Das bittere Drama um eine deutsche Leichtathletin

Das bittere Drama um eine deutsche Leichtathletin
Das bittere Drama um eine deutsche Leichtathletin

Als Sarah Vogel am 18. Februar bei der Hallen-DM in Leipzig deutsche Vizemeisterin im Stabhochsprung wurde, ahnte sie nicht, dass dies möglicherweise der letzte Wettkampf in ihrer noch jungen Sportlerkarriere sein könnte.

Mit 4,30 Meter war sie damals aufs Treppchen gesprungen, sie wähnte sich auf einem guten Weg Richtung EM und Olympia. Doch schon kurze Zeit später war nichts mehr so, wie es vorher war.

Die 22-Jährige, die bereits in jungen Jahren mit zahlreichen Verletzungen zu kämpfen hatte und Protagonistin der dreiteiligen ZDF-Doku „Unbeugsam“ war, macht seit dieser Zeit ein echtes Martyrium durch, weil sie an einer chronischen Erkrankung leidet.

Bei SPORT1 erzählt Vogel, die 2021 U-20 Europameisterin wurde, erschreckende Details über ihren Gesundheitszustand - und warum sie dennoch erleichtert war, als sie die Diagnose hörte.

SPORT1: Frau Vogel, Sie haben seit Februar keine Wettkämpfe mehr bestritten. Was ist nach der Hallen-DM passiert?

Sarah Vogel: Ich wurde ungefähr eine Woche später krank. Ich dachte erst, ich hätte mir ganz normal etwas eingefangen, das wurde aber über die nächsten Wochen nicht besser. Dann bin ich natürlich zu Ärzten und habe mich durchchecken lassen. Eine Zeit lang war ich dann auch im Krankenhaus, weil alles Mögliche durchgecheckt werden musste. Man hat aber nicht so wirklich was gefunden.

„Ich konnte mich nicht mehr bewegen“

SPORT1: Welche Symptome hatten Sie?

Vogel: Ich hatte die ganze Zeit über ziemlich starke Erschöpfungssymptomatiken, konnte mich nicht mehr bewegen, teilweise gar nicht mehr aufstehen, kaum sprechen, kaum essen. Ich war in einem ziemlich schlechten allgemeinen Zustand. Dann hat man natürlich alle möglichen Netzwerke ausgenutzt, um Hilfe zu finden und schlussendlich haben wir dann auch jemanden gefunden, der mich diagnostizieren konnte. Leider ist das Ganze aber nicht behandelbar und nicht wirklich heilbar. Man kann nur hoffen, dass es sich von selbst wieder gibt.

SPORT1: Hat sich Ihr Zustand seit dieser Zeit verändert?

Vogel: Ja, es geht mir mittlerweile schon deutlich besser. Ich kann ja auch wieder sprechen und mich innerhalb des Hauses halbwegs frei bewegen. Aber ich kann keine alltäglichen Tätigkeiten machen. Kochen oder Autofahren geht aktuell noch nicht.

SPORT1: Was haben Sie gedacht, als Sie die Diagnose bekommen haben?

Vogel: Ich war eigentlich eher erleichtert, dass ich endlich eine Diagnose habe. Bei Erschöpfung spricht man ja auch immer von Psychosomatik und Burnout, aber ich habe ganz tief gemerkt, dass etwas auf der körperlichen Ebene überhaupt nicht stimmt. Und deswegen war ich eher erleichtert, dass man mir glaubt. Ich bin zuvor auf viel Unverständnis gestoßen, gerade in der medizinischen Welt. Wenn es einem schlecht geht und selbst der Arzt einem vorwirft ‚Naja, so schlimm kann es ja nicht sein, du musst dich halt mal zusammenreißen‘, dann ist das natürlich unschön.

„Mir kann niemand versprechen, dass es wieder zu 100 Prozent wird“

SPORT1: Ab wann wussten Sie, dass Sie es weder zur EM noch zu Olympia schaffen werden?

Vogel: Es war alles ein Prozess. Ich habe lange gehofft, gerade auf die EM. Da wusste ich natürlich, dass sie ziemlich früh stattfindet, aber ich wusste auch, dass es für mich im Qualifikationsprocedere ganz gut steht. Einen guten Wettkampf hätte ich gebraucht, um die interne Norm vom DLV zu schaffen - daran habe ich ziemlich lange geglaubt, dass das bis Mitte April realistisch ist. Ich bin also länger davon ausgegangen, dass es mir so gut geht, dass ich vielleicht bei der EM starten kann und es auch für die Olympischen Spiele reichen kann. Aber als sich das Ganze dann sechs, sieben, acht Wochen gezogen hat, wurde die Chance mit jedem Tag kleiner. Schlussendlich haben wir uns dazu entschieden, den Druck komplett rauszunehmen und alles abzusagen. Selbst wenn es mir wieder gut gegangen wäre, hätte so eine Hauruckaktion andere Risiken geborgen.

SPORT1: In der dritten Folge der ZDF-Doku „Unbeugsam“ vom vergangenen Herbst hatten Sie noch große Hoffnungen, auf die Olympia-Teilnahme...

Vogel: Ja, absolut. Mir ging es auch super, ich bin gut durch den Winter gekommen und es war alles gut - im Prinzip bis zu den Deutschen Meisterschaften. Kurz darauf, von dem einen auf den anderen Tag, wurde ich krank und das Ganze hat sich gewendet.

SPORT1: Wie geht es jetzt weiter? Haben Sie noch Hoffnungen, die sportliche Karriere vielleicht doch noch fortsetzen zu können? Oder stehen jetzt erstmal andere Dinge im Vordergrund?

Vogel: Im alltäglichen ist es schon ziemlich im Hintergrund geraten, weil es jetzt erst mal einfach größere Probleme gibt. Aber klar macht man sich Gedanken: Wie geht es weiter? Wie kann es werden? Die Experten haben mir gesagt, dass ich Glück habe, dass ich schon so früh diagnostiziert wurde und ich die besten Voraussetzungen habe, wieder gesund zu werden. Ich bin jung, ich bin sportlich.

Aber mir kann niemand versprechen, dass es wieder zu 100 Prozent wird oder ob es vielleicht bei 90 oder 95 Prozent bleibt, was für eine sportliche Karriere nicht ausreichend wäre. Ich bin generell ein sehr großer Optimist und glaube weiterhin daran, dass es wieder vollständig gut werden wird. Ich tue alles dafür, was in meiner Macht steht. Aber am Ende kann man es nicht wissen.

„Ich habe Hoffnungen, dass es wieder wird“

SPORT1: Ihr Optimismus hilft Ihnen hoffentlich bei der Genesung. Oder hadern Sie auch mal mit dem Schicksal?

Vogel: Klar gibt es solche und solche Momente. Ich konnte teilweise nachts nicht schlafen, weil ich solche Schmerzen hatte und keine Schmerzmittel halfen. Das sind dann natürlich Momente, in denen es einem schwerfällt, positiv zu bleiben oder zu hoffen, dass es auch wieder bessere Tage geben wird. Aber mir bleibt auch nichts anderes übrig. Ich glaube, dass es meinem Heilungsverlauf nicht gerade guttun würde, wenn ich total Trübsal blasen würde. Deswegen versuche ich, das Ganze völlig positiv anzugehen und zu gucken, was das Leben bringt. ich bin jung und es kann noch so viel passieren. Ich habe Hoffnungen, dass es wieder wird.

SPORT1: Konnten Sie sich die Leichtathletik-EM in Rom anschauen? Oder tut das zu sehr weh, wenn man den Wettkampf nur am TV verfolgt? Und wie wird es bei den Olympischen Spielen in Paris sein?

Vogel: Es war schon schwierig. Gerade die ersten Male reinzuschauen, hat schon weh getan. Aber dann habe ich es mir angeguckt, weil ich meine eigene Situation davon trennen konnte. Es sind ja doch viele Freunde von mir dabei, denen ich natürlich das Allerbeste wünsche, außerdem finde ich die Sportart viel zu cool, um es mir nicht anzugucken. Schlussendlich habe ich doch ein bisschen Gefallen dran gefunden. Und Olympia werde ich mir auch anschauen, glaube ich.