Gericht: Stadt Essen muss AfD Grugahalle zur Verfügung stellen

600 AfD-Delegierte wollen sich in zwei Wochen zum Bundesparteitag in Essen treffen. Doch die Messe hat den Mietvertrag gekündigt. (Bild: dpa)
600 AfD-Delegierte wollen sich in zwei Wochen zum Bundesparteitag in Essen treffen. Doch die Messe hat den Mietvertrag gekündigt. (Bild: dpa)

Ende Juni will die AfD bei einem Bundesparteitag mit 600 Delegierten in der Essener Grugahalle eigentlich einen neuen Vorstand wählen. Doch die städtische Messetochter hat den Mietvertrag gekündigt. Ist das rechtens? Die AfD fand nicht und klagte dagegen beim Land- und parallel beim Verwaltungsgericht.

Am Montag beriet das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen über eine der Klagen und hat nun entschieden: Die Stadt Essen muss der AfD die Grugahalle für den Bundesparteitag zur Verfügung stellen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster einlegen (Az: 17 L 888/24 und 15 L 881/24).

Nach Überzeugung der 15. Kammer hat die AfD Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen wie der Grugahalle. Sie dürfe nicht anders behandelt werden als andere politische Parteien, wie es in der Mitteilung des Gerichts von Freitag heißt. Der Zugang dürfe nur versagt werden, wenn bei der Nutzung die Gefahr von strafbaren Handlungen bestehe. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse allerdings im Fall von politischen Parteien ein strenger Maßstab angelegt werden. Das Gericht konnte keine hinreichende Tatsachengrundlage dafür erkennen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Rechtsverletzungen kommen würde.

Der Streit um den Bundesparteitag ist ebenfalls noch anhängig am Landgericht Essen. Über die Zivilklage will das Gericht am Montag in mündlicher Verhandlung entscheiden.

Zugleich machen sich Zehntausende AfD-Gegner bereit zu Protesten. Wird die Kündigung der Halle juristisch halten und was ist zu erwarten, wenn der Parteitag doch wie geplant stattfinden sollte?

Der Mietvertrag mit der AfD für die Grugahalle ist fast eineinhalb Jahre alt. Aus Sicht der Stadt hat die Partei sich aber seit der Vertragsunterzeichnung deutlich radikalisiert. Die Stadt verweist unter anderem auf die Verurteilung des AfD-Landtagsfraktionschefs Björn Höcke in Thüringen zu einer Geldstrafe wegen der Verwendung der verbotenen SA-Losung "Alles für Deutschland".

Um solche Äußerungen beim Parteitag zu verhindern, hat der Stadtrat eine Selbstverpflichtung der AfD verlangt. Die Partei hat sich geweigert. Daraufhin wurde der Vertrag gekündigt.

Die AfD hält die Vertragskündigung für rechtswidrig und pocht auf die Einhaltung ihres Mietvertrages. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei eine bestimmte Klausel des Vertrages, wie das Landgericht mitteilte. Laut der ist eine Kündigung möglich, wenn "Tatsachen vorliegen, die eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch (die) Veranstaltung befürchten lassen". Doch trifft das hier zu? Die AfD will bei der mündlichen Verhandlung beim Landgericht das Gegenteil beweisen. Außerdem hält sie die Formel für viel zu vage und unbestimmt, um eine Kündigung zu rechtfertigen.

Wie groß sind die Chancen der AfD?

Für den Parteitag in Essen spricht der sogenannte Kontrahierungszwang, der sich aus der Gemeindeordnung ergibt: Wenn andere Parteien die Halle nutzen durften – was etwa bei einem CDU-Bundesparteitag 2016 der Fall war – darf ein kommunaler Eigentümer sie nicht ohne weiteres einer einzelnen Partei verweigern. Dabei sind natürlich Ausnahmefälle möglich.

Die AfD geht davon aus, dass der Parteitag wie geplant stattfindet. Falls sie vor einem der beiden Gerichte verlieren sollte, werde sie in jedem Fall die nächsthöhere Instanz anrufen, hieß es aus der Partei. Es gebe "keinen Plan B" für einen anderen Standort.

Über die Zivilklage beim Landgericht von Montag möchte die Kammer, wenn möglich, noch am Tag selbst entscheiden. Rechtskräftig wären die Entscheidung damit aber noch nicht. Es gilt eine 14-Tage-Frist für Berufung beziehungsweise Beschwerde zum Oberlandesgericht Hamm oder Oberverwaltungsgericht in Münster.

Ungeachtet des juristischen Tauziehens organisiert ein breites Bündnis von Stadt, Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen und Initiativen den Protest gegen den AfD-Parteitag. Zehntausende Demonstranten werden erwartet. Es könnte die größte Kundgebung werden, die Essen seit vielen Jahren erlebt hat.

Die Hauptveranstaltung ist auf einem Messeparkplatz direkt an der Grugahalle geplant, wo die AfD ihren Parteitag abhalten will. Busse sollen Demonstranten aus ganz Deutschland nach Essen bringen. An der Ruhr soll es Zeltmöglichkeiten für bis zu 6000 auswärtige Demo-Teilnehmer geben. Auch Musik- und Kleinkunstveranstaltungen sind im Rahmen der Anti-AfD-Proteste geplant.

Die Sicherheitskräfte sind während des gesamten Wochenendes im Großeinsatz. In der linken Szene gibt es Aufrufe zum "zivilen Ungehorsam". Unter anderem wollen Aktivisten mit Blockaden verhindern, dass die AfD-Delegierten überhaupt zum Parteitag in die Grugahalle kommen können. Die Polizei teilte mit, sie sei auch auf solche Formen des Protestes eingestellt.

Die Einsatzkräfte müssten gewährleisten, dass sowohl der Parteitag als auch die angemeldeten Gegenveranstaltungen stattfinden könnten, betonte ein Polizeisprecher. Personell ist das für die Polizei in NRW ein Kraftakt – zumal zeitgleich zum Parteitag Achtelfinal-Partien der Fußball-EM in Dortmund, Gelsenkirchen und Köln stattfinden.