein gebrauchtes Modell zu wƤhlen. Gerade AnfƤnger sollten dabei aber vorsichtig sein, sagt Krone. Wenn man sich mit Fahrradtechnik nicht auskenne und den Zustand des Rades nicht sicher beurteilen kƶnne, sollte man ein FachgeschƤft aufsuchen und sich dort beraten lassen.
So verhindern Radfahrer, die Katze im Sack zu kaufen. Denn KƤufer kƶnnen laut der ADFC-Sprecherin nicht nachvollziehen, in welchem Zustand die Elektronik ist und sollten den Akku als teuerstes VerschleiĆteil Fachleuten zum Prüfen geben.