Wechselmodell als Friedensbringer? - Bleibende Schäden drohen! Einen Fehler dürfen getrennte Eltern nicht machen

Streitigkeiten, die bei einem Paar letztlich zur Trennung geführt haben, werden häufig fortgeführt. Dabei wird oft übersehen, dass die gemeinsamen Kinder darunter leiden.<span class="copyright">Getty Images/Nastasic</span>
Streitigkeiten, die bei einem Paar letztlich zur Trennung geführt haben, werden häufig fortgeführt. Dabei wird oft übersehen, dass die gemeinsamen Kinder darunter leiden.Getty Images/Nastasic

In familiären Konflikte stehen oft die Kinder im Zentrum. Anwältin Sandra Günther diskutiert, wie Eltern Loyalitätskonflikte vermeiden und das Wohl der Kinder schützen können.

Wie kann man als Elternteil einen Loyalitätskonflikt bei Kindern vermeiden oder lösen?

Getrenntlebende Elternteile haben es oft nicht einfach. Streitigkeiten, die letztlich zur Trennung geführt haben, werden fortgeführt und dabei wird oft übersehen, dass die gemeinsamen Kinder darunter leiden. In dem Moment, wo ein Elternteil den anderen Elternteil vor den Kindern schlecht macht, diesen abwertet und beleidigt, kann der Grundstein für die Entstehung des sogenannten Loyalitätskonfliktes gelegt werden.

Kinder bekommen in einer andauernden Konfliktsituation zwischen den Eltern Angst, die Zuneigung eines Elternteils zu verlieren, sofern sie sich dem anderen verbunden fühlen und dies auch zeigen. Das oberste Ziel getrenntlebender Eltern sollte somit sein, gemeinsamen Kindern zu signalisieren: „Es ist ok, wenn Du beide Elternteile liebst.“

Kinder müssen fühlen, dass es für ihre Eltern in Ordnung ist, wenn sie beide Elternteile lieben. Dieses Recht darf Kindern niemals genommen werden.

Es ist verwerflich, wenn Elternteile gemeinsame Kinder dahingehend manipulieren, den anderen Elternteil abzulehnen. Diese egoistisch motivierten Verhaltensweisen sind leider oft schwer nachweisbar. Dies macht es in familienrechtlichen Verfahren so schwierig, denn wie soll man die Manipulation bei Kindern durch Fakten nachweisen. Ohne Sachverständigengutachten ist dies nahezu unmöglich.

Die Familienrichter springen auf einen derartigen Einwand in Richtung bewusster Entfremdung des Kindes von einem Elternteil oft auch kaum ein. Ich kann nur an alle Eltern appellieren, ihre Kinder nicht als ihren Besitz anzusehen, und ihren Kindern zu gönnen, Papa und Mama gleichermaßen lieben zu dürfen.

Wenn sich Kinder bereits in einem Loyalitätskonflikt befinden, der auch ohne Zutun der Eltern vorliegen kann, gibt es psychologische Beratungsstellen, die dabei helfen, dieses Problem kindgerecht zu lösen. Leider sind die Anlaufstellen oft so überlaufen, dass es lange Wartezeiten gibt. Deswegen sollten Eltern, wenn sie merken, dass sich ein Loyalitätskonflikt anbahnt, ihre eigenen Probleme hinten anstellen. Sie sollten aufhören, den Anderen schlecht zu machen und abzuwerten und damit beginnen, vor den Kindern wertschätzend miteinander umzugehen. Wenn dies nicht gelingt, können Kinder bleibende emotionale Schäden davontragen. Das kann doch nicht das Ziel sein, oder?!

Was bedeutet der Begriff 'Hochstrittig' im Kontext von Familienkonflikten und wie wirkt sich das auf das Kindeswohl aus?

Hochstrittige Elternkonflikte sind vor den Familiengerichten an der Tagesordnung. Hochstrittig bedeutet dabei, dass die gemeinsamen Kinder und deren Wohl bei mindestens einem Elternteil, im schlechtesten Fall bei beiden Elternteilen, nicht mehr im Fokus stehen. Eine weitere Voraussetzung ist es dabei, dass langanhaltende, meist auch gerichtliche, Auseinandersetzungen bestehen und das Streitniveau auch nicht abnimmt. Im Klartext heißt das, das Eltern sich beschimpfen, sich nicht an Absprachen halten, ihre eigene Macht demonstrieren wollen und dem anderen Elternteil misstrauen und ihm oft auch absprechen, ein guter Elternteil zu sein.

Ein Kind, welches in einem solchen Spannungsverhältnis aufwächst, kann sich emotional nicht gut entwickeln. Es muss zu jeder Zeit damit rechnen, dass Streit zwischen den Elternteilen ausbricht. Sie erleben eine weinende Mutter und einen anklagenden Vater. Sie wissen nicht, wem sie sich anschließen sollen und spüren, dass der eine Elternteil nicht damit einverstanden ist, dass der andere Elternteil genauso geliebt wird.

Das Kindeswohl ist durch ein solches Verhalten der Eltern massiv gefährdet. Ich bin teilweise sprachlos über was hochstrittige Eltern in Streit geraten können. Da geht es plötzlich um Übergabeorte, die Verweigerung, dem Kind angemessene Kleidung mitzugeben, um dem Anderen eins auszuwischen und vieles mehr.

Familienrichter, Rechtsanwälte und Verfahrensbeistände sind oft ratlos und nicht mehr in der Lage, die Betroffenen verbal und emotional zu erreichen. Es gibt Familienrichter, die geben derartig ausufernden Streitigkeiten keinen Raum und äußern sich ganz klar, dass sie ein derartiges Theater in ihrem Sitzungsaal nicht akzeptieren.

Eine derartige Vorgehensweise ist häufig zielführender, da die Betroffenen dann merken, wie sie im Außen wahrgenommen werden und dass es für sie keine Plattform mehr gibt, ihren Kampf auszutragen. Wenn Familienrichter deutlich machen, dass sie im schlimmsten Fall das Sorgerecht entziehen, wenn sich die Verhaltensweisen der Eltern nicht ändern, kann dies dabei helfen, dass Eltern sich disziplinieren. Leider klappt dies aber nicht immer.

Wie kann Fairness im Umgangsrecht gewährleistet werden, um das Wohl des Kindes zu sichern?

Wenn sich Eltern getrennt haben, dann geschieht dies häufig nicht in Frieden und Einigkeit. Von Fairness wollen viele Betroffene oft kein Wort hören. Verletzte Gefühle und enttäuschte Emotionen führen wechselseitig dazu, dass keiner nachgeben möchte. Wenn es um gemeinsame Kinder geht, wollen sich viele Elternteile oft wechselseitig eins auswischen. Sie wollen zeigen, wer besser erziehen kann, sie wollen zeigen, zu wem das Kind die bessere Bindung hat, und sie wollen demonstrieren, wie schlecht der jeweils Andere einen Zugang zu den gemeinsamen Kindern hat.

Damit es beim Umgangsrecht fair zugehen kann, müssen Eltern bereit sein, ihre Paarebene hinter sich zu lassen und sich einzig und allein auf der Elternebene begegnen. Dies fordert von den Betroffenen, dass sie wechselseitig von ihren Standpunkten Abstand nehmen und sich für die gemeinsamen Kinder dazu entscheiden, das Umgangsrecht fair und flexibel zu gestalten. Aber machen wir uns nichts vor: Dies ist oft ein Wunschdenken. Die intelligentesten und beruflich fähigsten Menschen bekommen es oft nicht hin, sich für gemeinsame Kinder zusammenzureißen und gemeinsam mit dem anderen Elternteil eine gute Umgangsregelung für die gemeinsamen Kinder zu finden. Traurig, aber wahr.

Auch Elternberatungsstellen gelangen an ihre Grenzen. Viele Ex-Paare sind beratungsresistent. Damit müssen gemeinsame Kinder dann lernen, zu leben. Es wird zu einem Lebensthema für die Kinder. Sie werden das, was sie mit ihren Eltern erleben, als Beziehungsmuster speichern. Ob diese Kinder dann jemals eine glückliche, gesunde Beziehung führen können, ist fraglich.

Wenngleich es leider viel zu viele Elternpaare gibt, die dauerhaft streiten, gibt es auch diejenigen, die das Umgangsrecht optimal für ihre Kinder regeln können und sich dabei selbst zurücknehmen. Schade, dass dies der Mehrheit nicht gelingt. Fairness bedeutet, dass die Elternteile sich wechselseitig in ihrer Rolle akzeptieren und respektieren. Wenn das gelingt, ist das Kindeswohl geschützt und Kinder können trotz einer Trennung glücklich und zufrieden aufwachsen.

Welche Rolle spielt das Familienrecht bei der Lösung von Konflikten zwischen Elternteilen, insbesondere in Bezug auf das Wechselmodell?

Die Wahrheit ist, dass das Familiengericht massive Konflikte zwischen Elternteilen nur bedingt lösen oder abfedern kann. Das familienrechtliche System hat hierzu Hilfen installiert. Es gibt Anlaufstellen beim Jugendamt und weitere Elternberatungsstellen. Dann gibt es die Verfahrensbeistände, die sogenannten Anwälte der Kinder in familienrechtlichen Verfahren, die versuchen, zerstrittene Elternteile auf einen Nenner zu bringen. Letztlich gibt es in der familienrechtlichen Sitzung die Möglichkeit für Eltern, gemeinsam mit dem Familienrichter und den sonstigen Beteiligten eine Lösung für bestehende Probleme zu finden.

Es hilft jedoch Alles nichts, wenn die Betroffenen nicht bereit sind, mitzuarbeiten. Die Tatsache, dass das Wechselmodell immer mehr zum Thema und zu einer realistischen Möglichkeit wird, vereinfacht die Situationen nicht. Bislang waren die meisten Familienrichter auf dem Standpunkt, dass bei Hochstrittigkeit kein Wechselmodell möglich ist, da dies den betroffenen Kindern mehr schaden als nutzen würde. Ich habe nun aber einige Fälle erlebt, wo gerade weil es so hochstrittig zwischen den Eltern war, dass Wechselmodell installiert wurde.

Durch einen Wechsel im Wochenrythmus werden nämlich Übergabesituationen entzerrt, gemeinsame Kinder bekommen nicht mehr so viel Streit zwischen den Elternteilen mit und davon profitiert das Kindeswohl. Ich bin froh, dass Familienrichter auch anders entscheiden. Wäre weiterhin immer an dem Merkmal der Hochstrittigkeit festgehalten worden, hätten Betroffene einfach behaupten und provozieren können, dass die Kommunikation mit dem anderen Elternteil gestört ist und hätten damit dann immer erreichen können, dass Anträge auf Einrichtung des Wechselmodells abgelehnt werden.

Das Familienrecht erfährt derzeit diverse Änderungen in der Ausgestaltung. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung die Familienrichter entscheiden und wie die Oberlandesgerichte auf den einen oder anderen Beschluss reagieren. Für derzeit Betroffene, die für das Wechselmodell kämpfen, lohnt es sich unbedingt, dran zu bleiben.