Umgang mit Niederlagen und Erfolgen - Mental-Coach nimmt EM-Spiele zum Vorbild: Das sind die Schlüssel zum Erfolg

Das DFB-Team ist bereits sicher für das Achtelfinale qualifiziert.<span class="copyright">Augenklick/GES-Sportfoto</span>
Das DFB-Team ist bereits sicher für das Achtelfinale qualifiziert.Augenklick/GES-Sportfoto

Die Fußball-Europameisterschaft ist in vollem Gange. Als Gastgeber sind die Augen besonders auf Deutschland gerichtet. Motivationstrainerin Antje Heimsoeth sagt, was jeder von den Sportlern lernen kann, um seine eigenen Siege zu erreichen.

Der Fußballgott, so es einen gibt, hat es in den letzten Jahren nicht besonders gut mit uns gemeint. Viele Niederlagen. Das Ausscheiden aus wichtigen Turnieren. Drei Trainerwechsel in vier Jahren. Durchaus gute Einzelspieler, die in der Nationalmannschaft keinen gemeinsamen Nenner und Weg fanden. Und von jenen wechselnden Trainern auch nicht aufgezeigt bekamen. Demzufolge oft desaströse Spiele und eine unzufriedene Fußballnation.

Doch blicken wir lieber nach vorne. Irgendetwas hat Julian Nagelsmann richtig gemacht. Irgendwie den Spielern das Vertrauen an ihr Können zurückgegeben. Und uns als Fußballnation die Hoffnung auf ein erfolgreiches Turnier. Immerhin: Neben Frankreich und England zählen wir zu den Favoriten der EM 2024. Wollen wir hoffen, dass die ersten Lichtblicke des Spiels gegen Schottland zu einem dauerhaften Strahlen werden – und wir es bis zum Finale am 14. Juli 2024 in Berlin schaffen.

Was wir von Sportlern lernen können

Wenn ich die Athleten und ihre Trainer bei der Vorbereitung auf EM und die Olympischen Spielen beobachte, wird mir wieder einmal bewusst, wie eng die beiden Bereiche – Sport und Business – doch miteinander verbunden sind. Was Spieler und Sportler uns lehren hinsichtlich Disziplin und Durchhaltevermögen, Fokus und Zielstrebigkeit, Entspannung und Regeneration. Was wir als Führungskräfte und Selbstständige in Unternehmen und als Einzelkämpfer daraus lernen können. Wie gehen Wettkampfsportler persönlich mit Niederlagen und Fehlern um? Wie verhalten sich Profi-Mannschaften bei Erfolgen und Misserfolgen?

 

Vielleicht stutzt der eine oder andere Leser an dieser Stelle. Wieso mit Erfolgen richtig umgehen? Dann haben wir doch alles richtig gemacht. Und guten Grund zu feiern. Natürlich! Aber auch da ist Vorsicht geboten – das zeigte sich zuletzt 2022, als Deutschland als einer der Favoriten bereits in der Vorrunde bei der Weltmeisterschaft ausgeschieden ist. Das Problem: Erfolge lassen einen manchmal abheben. Man verliert sozusagen die Bodenhaftung, die Erdung, man ist nicht mehr so wirklich fokussiert, wird vielleicht schlampig in der Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf.

Der damalige Bundestrainer Hansi Flick fasste es gegenüber der Augsburger Allgemeinen nach der Niederlage so zusammen: „Wir hatten einfach keine Effizienz in diesem Turnier“. Anders sagte es zu Sport1 inzwischen Julian Nagelsmann, der vor dem ersten Spiel mehrfach betonte, dass es sich in den Köpfen entscheide, ob man gewinne. Vom DFB-Team erwarte er, so sagte er der Frankfurter Rundschau, vor allem „den Glauben an sich selbst“. Als Sport Mental Coach stimme ich ihm voll und ganz zu: „Der Glaube an uns selbst hilft extrem.“ Nicht nur im Sport!

<span class="copyright">Heimsoeth</span>
Heimsoeth

 

Das Leben ist ein Auf und Nieder – immer wieder

Wer erfolgreich sein will im Leben, wer große Ziele erreichen will, auf den warten nicht nur Siege und Erfolge, sondern automatisch auch Niederlagen und Enttäuschungen. Das Leben ist eben nicht so, dass wir vom Ausgangspunkt direkt zum Ziel kommen. Fast immer warten Umwege und eine Menge Tiefen auf uns. Sümpfe nenne ich es ganz gerne.

Das Leben ist ein Auf und Nieder – immer wieder. Dafür gibt es unzählige  Beispiele, ob im Sport oder im Business. In beiden Bereichen geht es ganz oft um die Energie – nicht nur körperlich, um fit für den Wettkampf zu sein, sondern vor allem mental. Genau dafür haben Sportler und Mannschaften ihre Sportpsychologen bzw. Sport Mental Coaches. Gemeinsam kämpfen sie gegen Lampenfieber und Erwartungsdruck, Defizite in der Kommunikation, Grübelschleifen und negative, pessimistische Gedanken, die oft Selbstzweifel auslösen.

 

Nicht nur das kostet sehr viel Energie. Es geht um große Verträge oder Fragen, wie: Sitze ich im nächsten Fußballspiel auf der Bank oder komme ich wieder zum Einsatz? Wenn der neue Trainer kommt, bleibe ich in der Stammmannschaft oder finde ich mich womöglich auf der Reservebank wieder? Was ist, wenn ich verliere? Was bedeutet das für meine Kaderzugehörigkeit? Denn damit geht ja oftmals finanzielle Unterstützung einher. Keiner steigt gerne ab. Es geht um den Umgang mit Schiedsrichterentscheidungen, die nicht nachvollziehbar oder schlicht und ergreifend falsch sind.

Auch persönliche Querelen zwischen den Spielern oder die Beziehung zum (Bundes-/Bundesstützpunkt-)Trainer, zu den Sponsoren, zum Verband halten Sportler oft davon ab, sich voll und ganz auf das eigene Tun zu konzentrieren. Und schließlich den Titel zu erreichen, eine Medaille zu gewinnen.

Vom Spitzensport lernen – Entspannung & Regeneration

Vergleichen wir den Sport, das Zusammenwirken von Einzelspielern, einer Mannschaft und Trainer(n) gibt es viele Parallelen zur Arbeitswelt. Auch in Unternehmen wird überwiegend in Teams gearbeitet. Trotzdem ist die Persönlichkeit jedes Einzelnen wichtig, ob Teammitglied oder Führungskraft.

Welche Impulse gibt es? Für mich ist ein entscheidender Punkt: Spitzensportler wissen, dass sie sich regelmäßig um ihre Regeneration und Entspannung kümmern müssen. So streng das Training auch ist, so diszipliniert sie an der Wettkampfvorbereitung arbeiten – dazwischen loszulassen, um Energie zu tanken, das versäumt kein erfolgreicher Athlet.

Im Business hingegen nehmen viele Menschen das Thema Entspannung und Regeneration nicht ernst genug. Rutschen diese Menschen in den Burnout, dann sind die Unternehmen selbst schnell als die Schuldigen ausgemacht. Für mich liegt das Thema Gesundheit hingegen vor allem in der Selbstverantwortung. Wenn jemand nicht genug zur Ruhe kommt am Wochenende, zu wenig schläft, sich zu wenig bewegt und schlecht isst, dann schadet er seiner eigenen Gesundheit.

Parallelen zur Arbeitswelt Zielfokus & Visualisierung

Im Spitzensport ist immer wieder der Zielfokus ein großes Thema. Julian Nagelsmann beispielsweise hat zwei Handlungsziele pro Spieler, habe ich mal gelesen. Ergebnisziele kann ich nur bedingt beeinflussen. Weil im Fußball nicht nur die eigene Mannschaft, sondern eben auch noch 11 Gegner auf dem Platz sind. Prozessziele hingegen, also die Frage, wie ich etwas tue, das kann ich beeinflussen. Auch im Business hilft die Klarheit darüber, wo ich mich weiterentwickeln kann. Wo ich einfach besser werden will und muss. Daran kann ich arbeiten.

Viele Sportler nutzen für die Zielerreichung die Macht der inneren Bilder. Sie visualisieren ihre Ziele. Auch im Business kann man letztendlich nur das erreichen, was man sich vorstellen kann. Das gilt für Führungskräfte und Teams.

Eine gute Übung ist auch das „Zukunftsbild“: Sich einfach mal gedanklich in die Zukunft zu beamen, zum Beispiel ein Jahr vorauszuschauen und sich mit allen Sinnen vorzustellen, wie man bestimmte Dinge bereits erreicht hat. Das Ganze geht in jedem Fall einher mit positiven Emotionen. Und die haben noch nie geschadet als Ausgangsbasis dafür, zu überlegen und daran zu arbeiten, wie kommen wir Schritt für Schritt von dem hier und heute in dieses Zukunftsbild.

Misserfolge und wie wir damit umgehen müssen

Keiner erlebt gerne Misserfolge! Auch wenn es rückblickend oft genau jene Momente waren, in denen wir als Persönlichkeit gewachsen sind. Wir können Misserfolge nicht verhindern. Ebenso wenig wie die Folgen: Das Selbstvertrauen sinkt, es entstehen Minderwertigkeitskomplexe, Selbstzweifel machen sich breit. Möglicherweise zeigt sich auch ein Impostorsyndrom, die Motivation des Einzelnen oder des Teams sinken.

Das AAA (Triple-A) kann helfen, besser mit Niederlagen umzugehen:

  1. Das erste A steht für akzeptiere, dass du heute eine Niederlage erfahren hast. Ob als Sportler, Führungskraft, Mitarbeiter oder Team. Wer einen Schuldigen sucht, der lernt selbst nichts daraus und dazu. Der verweigert sich dem Prozess der persönlichen Weiterentwicklung.

  2. Das zweite A steht für analysiere akribisch, was dazu geführt hat – zur Niederlage, zum Fehler. Wichtig ist allerdings immer auch die andere Perspektive: Was ist mir gelungen, was hat gut geklappt? Wo haben wir als Team gut funktioniert? Wo haben wir wirklich unsere Stärken, Talente, Fähigkeiten nutzen können und genutzt? Wie war unsere Kommunikation? Wie waren meine Gedanken? War ich eher optimistisch oder pessimistisch? Habe ich an mich geglaubt, meinen Stärken und Fähigkeiten vertraut?
    Es sollten möglichst alle Ebenen betrachtet werden: Emotionen, Gedanken, Verhalten und Körper. Wichtig sind dann die Learnings und dass vor allem To-dos formuliert werden. Also beim Sportler heißt das: Was muss ich jetzt konkret in den nächsten Trainingseinheiten verstärkt üben? Wo brauche ich eventuell noch Informationen vom Physio, vom Trainer u.a.?
    Dasselbe gilt natürlich auch in den Unternehmen: Wo müssen wir Prozesse verbessern, überdenken, Strategien überarbeiten und so weiter.

  3. Und dann kommt das dritte A, das Abhaken. Das ist wichtig, und das macht auch jeder anders. Der eine lässt sich trösten, in den Arm nehmen, der Nächste braucht Musik in den Ohren, einen Spaziergang, will sich auspowern auf dem Rad, braucht einen Boxsack, um seine Wut aus dem Körper herauszubringen, zu externalisieren.
    Wichtig ist dabei vor allem eines zu berücksichtigen: Wenn Sie beim Autofahren ständig in den Rückspiegel schauen würden, was würde passieren? Genau, Sie würden einen Unfall nach dem anderen bauen. Nicht umsonst ist beim Auto der Rückspiegel klein und die Frontscheibe groß.

Erfolge feiern – aber nicht darauf ausruhen

Im Sport wie im Business entwickelt sich alles rasend schnell weiter. Deshalb ist der Erfolg von heute bestenfalls eine gute mentale Ausgangslage für das weitere Geschehen. Allerdings nur unter einer Voraussetzung: Wenn man sich nicht darauf ausruht, sondern sich mit jeder neuen Saison, bei jedem neuen Wettkampf wieder voll und ganz auf die damit verbundenen neuen Herausforderungen einlässt. Das betrifft die Vorbereitung, die Ausrüstung und eben auch immer die mentalen Aspekte. Ich weiß von Trainern, dass sie einzelne Positionen im Team, um sich auf die nächste Meisterschaft vorzubereiten, damit genau dieser Effekt nicht eintritt.

Sportler feiern ihre Erfolge. Jetzt können Sie mal überlegen, wann das letzte Mal die La-Ola-Welle durch Ihr Unternehmen gelaufen ist. Wann haben Sie wirklich bewusst das letzte Mal zum Beispiel ein Projekt gefeiert? Die meisten denken jetzt wohl zurecht: Stimmt, wir gehen dann immer gleich zum nächsten Projekt über oder konzentrieren uns sofort auf ein anderes Problem – statt erstmal innezuhalten und das zu feiern, was wir gemeinsam bewegt und erreicht haben.

Wie wäre es mit einer „Wall of Success“ – wie immer diese auch aussehen mag. Bei Sportlern sind es vielleicht die Pokale oder Medaillen, die sich aneinanderreihen. Im Büro kann es die Bilderwand mit lachenden Gesichtern und kleinen Erinnerungsstücken zu den erfolgreich bewältigten Meilensteinen sein.

Erfolge sind unwahrscheinlich wichtig. Sie zahlen auf unser Selbstvertrauen ein. Vielleicht ein ganz klein wenig auch bei den Fans, die sich danach sehnen, die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft mal wieder so richtig hochleben zu lassen. Auch ich werde die aktuelle EM und bald die Olympischen Spiele aufmerksam verfolgen. Wie Sportler, Trainer, aber auch die Öffentlichkeit mit Siegen und Niederlagen umgeht.

Zu Thema passt übrigens eines meiner Lieblingszitate von Dale Carnegie ganz wunderbar:

„Die meisten wichtigen Dinge in der Welt wurden von Menschen erreicht, die es immer wieder versucht haben, als es überhaupt keine Hoffnung zu geben schien.“

Dieser Satz verkörpert für mich die Essenz der Beharrlichkeit. Das Zitat unterstreicht die außergewöhnliche Kraft von Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit und wirft ein Licht auf die Tatsache, dass viele Durchbrüche und Errungenschaften in der Geschichte nur möglich wurden, weil sich der Einzelne weigerte, aufzugeben, selbst wenn alle Hoffnung verloren schien.

Jeder Misserfolg ist dem Erfolg einen Schritt näher ... Geben Sie niemals auf!