Menschen und Tiere betroffen - Tödlicher als Corona! Was Sie über Vogelgrippe wissen sollten

Die Vogelgrippe ist einer der Kandidaten, um die nächste Pandemie auszulösen<span class="copyright">Getty Images</span>
Die Vogelgrippe ist einer der Kandidaten, um die nächste Pandemie auszulösenGetty Images

Die Zeit der Coronatests, Masken und Lockdowns ist vorbei. Mit der nächsten Pandemie möchte sich derzeit noch keiner beschäftigen. Doch sie wird kommen, sagen Experten. Möglicherweise breitet sie sich in den USA bereits aus - und wird früher oder später weltweit zum Problem. Die Rede ist von der Vogelgrippe.

Was wir derzeit über das Vogelgrippevirus H5N1 wissen

Immer wieder sorgt die Vogelgrippe auch in Deutschland für Aufsehen. Im vergangenen Herbst und Winter wurden allein in Schwerin rund 138.000 Tiere aufgrund eines Ausbruchs getötet, wie das dortige Landwirtschaftministerium berichtet. Doch Vogelgrippe wütet längst nicht mehr nur auf Geflügelhöfen.

1. Das Virus H5N1 kann sich von Tieren auf den Menschen übertragen, aber nicht von Mensch zu Mensch

Seine ersten Opfer waren Hühner. Das war 1959. Demzufolge trägt die Krankheit, die das Virus H5N1 auslöst, noch heute den Namen „Vogelgrippe“. Doch es ist längst nicht mehr nur Geflügel, das sich mit dem Virus ansteckt und teils schwer erkrankt. Mittlerweile konnte es in den USA auch in Milchkühen nachgewiesen werden, unter denen es sich offenbar schnell ausbreitet. Die Übertragung von Kuh zu Kuh könnte über Melkmaschinen geschehen, denn das Virus befällt vor allem die Euter der Tiere.

„So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt“, sagt Virologe Christian Drosten im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

Auch in Katzen und Mäusen sowie vereinzelt in Schweinen, Hunden, Pferden, Bären und Füchsen soll das Virus bereits nachgewiesen worden sein. Vogelgrippefälle bei Menschen sind ebenfalls bekannt - mit unterschiedlich schweren Verläufen. Die Weltgesundheitsorganisation zählt 463 Todesfälle durch Vogelgrippe im Zeitraum der letzten 21 Jahre, dokumentiert in 23 Ländern.

Im Gegensatz zum Coronavirus überträgt sich H5N1 nach aktuellem Kenntnisstand nicht von Mensch zu Mensch. Wer sich ansteckt, hatte in der Regel engen Kontakt zu erkrankten oder toten Tieren, arbeitete etwa auf einer betroffenen Geflügelfarm und atmete dort verunreinigten Staub ein oder kam in Kontakt mit dem Kot der Tiere.

Da sich die Vogelgrippe auf den Atemtrakt auswirkt, gehen Wissenschaftler jedoch davon aus, dass eine Übertragung auf andere Menschen nicht komplett ausgeschlossen ist - etwa über ausgeatmete Luft oder schleimigen Auswurf beim Husten. Es wurden allerdings noch keine Fälle dokumentiert, bei denen sich Menschen untereinander angesteckt hatten.

2. Erste Symptome wie Fieber und Husten treten etwa fünf Tage nach einer Ansteckung auf

Von der Ansteckung bis zu den ersten Symptomen vergehen in der Regel fünf Tage, erklärt das  Robert-Koch-Institut (RKI) . Als typische Beschwerden nennt es:

  • Fieber

  • Husten

  • Atemnot

  • Übelkeit

  • Erbrechen

  • Durchfall

Daneben können weitere klassische Grippe-Symptome auftreten, etwa Hals-, Kopf- und Muskelschmerzen. Auch eine Bindehautentzündung ist eine mögliche Folge.

Die Rezeptoren, an die der Erreger im menschlichen Körper anheften kann, befinden sich in den unteren Atemwegen. Demnach sind diese meist betroffen. Die Sterblichkeit liegt laut RKI je nach Virustyp bei 20 bis 60 Prozent – und ist damit „relativ hoch“.

Es ist daher extrem wichtig, das Virus möglichst frühzeitig, innerhalb der ersten 48 Stunden zu behandeln. Wie auch bei der „normalen Grippe“ greifen Ärzte zu antiviralen Medikamenten.

3. Supermarkt-Milch von infizierten Kühen macht wahrscheinlich nicht krank

Ist es gefährlich, Eier von erkrankten Hühnern zu essen oder Milch von erkrankten Kühen? Das Bundesinstitut für Risikobewertung, kurz BfR, sagt dazu: „Grundsätzlich kann eine Übertragung des Erregers über infizierte Lebensmittel nicht ausgeschlossen werden. Infektionen des Menschen mit dem Vogelgrippe-Virus sind aber selten und der direkte und enge Kontakt mit infiziertem Geflügel oder anderen Tierarten scheint der hauptsächliche Übertragungsweg auf den Menschen zu sein. Dem BfR liegen bisher keine Daten vor, die belegen, dass sich Menschen über Lebensmittel mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert hätten und erkrankt wären.“

Hierzulande geht derzeit ohnehin keine Gefahr von Lebensmitteln aus. Aktuell sind nur Fälle aus den USA bekannt, wo sich Rinder mit Vogelgrippe angesteckt hatten und das Virus anschließend auch in Supermarkt-Milch nachgewiesen werden konnte. Milchbetriebe in Deutschland sind nicht davon betroffen. In den USA kann es vorsorglich sinnvoll sein, bestimmte Lebensmittel vor dem Verzehr so zuzubereiten, dass das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich ist. Das BfR nennt hierfür folgende Maßnahmen:

  • Geflügel sollte für mindestens zwei Minuten eine Kerntemperatur von mindestens 70 Grad erreichen. Wenn das Fleisch keine rote beziehungsweise rosa Farbe mehr hat, wurde es ausreichend erhitzt.

  • Eier am besten so lange kochen, bis Eiweiß und Eigelb fest sind. Auf Produkte mit rohen Eiern (Eischnee, Tiramisu) lieber verzichten.

  • Bei Milch keine Rohmilch kaufen, sondern pasteurisierte Milch. Diese Milch wurde auf bis zu 75 Grad erhitzt. Die Viren scheinen den Prozess zwar zu überleben - in betroffenen Regionen der USA konnten in jeder fünften Milchpackung im Supermarkt Vogelgrippeviren nachgewiesen werden - doch das Pasteurisieren „scheint das Übertragungsrisiko intakter Viren tatsächlich auszuschalten“, wie das BfR berichtet.

4. Das Virus verändert sich ständig und kann aggressiver werden

Bereits in den Jahren 1959 und 1991 war es in Großbritannien auf zwei Geflügelfarmen zu Ausbrüchen von H5N1 gekommen. In Asien traten Vogelgrippefälle in den Jahren 1997 und Anfang der 2000er auf.

Wie alle Grippeviren besitzt auch das Vogelgrippevirus die Eigenschaft, sich zu verändern, an Umweltbedingungen anzupassen und aggressiver zu werden. Derzeitige Krankheitsfälle gehen nicht nur auf H5N1 zurück, sondern auch auf den verwandten Subtypen H5N2. An dieser Virusvariante verstarb im April 2024 ein Mann in Mexiko.

Kühe infizieren sich zwar immer wieder mit Grippeviren - allerdings mit Influenza D. H5N1 und H5N2 gehören zur Gruppe Influenza A. Für diese sind Kühe normalerweise nicht empfänglich. Die aktuelle Entwicklung in den USA zeigt, dass das Virus mutiert und mittlerweile die Fähigkeit erlangt hat, auch Kühe zu infizieren. Mit jeder Mutation wächst auch die Gefahr, dass ein Subtyp auftritt, der für den Menschen gefährlich wird. Forscher müssen daher die vielen Subtypen genau im Auge behalten.

Was wir derzeit noch nicht über das Vogelgrippevirus H5N1 wissen

1. Wie wird sich H5N1 ausbreiten?

Die rasante Ausbreitung unter Milchkühen ist derzeit nur in den USA bekannt, doch Fälle von H5N1 gibt es weltweit. Und sie könnten sich mehren.

Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald erklärt 2023 im Gespräch mit „Deutsche Welle“: „Durch die enorme Expansion der Geflügelproduktion weltweit, aber vor allem in China und Südostasien, kam es zu der dramatischen Ausbreitung des aktuellen hochpathogenen, also besonders aggressiven Erregers.“ Harder ist Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza.

Zugvögel tragen das Virus in die ganze Welt, erklärt er: „Durch die speziellen Haltungsformen in Asien, wenn zum Beispiel die Enten auf abgeerntete Reisfelder getrieben werden, kommt es immer wieder zu großen Schnittstellen zwischen Wildvogel-Populationen und infizierten Nutztiervögeln. Das hat zum Übertritt des Virus auf Wildtiere geführt, das dann mit den Zugvögeln weiterverbreitet wird.“

Früher sei die Vogelgrippe meist nur im Herbst und Winter aufgetreten, sie kam mit den Zugvögeln aus Nordosten und verschwand wieder, wenn die Tiere im Frühjahr zurückflogen. Diese Saisonalität gebe es mittlerweile nicht mehr. „Dieses Virus hat es geschafft, sich sehr gut an im Wasser lebende Wildvogel-Populationen anzupassen und ist dort jetzt ganzjährig anzutreffen. Das ist mittlerweile in Nordamerika der Fall, und das wird sich auch in Südamerika dahingehend weiterentwickeln“, erklärt Harder.

2. Was ist notwendig, damit H5N1 nicht die nächste Pandemie auslöst?

Wie, ob und wann die Vogelgrippe pandemisches Potential bekommt, ließe sich schlecht vorhersagen, erklärt Timo Ulrichs im Gespräch mit FOCUS online. Er ist Virologe und Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologe. Fest steht für Ulrichs allerdings: „Sollte das Vogelgrippevirus auf den Menschen übergehen und eine Pandemie bewirken, sieht dagegen die Coronapandemie wie ein Spaziergang aus.“ Die Letalität von Vogelgrippe sei viel höher als bei Corona. Damit meint Ulrichs das Verhältnis der Todesfälle zur Zahl der Erkrankten.

Die Mitgliedstaaten der WHO ziehen aktuell ihre Lehren aus der Corona-Pandemie - und wollen das nächste Mal besser auf eine globale Gesundheitskrise vorbereitet sein. Es soll gemeinsame Regeln und Maßnahmen geben, um eine Pandemie effektiver zu bekämpfen. Doch das Abkommen, welches im Mai 2024 geschlossen werden sollte, ist zunächst gescheitert. Es folgt ein neuer Anlauf.

Wichtig erscheinen im Kampf gegen H5N1 - wie auch bei Corona - lückenlose Tests. Nur so zeigt sich ein realistisches Bild der Ausbreitung, lassen sich Ansteckungswege nachverfolgen und künftige Infektionen vermeiden. Derzeit gibt es in den USA, wo sich das Virus unter Milchkühen ausbreitet, keine verpflichtenden Tests. Nicht für Menschen und Tiere in den betroffenen Betrieben und schon gar nicht für Familienangehörige mit Kontakt zu Infizierten.

Einen Impfstoff gegen H5N1 gibt es bereits. Die EU bestellte jetzt 665.000 Impfdosen gegen die Übertragung der Vogelgrippe von Tieren auf Menschen. Sie sind für diejenigen bestimmt, deren Risiko besonders hoch ist, etwa Mitarbeitende von Geflügelfarmen oder Tierärzte. „Ziel ist es, die Ausbreitung oder mögliche Ausbrüche der Vogelgrippe in Europa zu verhindern und die Bürger und ihre Lebensgrundlagen zu schützen“, so die EU-Kommission. Deutschland sicherte sich davon bislang keine Impfdosen.