"Willkürlicher" Grenzwert? ARD-Doku warnt vor Autounfällen durch Cannabis-Konsum

In Deutschland ist der Cannabiskonsum seit April erlaubt. Nun soll auch der Grenzwert für den Straßenverkehr angepasst werden. (Bild: iStock / 24K-Production)
In Deutschland ist der Cannabiskonsum seit April erlaubt. Nun soll auch der Grenzwert für den Straßenverkehr angepasst werden. (Bild: iStock / 24K-Production)

Seit dem 1. April ist es in Deutschland legal, Cannabis zu konsumieren. Zudem soll der THC-Grenzwert für Autofahrer angehoben werden - eine fragwürdige Entscheidung, wie nun ein Verkehrsmediziner in einer ARD-Dokumentation warnt.

Knapp drei Monate sind vergangen, seit Cannabis im deutschen Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen wurde. Seither darf jeder Erwachsene hierzulande - unter bestimmten Bedingungen - Gras rauchen, besitzen und anbauen. Mit der Legalisierung soll nun auch der erlaubte Grenzwert für Autofahrerinnen und Autofahrer angepasst werden, von einem auf 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blut.

Die "Y-Kollektiv"-Dokumentation "Kiffer am Steuer: Legal kiffen, sicher fahren?" (abrufbar in der ARD Mediathek) stellt den neuen Grenzwert auf die Probe: Reporter Sebastian Meinberg und Hanf-Farmer Uwe testen im Film im Selbstversuch, wie sehr der Cannabiskonsum die Fahrtüchtigkeit einschränkt. Das Ergebnis ist eindeutig: Während Gewohnheits-Kiffer Uwe auch bei starkem Konsum fehlerfrei und kaum langsamer als nüchtern fährt, tut sich der Cannabis-unerfahrene ARD-Reporter im berauschten Zustand auf dem Hindernisparcours schwer.

Erkenntnisreich ist vor allem das Ergebnis der Blutuntersuchung: Trotz des Konsums gleicher Mengen Cannabis ist die THC-Konzentration bei Sebastian Meinberg (53 Nanogramm THC pro Milliliter Blut) deutlich höher als bei seinem Versuchspartner (45,6 Nanogramm THC pro Milliliter Blut).

"Das ist der Effekt durch den regelmäßigen, gewohnheitsmäßigen Konsum", erklärt der Toxikologe und Verkehrsmediziner Frank Mußhoff. Da der Körper THC auf Dauer im Fett ablagere, sei bei Gewohnheits-Kiffern ein durchgehend erhöhter Wert feststellbar. So übersteigt Uwes THC-Wert im Blut auch nach 36 Stunden Verzicht den neuen Grenzwert von 3,5.

"Ist das nicht ein Problem, dass man Dauerkonsumenten eigentlich sagt: Ehrlicherweise kannst du dann fast gar nicht mehr legal ins Auto steigen? Selbst wenn du dich fit fühlst?", hakt der Reporter nach. Mußhoff gibt ihm recht: "Das wäre die Konsequenz. Das sagt auch die EU-Führerscheinrichtlinie, dass ein regelmäßiger Konsument gar nicht geeignet ist, dass der eigentlich gar keinen Führerschein besitzen und nicht am Straßenverkehr teilnehmen sollte."

Verkehrsmediziner Frank Mußhoff: "Die 3,5 Nanogramm THC sind willkürlich"

Mit Alkohol lasse sich Cannabis nicht vergleichen, stellt Mußhoff klar. Für Letzteres gelte: "Keiner kann voraussehen, was er für eine Wirkstoffkonzentration aufnimmt." Von unerfahrenen Konsumenten gehe bereits bei einer Übersteigung des aktuell geltenden Grenzwerts von einem Nanogramm eine klare Gefahr für den Straßenverkehr aus. "Wir haben immer wieder Fälle, wo auch wirklich Unfälle passieren, weil man Entfernungen und Geschwindigkeiten falsch einschätzt." Derartige Einschränkungen seien bereits bei THC-Konzentrationen von 1,3 Nanogramm pro Milliliter Blut zu beobachten.

Den neuen Grenzwert sehe Mußhoff demnach kritisch. Der Blutwert sage "so gut wie gar nichts" über die tatsächliche Wirkung aus. Die THC-Konzentration im Blut sei "gar nicht der geeignete Biomarker", um die Tauglichkeit für den Straßenverkehr einzuschätzen. "Unwissenschaftlich ist es auf jeden Fall. Das ist ein Konstrukt und nicht durch eine wissenschaftliche Evaluation zu belegen." Mußhoff betont: "Die 3,5 Nanogramm THC sind willkürlich."