Ein giftiger Mercedes-Cocktail

Nach dem Start zum Großen Preis von Katar war Mercedes-Teamchef Toto Wolff Gesprächsthema Nummer eins in den sozialen Medien – und das, obwohl er aufgrund einer Knie-OP immer noch das Krankenlager zu Hause in Monaco hüten muss. Formel 1: Die Teamwertung

Ein User vermutete dabei, der Wiener werde am Montag ein Möbelhaus aufsuchen müssen, weil er seine Einrichtung kurz und klein geschlagen habe. Oder wie Ex-GP-Pilot Alex Wurz es beim ORF beschrieb: „Ich hoffe, dass die Objekte rund um Toto Wolff weit wegstehen, sonst muss er nochmal sein Knie operieren, wenn er jetzt draufhaut vor lauter Ärger.“ Formel 1: Alle News

Klar ist: Jeder, der Wolffs Wutausbrüche in der Mercedes-Garage kennt, muss in der ersten Kurve tatsächlich an den Österreicher gedacht haben. Denn da wurden Erinnerungen an Barcelona 2016 wach. Damals waren es Nico Rosberg und Lewis Hamilton, die sich in Führung liegend gegenseitig von der Bahn kegelten. Diesmal standen Hamilton und George Russell im Kies, nachdem beide im Kampf um Rang zwei aneinandergeraten waren. Für Hamilton war das Rennen damit zu Ende. Russell konnte weiterfahren und wurde am Ende immerhin noch Vierter.

Es war ein Crash mit Ansage: Schon beim letzten Grand Prix in Japan begaben sich die beiden Mercedes-Stars mehrfach in den Infight. Der Kampf der Generationen wird bei den Silberpfeilen am Limit geführt. Hier Altmeister Hamilton, der sich im Team behaupten will. Da der junge Angreifer Russell, der seinen britischen Landsmann schlagen muss, will er es in der Formel 1 zu etwas bringen. Ein fast so giftiger Cocktail wie 2016 mit den Erzrivalen Rosberg und Hamilton in den Silberpfeilen. Formel 1: Die Fahrerwertung

Mit einem Unterschied: Bislang eskalierte keiner der beiden Piloten verbal. 2016 drohte Hamilton nach Barcelona intern damit, das Team zu verlassen. Am Sonntag in Katar gab er ungewöhnlich deutlich klein bei. „Es tut mir leid fürs Team“, sagte er geknickt. „Ich nehme da als Teamplayer gern die Verantwortung auf mich. Ich glaube, George hatte keinen Platz, woanders hinzufahren.“

Später veröffentlichte Mercedes in den sozialen Medien noch ein Video, in dem sich Hamilton bei Russell vor laufender Kamera entschuldigt, ihn sogar umarmt. Formel 1: Der Rennkalender

Versöhnliche Töne vom siebenmaligen Weltmeister. Nico Rosberg, heute TV-Experte bei Sky, überraschte das nicht. „Da gibt es nicht so viel zu diskutieren, denn das Manöver war relativ einseitig. Lewis hat es minimal übertrieben, ein kleiner Fehler mit großen Konsequenzen.“

So klar jedenfalls war die Sache während des Duells der beiden Silberfeinde in der Hochzeit der Mercedes-Dominanz 2014 bis 2016 nie. „Dass sich Lewis entschuldigt, passiert nicht oft“, räumte Rosberg ein. „Aber es ist auch selten so eindeutig.“

Soll heißen: Mit dem Sorry des Rekordchampions ist es längst nicht getan. Denn hinter den Kulissen rumort es bei Mercedes. „Auch George hat seine Gelassenheit verloren“, analysiert Sky-Experte Ralf Schumacher.

„Vielleicht muss Toto mal ein Wörtchen mit beiden reden“, empfahl Kollege Rosberg und plauderte aus dem Nähkästchen: „Da fehlt jetzt leider der Niki. Der war der erste Mediator. Wo immer Niki war auf der Welt, da mussten Lewis und ich anreisen. Niki hat dann immer versucht zu vermitteln, damit wir uns in der Mitte treffen.“

Seit Laudas Tod im Jahr 2019 muss Wolff die Teamdynamik alleine ausbalancieren. Doch bei allen Möglichkeiten der modernen Technik – Mercedes hat ihm eigens einen Mini-Kommandostand zu Hause installiert – die persönliche Ansprache scheint aktuell zu fehlen. Rosberg: „In diesem Fall ist Lewis eindeutig Schuld, da muss Toto ihn rügen.“ Denn der Brite verspiele mit solchen Aktionen womöglich den WM-Punktebonus des gesamten Teams. In der Meisterschaftstabelle hat Mercedes auf Rang zwei nur 28 Punkte Vorsprung auf Ferrari.

Die gute Nachricht: Der Mercedes war immerhin gut genug fürs Podium. Von weit hinten pflügte sich Russell vor bis auf Platz vier. „Wir hätten es beide aufs Podium schaffen können“, glaubt der junge Engländer. Von ihm kommen auch weitere Worte der Hoffnung für Mercedes-Fans und Teamchef Wolff: „Wir haben beide Respekt, das werden wir nie vergessen.“