US-Wahlen - Ein abstruses TV-Duell gegen Trump zeigt die zwei großen Probleme des Joe Biden

US-Präsident Joe Biden (r) und der ehemalige US-Präsident Donald Trump nehmen an einer von CNN veranstalteten Präsidentschaftsdebatte teil<span class="copyright">Gerald Herbert/AP/dpa</span>
US-Präsident Joe Biden (r) und der ehemalige US-Präsident Donald Trump nehmen an einer von CNN veranstalteten Präsidentschaftsdebatte teilGerald Herbert/AP/dpa

Joe Biden wirkt gebrechlich, Donald Trump lügt pausenlos: Die erste TV-Debatte zur US-Präsidentschaftswahl verläuft auf ihre eigene Art ohne Überraschungen. Für Amtsinhaber Biden ist das ein Problem - auch weil der ausstrahlende Sender CNN versagt.

Die gute Nachricht für Joe Biden zu Beginn: Studien zufolge haben die traditionellen TV-Duelle zur Präsidentschaftswahl fast keine Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Amerikaner. Für den Amtsinhaber kann das aber nur ein schwacher Trost sein. Denn natürlich hatte das Biden-Lager sich von diesem Duell im Nachrichtensender CNN mehr versprochen, vielleicht sogar auf den endgültigen Höhepunkt der Aufholjagd gehofft. In den Umfragen liegt der Präsident nur noch wenige Zehntel Prozentpunkte hinter Herausforderer Donald Trump, der Vorsprung des Republikaners war in den letzten Wochen zusammengeschmolzen.

Und dann? Beginnt Biden diese Debatte so blass und kraftlos, dass die schlimmsten Alpträume seiner Strategen wahr werden. Immer wieder muss sich Biden räuspern, spricht gleichzeitig schnell und leise, verhaspelt sich, muss Sätze von vorne beginnen. Als Biden gleich zu Beginn eine Antwort zum Thema Migration und Grenzkontrollen in den Sand setzt, erwidert Trump: „Ich habe jetzt wirklich nicht verstanden, was er gesagt hat. Aber ich glaube, er hat es selbst nicht verstanden.“

Die Erkältungs-Ausrede

Genau dieses Szenario wollte das Biden-Lager eigentlich vermeiden. Umfragen zeigen immer wieder, dass sich die US-Wählerinnen und -Wähler sorgen, der 81 Jahre alte Präsident könnte zu betagt für eine zweite Amtszeit sein. Mit einer energetischen, durchsetzungsstarken, charismatischen Performance hätte er diese Bedenken zerstreuen können - stattdessen wirkte Biden zu Beginn, als sei er 90 und nicht 80.

Zu diesem Zeitpunkt, noch nicht einmal 20 Minuten nach Beginn der Debatte, lassen Kreise in Bidens Demokratischer Partei bereits zweierlei an US-Medien durchsickern. Erstens: Biden sei erkältet, das erkläre seine leise Stimme sowie seine Verfassung. Zweitens: Innerhalb der Partei herrsche nackte Panik, es würden schon Überlegungen angestellt, nicht doch noch jemand anderes ins Wahlrennen zu schicken. Biden ist - wie Trump - noch nicht offiziell durch seine Partei zum Kandidaten nominiert.

Plötzlich geht es um Sex mit Pornostars

Die Panik war vielleicht verfrüht, denn nach dem schwachen Auftakt steigert sich der Amtsinhaber merklich. Bei den ersten erwartbaren Fragekomplexen wie Migration und Inflation wirkt Biden fast schon übervorbereitet, spult schnell seine Antworten runter - und verhaspelt sich ständig. Doch dann wird der Abend zum Rede-Duell mit Trump, es sind Spontanität und schnelles Denken gefragt.

Dort kann Biden plötzlich punkten, etwa als es um das für Trump schwierige Thema Abtreibungsrecht geht. Der von Trump-Richtern dominierte Oberste Gerichtshof hatte 2023 einen 51 Jahre lang bestehenden Abtreibungs-Kompromiss für nichtig erklärt, das Entsetzen in der Bevölkerung war groß. „51 Jahre lang gab es einen Konsens, und dann hat er ihn wegnehmen lassen. Was macht er als Nächstes?“, sagt Biden zu der möglicherweise wahlentscheidenden Frage. Trumps republikanische Partei bereite im Kongress schon ein komplettes Abtreibungsverbot vor, sagt Biden - „er wird dieses Gesetz unterzeichnen, ich werde ein Veto dagegen einlegen.“

Wann immer Trump zu einer Falschbehauptung ansetzt, wird Biden merklich wütend, für seine Performance ist das nur hilfreich. Gewissermaßen ist es also Bidens großes Glück, dass Trump aus dem Lügen gar nicht mehr herauskommt. Joe Biden wolle Abtreibungen bereits geborener Babys ermöglichen, behauptet Trump etwa an einer Stelle. Biden kann nur ungläubig zu seinem Kontrahenten blicken, sein Mikrofon ist während Trumps Antwort abgeschaltet.

Das westliche Militärbündnis Nato hätte kurz vor der Insolvenz gestanden, sagt Trump außerdem, seine Steuersenkungen für Gutverdiener hätten einen Aufschwung in der US-Wirtschaft herbeigeführt, Biden habe die Staatsschulden auf Rekordhöhe katapultiert, beim Sturm aufs Kapitol habe er eigentlich die Nationalgarde einsetzen wollen, seine von TV-Kameras aufgezeichneten meistkritisierten Aussagen habe er niemals getätigt, und, auch das ist Teil dieser TV-Debatte: Er habe niemals Sex mit einem Pornostar gehabt. Das alles ist falsch (auch der Pornostar behauptet vor Gericht etwas anderes).

„Wir hatten H2O“

Ohnehin ist klar: Der 78-jährige Donald Trump hat ebenfalls seine Mühen damit, kohärent Fakten darzulegen. Trumps Performance ist gewissermaßen das Gegenteil von Biden: Nach einem strukturierten, energetischen Auftakt wird der Ex-Präsident stetig wirrer, immer öfter geraten seine Antworten zum Wortsalat. Der Frage, was er für den Klimaschutz zu tun gedenke, weicht Trump mehrfach aus, bevor er antwortet: „Während meiner vier Jahre hatten wir die besten Umweltzahlen aller Zeiten. Wir hatten H2O. Es war sauberer als je zuvor.“

Bidens zweites Problem dieses Abends ist jedoch: Der TV-Sender CNN sanktioniert Trumps Lügen nicht. Drei Werbepausen legt CNN während der Debatte ein, eine Pause für Faktenchecks gibt es jedoch nicht. Auch die Moderatoren Dana Bash und Jake Tapper greifen nicht ein, wenn einer der beiden Kandidaten eine Falschaussage tätigt. Für Trump ein klarer Vorteil.

CNNs großer Fehler

Immerhin: Dass Trump eine Gefahr für die US-Demokratie ist, wie Biden immer wieder hervorzuheben versucht, diesen Beweis erbringt Trump praktischerweise selbst. Bei Fragen nach seiner Verantwortung zum gewalttätigen Sturm aufs US-Kapitol am 6. Januar 2021 weicht Trump immer wieder aus, behauptet wahrheitswidrig, selbst führende Demokraten hätten ihn von jeglicher Schuld freigesprochen. Und als er gefragt wird, ob er das Ergebnis der Wahl akzeptieren werde, auch im Falle einer Niederlage, antwortet Trump erst bei der dritten Nachfrage: „Wenn es eine faire und legale und gute Wahl ist - dann absolut. Dann hätte ich es viel eher akzeptiert - aber die Wahlfälschungen und alles andere waren absurd.“ (Auch vier Jahre nach Trumps Niederlage bei der US-Wahl 2020 gibt es weiterhin keine Hinweise auf systematische Wahlfälschungen.)

Dass Trump kritischen Fragen so oft ausweichen kann, ist Resultat eines taktischen Fehlers, den CNN gleich zu Beginn begeht. Als Trump bei seiner zweiten Frage nachhakt, ob er zuvor noch kurz auf eine Aussage Bidens antworten dürfe, erklärt ihm Tapper, dass es den Kandidaten freisteht, wie sie die ihnen zustehende Antwortzeit pro Frage nutzen. Die Folge: Vor allem Trump beantwortet oft einfach die Fragen nicht, die ihm gestellt werden. Als Trump gefragt wird, wie er die für US-Eltern explodierenden Kosten der Kinderbetreuung in den Griff bekommen will, ignoriert er die Frage gleich zweimal - und spricht lieber darüber, dass Biden mehr Generäle und FBI-Mitarbeiter hätte feuern sollen.

Ein lebendigerer Kontrahent hätte diesen Moment für sich nutzen können, hätte herausstellen können, dass Trump sich offenkundig mehr für krude Verschwörungstheorien aus dem Internet interessiert als für die Sorgen einfacher US-Familien. Doch Joe Biden ist an diesem Abend nicht jener Kontrahent.