Handball-Skandal: "Ich bin in mir zusammengebrochen"

Handball-Skandal: "Ich bin in mir zusammengebrochen"
Handball-Skandal: "Ich bin in mir zusammengebrochen"

Lange war nichts von ihm zu hören - nun hat sich der ehemalige BVB-Trainer André Fuhr im Handball-Skandal erstmals zu den schweren Vorwürfen gegen seine Person geäußert. Der 52-Jährige räumte Fehler im Umgang mit seinen Spielerinnen ein - wehrte sich aber auch gegen bestimmte Anschuldigungen.

„Ich finde, das sind sehr ernstzunehmende und schwerwiegende Vorwürfe, die mich persönlich sehr treffen. Und wenn das so gewesen sein soll, dann muss ich mich natürlich noch kritischer reflektieren“, erklärte Fuhr im Interview mit der Sportbild.

Wenn sich eine Spielerin so gefühlt habe, „kann und will ich das nicht bestreiten. Das würde ich auch niemals tun. Im Gegenteil: Dann bedaure ich das von ganzem Herzen sehr“, sagte Fuhr weiter, aber: „Ich wollte sicher nie überhaupt jemanden zum Weinen bringen“ - auch wenn er sich an kein vergleichbares Ereignis erinnere.

Schwere Vorwürfe gegen Fuhr

Zugleich betonte er, dass nach den ersten Vorwürfen „eine Welle“ entstanden sei, „die alles mitgerissen hat. Ich finde, man muss über Ereignisse, die 15 Jahre zurückliegen, mal ganz objektiv fragen: Wie hat sich eigentlich Teamführung in den letzten Jahrzehnten verändert? Kann man die Situation von damals mit heutigen Maßstäben messen? Und: Wie gut ist die Erinnerung an die Situation?“

Im September 2022 waren schwerwiegende Vorwürfe gegen Fuhr laut geworden. Der damalige Dortmund-Trainer soll Spielerinnen beleidigt, gedemütigt und bedrängt haben. Die beiden einstigen BVB-Profis Amelie Berger und Mia Zschocke kündigten an, nicht mehr unter Fuhr trainieren zu wollen.

In der Folge meldeten sich weitere Spielerinnen, mit denen Fuhr bei früheren Stationen zusammengearbeitet hatte. Sie warfen dem deutschen Coach emotionalen Missbrauch und systematisches Fehlverhalten vor.

Fuhr: „Größter Fehler“

„Die Spielerinnen (Berger und Zschocke; Anm. d. Red.) haben sich bei der Anlaufstelle gegen Gewalt des Vereins ‚Athleten Deutschland‘ geäußert und diese hat die Vorwürfe an verschiedene Leute geschickt, nur nicht an mich. Auch auf Anfrage bei der Anlaufstelle durch meinen Anwalt haben wir sie nicht bekommen“, erklärte Fuhr.

Es sei „schwer, sich zu Vorwürfen - noch dazu teilweise anonym - zu äußern, zu verteidigen, die nicht direkt, sondern ausschließlich über die Medien vorgetragen wurden“, sagte Fuhr, der im Einvernehmen mit dem BVB seinen damaligen Vertrag hatte auflösen lassen. Zuvor habe ihn der BVB in der Sache angehört - ebenso wie die beiden Spielerinnen.

Die Vertragsauflösung sei derweil sein „größter Fehler“ gewesen: „Ich hätte um meinen Ruf und um meine Existenz kämpfen müssen, an der Stelle, zu dieser Zeit. Ich hätte mich damals wehren müssen. Denn genau dann hätten die BVB-Verantwortlichen einiges gewissenhafter aufarbeiten müssen. Ich glaube, dass dann vieles anders gelaufen wäre“, erklärte Fuhr, der in einem „Schockzustand“ gewesen sei.

Fuhr litt unter Depressionen

Noch ernster wurde es im Oktober 2022, als Der Spiegel über die Vorwürfe gegen Fuhr berichtete - und ehemalige Spielerinnen zu Wort kommen ließ.

„Ich wusste ja, dass ein Artikel im Spiegel erscheinen würde. Man hatte mir Fragen geschickt, die im Wesentlichen eine Auflistung von Anschuldigungen waren, mit dem Zusatz: ‚Was sagen Sie dazu?‘. Ich war zwar auf das Schlimmste vorbereitet. Aber das, was ich dann gesehen habe, war noch viel schlimmer, als ich erwarten und ertragen konnte“, meinte Fuhr.

Und weiter: „Ich war quasi handlungsunfähig und bin in mir zusammengebrochen, habe wie gelähmt mit dem Handy auf dem Sofa gelegen. Dann kamen die ersten Reaktionen. Ich habe an meine Freundin, meine Eltern, meine Freunde, meine Familie gedacht. In den folgenden Tagen habe ich mich vom Bett zum Sofa geschleppt und wieder zurück. Ich habe mich nicht mehr aus dem Haus getraut, ich stand unter Schock.“

Die Konsequenz: „Die Veröffentlichung des Spiegel-Artikels hat bei mir eine schwere Depression ausgelöst“, sagte Fuhr, der im vergangenen Juli einen neuen Job beim Verbandsligisten MTG Horst in Essen angenommen hatte. Auf Empfehlung des Essener Sportbunds wurde der 52-Jährige inzwischen wieder freigestellt.

  • Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie sich selbst von Depressionen und Suizidgedanken betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (http://www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in zahlreichen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.

Der Grund, warum sich Fuhr äußert

Hintergrund: Die MTG Horst hatte Fördergelder der Essener Krupp-Stiftung zur Prävention sexualisierter Gewalt im Jugendsport erhalten. Der Essener Sportbund, der für das Projekt verantwortlich zeichnet, habe dem Vorstand des Ruhrpott-Klubs anschließend „dringend empfohlen, diesen Trainer von seinen Aufgaben zu entbinden“, wie Geschäftsführer Thorsten Flügel der Süddeutschen Zeitung mitteilte.

„Wir haben als Team und in der Handballabteilung hervorragend zusammengearbeitet. Dass der öffentliche Druck dann so massiv wurde und der Hauptverein dem nicht standhalten konnte, bedaure ich sehr“, erklärte Fuhr nun zu seinem Engagement bei der MTG Horst.

Zugleich sei das „der Grund, warum ich entschieden habe, mich erstmals öffentlich zu äußern“.

Gegen den gebürtigen Nordrhein-Westfalen läuft weiter eine Ermittlung des Deutschen Handballbundes. Diese soll im November 2024 abgeschlossen sein.