Der heimliche Held

Gerade einmal fünf Monate ist es her, dass der VfB Stuttgart in der Relegation dem Abstieg entkam. Als am 5. Juni das Rückspiel gegen den Hamburger SV 3:1 gewonnen wurde und ein weiteres Jahr Bundesliga damit offiziell war, war der Jubel groß im Schwabenländle.

Mittlerweile hat die neue Saison schon wieder elf Spieltage auf dem Buckel und die Stuttgarter avancieren zur großen Überraschung. Abstiegskampf? Fehlanzeige! Mit Rang drei hat sich das Team von Trainer Sebastian Hoeneß in der Spitzengruppe festgesetzt und seine Ambitionen mit einem souveränen 2:1-Heimsieg gegen Borussia Dortmund untermauert.

Sofort ins Auge springen einem dabei natürlich die Leistungen von Serhou Guirassy. Im Sommer von Stade Rennes an den Neckar gewechselt, kommt der Mittelstürmer in neun Einsätzen auf 15 Tore.

Stuttgarts Anker in der Verteidigung

Doch auch hinten stimmt es in dieser Saison. Vor allem Waldemar Anton überzeugt sowohl in der Dreierkette als auch als neuer VfB-Kapitän. Obwohl diese Rolle nicht nur positive Erinnerungen bei dem 27-Jährigen weckt. In seiner Zeit bei Hannover 96 bekam er im August 2018 schon mal die Binde überreicht. Mit damals 22 Jahren war er der jüngste Kapitän der Bundesliga.

Nachdem der Verein in den Abstiegskampf gerutscht war und André Breitenreiter von Thomas Doll ersetzt wurde, war auch das Antons Zeit als Kapitän beendet. „Das war für mich im ersten Moment ehrlich gesagt unerklärlich“, erinnerte er sich bei Spox an diese Situation, konnte ihr aber auch etwas Positives abgewinnen:

„Als ich später auf die Saison zurückblickte, stellte ich fest, dass ich als Kapitän viel zu viel Verantwortung übernehmen wollte. Ich wollte alles selbst regeln. Da war mir noch nicht klar, dass man auch ein paar Aufgaben an andere Wortführer in der Mannschaft delegieren sollte. Ohne diesen Lerneffekt wäre ich heute vielleicht nicht Kapitän beim VfB.“

Führungsstark auf und neben dem Feld

In dieser Position ist er nun auf und neben dem Feld eine Führungspersönlichkeit. In allen elf Spielen stand er auf dem Platz und war bislang jede Spielminute der Saison im Einsatz. Dabei hat Anton als Innenverteidiger gerade einmal zehn Fouls begangen, zweimal wurde er mit einer gelben Karte bestraft.

Aber auch nach dem Spiel übernimmt der im usbekischen Almalyk geborene Anton das Kommando. Nach dem Sieg gegen Dortmund sagte er forsch: „Am Ende müssen wir uns darüber ärgern, dass es nicht höher ausgefallen ist.“ Das mag kurios klingen, wenn man bedenkt, dass der 27-Jährige zwei seiner drei Jahre in Stuttgart mit Abstiegskampf verbracht hat.

Bei Anton klingt jedoch keinerlei Arroganz in diesen Sätzen mit. Von der Heilbronner Stimme nach dem Sieg gegen den BVB gefragt, ob Stuttgart nun ein Spitzenteam sei, sagte er wie selbstverständlich: „Wir haben uns oben festgesetzt, ob wir ein Spitzenteam sind, das sieht man am Saisonende.“ Bis dahin sei nur wichtig: „40 Punkte erreichen. Die anderen Ziele können wir danach besprechen.“

Effenberg fordert DFB-Nominierung

Doch nicht nur mit der Mannschaft läuft es für Anton, auch persönlich erfährt der Verteidiger viel Wertschätzung. SPORT1-Experte Stefan Effenberg forderte nun im STAHLWERK Doppelpass sogar, dass der VfB-Akteur für die Nationalmannschaft nominiert wird.

„Ich bin ein riesiger Fan von ihm. Viele reden bei Stuttgart von der Offensive. Aber Anton ist der Stabilisator für die Abwehr. Man muss bei Julian Nagelsmann anrufen und fragen, wieso er ihn nicht nominiert“, richtete sich Effenberg direkt an den Bundestrainer. Dabei hat es Effenberg nicht nur Antons Defensivverhalten angetan. Auch im Spielaufbau sieht er dessen Stärken.

So leitete Anton den VfB-Elfmeter in der zehnten Minute, den Chris Führich jedoch vergab, mit einem mustergültigen Pass ein. „Der Ball ist natürlich für einen Innenverteidiger herausragend - genau in die Schnittstelle. Das machen nicht viele“, zeigte sich Effenberg begeistert.

DFB und Champions League? Das sagt Anton

Der so Gelobte selbst nimmt die Nicht-Nominierung jedoch gelassen. „Ich versuche, hier meine Leistung auf den Platz zu bringen und immer 100 Prozent zu geben. Das ist das Einzige, das ich beeinflussen kann“, stellte er klar, dass er „nicht enttäuscht“ über Nagelsmanns Entscheidung sei.

Wobei er keinen Hehl daraus macht, dass er sich über eine Berufung ins DFB-Team freuen würde. „Es wäre natürlich geil und ein nächster Schritt für mich“, sagte er vor der Kader-Bekanntgabe bei Spox.

Nun will er sich jedoch weiter auf seine Leistungen in Stuttgart fokussieren und den Höhenflug fortsetzen. Denn neben der Nationalmannschaft hat der elfmalige U21-Nationalspieler noch ein anderes Ziel: „Mein absoluter Traum ist es, eines Tages die Champions League zu gewinnen.“ Zwar sei das aktuell nicht besonders realistisch, „aber man muss träumen und sich immer wieder Ziele setzen“.

Den ersten Zwischenschritt könnte er in dieser Spielzeit machen, seine erstmalige Qualifikation für die Königsklasse. Dafür braucht es einen Anton, der weiter auf Topniveau agiert.