"Vernachlässigt, verharmlost, ignoriert": Umweltministerin Lemke macht GroKo für Höhenflug der AfD verantwortlich

Sind die Grünen Schuld an einer wachsenden Polarisierung? Bundesumweltministerin Steffi Lemke verteidigte ihre Partei bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Sind die Grünen Schuld an einer wachsenden Polarisierung? Bundesumweltministerin Steffi Lemke verteidigte ihre Partei bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Der aktuelle NATO-Gipfel sorgt für jede Menge Gesprächsstoff. Bei "Markus Lanz" sprach Grünen-Politikerin Steffi Lemke am Dienstagabend unter anderem über weitere Waffenlieferungen. Sie äußerte sich zudem offen über die jüngsten Wahlerfolge der AfD und die damit einhergehende Polarisierung im Land.

Am Montagabend war die Überraschung groß, als Nato-Chef Jens Stoltenberg verkündete, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Weg für Schweden in die NATO frei mache. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Deutschland der Ukraine weitere Waffen, Munition und militärische Ausrüstung im Wert von knapp 700 Millionen Euro sende. Bei "Markus Lanz" äußerte sich nicht nur Grünen-Politikerin Steffi Lemke zu den jüngsten Entwicklungen - auch Militärexperte Sönke Neitzel vertrat am Dienstagabend eine klare Meinung und brachte seine Verwunderung über Erdogans Entscheidung zum Ausdruck.

"Das ist so ein bisschen bizarr", so Neitzel im Gespräch mit Markus Lanz. Der ZDF-Moderator wollte wissen: "Was ist da passiert hinter den Kulissen?" Der Militärexperte antwortete verhalten: "Man wird da wahrscheinlich ein Paket geschnürt haben." Bürgerrechtlerin Irina Scherbakowa merkte daraufhin an, wie Erdogans Handeln bei Russlands Präsident Wladimir Putin angekommen sein könnte. Putin habe laut Scherbakowa mit dem Krieg in der Ukraine das Gegenteil davon erreicht, was er eigentlich wollte: "Er wollte keine NATO-Truppen an den Grenzen haben." Laut Informationen von Journalist Michael Bröcker habe auch Erdogan selbst den Wunsch geäußert, perspektivisch in die EU zu kommen:"Erdogan spielt jetzt gerade wieder mit einer neuen Nähe Richtung Europa. Mal gucken, ob's funktioniert."

Die Ampelkoalition habe "offenbar an den Köpfen der Menschen und des Bundestags" vorbei regiert, stellte Journalist Michael Bröcker fest. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Die Ampelkoalition habe "offenbar an den Köpfen der Menschen und des Bundestags" vorbei regiert, stellte Journalist Michael Bröcker fest. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Sönke Neitzel: "Es geht um Kämpfen, Töten und Sterben"

Mit Blick auf die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine stellte Markus Lanz klar, dass bei den Grünen "deutlich mehr Klarheit" herrsche als bei der SPD. Michael Bröcker stimmte zu und ergänzte: "Man muss sich schon positiv wundern über die Wandlung der Grünen bei dem Thema in den letzten anderthalb Jahren. Ich erlebe ja kaum noch grüne Spitzenpolitiker, die diese Art von Härte - auch militärpolitischer, abschreckender Härte - nicht gut und richtig finden."

Laut Grünen-Politikerin Steffi Lemke habe am 24. Februar 2022, dem Kriegsbeginn in der Ukraine, "ein Paradigmenwechsel" in der deutschen Politik stattgefunden. Seit diesem Zeitpunkt gebe es "in allen Parteien veränderte Sichtweisen, veränderte Entscheidungsstrukturen, Diskurse", so Lemke. Lanz sprach daraufhin die aktuelle Situation in der Ukraine an und stellte klar: "Das ist ein unvorstellbares Blutvergießen." Auch Militärexperte Neitzel gab zu: "Es geht um Kämpfen, Töten und Sterben." Irina Scherbakowa stimmte nachdenklich zu: "Das ist ein Vernichtungskrieg."

"Es geht um Kämpfen, Töten und Sterben": Militärexperte Sören Neitzel sprach bei Markus Lanz über die Brutalität des Ukraine-Kriegs. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
"Es geht um Kämpfen, Töten und Sterben": Militärexperte Sören Neitzel sprach bei Markus Lanz über die Brutalität des Ukraine-Kriegs. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Michael Bröcker: "So eine Polarisierung habe ich noch nie erlebt"

Die Unsicherheit, die der russische Angriffskrieg aktuell vor allem in Europa auslöst, brachte Lanz schließlich auf die immer stärkere Polarisierung und Spaltung in Deutschland zu sprechen. Der ZDF-Moderator wollte von Grünen-Politikerin Steffi Lemke wissen, wie es passieren konnte, "dass die grüne Partei derart zum Feindbild wurde". Lemke reagierte verhalten und gab in Bezug auf das umstrittene Heizungsgesetz zu, dass "kommunikative Fehler" seitens der Ampel-Regierung gemacht wurden. Sie fügte hinzu: "Man kann ja in solchen Zeiten nicht Politik machen, ohne zu hinterfragen, ob man richtige oder falsche Entscheidungen getroffen hat und ob das Ziel, das man verfolgt, in dem Tempo, mit dem Instrument tatsächlich das Richtige ist."

Journalist Michael Bröcker kritisierte daraufhin die Politik der Ampel-Regierung und stellte klar, dass sich das Land aufgrund der vielen Krisen "für überfordert" halte und jetzt mit "sehr scharfen, (...) schnellen ökologischen Ziele der Grünen" konfrontiert werde, "die dann sofort in Gesetze verpackt werden". Bröcker warnte davor, dass sich bei einer steigenden Polarisierung immer mehr Bürger "wie in ideologischen Schützengräben gegenüberstehen und sich wirklich das Schwarze unter den Fingernägeln nicht mehr gönnen und sich ablehnen in ihren Argumenten."

Dem widersprach Steffi Lemke, die im Gespräch mit Lanz anmerkte, dass sie seit Jahren einen Höhenflug der AfD erlebe und die Entwicklung vor allem von der Großen Koalition "über viele Jahre vernachlässigt, verharmlost, ignoriert worden" sei. "Wir warnen seit Jahren davor, dass die AfD weiter erstarken wird, dass die Polarisierung in der Bevölkerung weiter zunehmen wird", so die Politikerin selbstbewusst. Dies wollte Bröcker jedoch nicht unkommentiert lassen. Er konterte abschließend mit ernstem Blick: "So eine Polarisierung habe ich noch nie erlebt!"

Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (links) mit (von links) Bundesumweltministerin Steffi Lemke, Bürgerrechtlerin Irina Scherbakowa, Militärexperte Sören Neitzel und Journalist Michael Bröcker. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Am Dienstagabend diskutierte Markus Lanz (links) mit (von links) Bundesumweltministerin Steffi Lemke, Bürgerrechtlerin Irina Scherbakowa, Militärexperte Sören Neitzel und Journalist Michael Bröcker. (Bild: ZDF / Markus Hertrich)