Wagenknecht verlässt die Linke und gründet eigene Partei

Jahrzehntelang war sie in der Linken, jetzt geht Sahra Wagenknecht ihren eigenen Weg. Ein neuer Verein bereitet die Gründung einer eigenen Partei vor.

Sahra Wagenknecht vollzieht mit einer Vereinsgründung wohl den ersten Schritt in Richtung einer neuen Partei. (Bild: Heiko Rebsch/dpa)
Sahra Wagenknecht will eine neuen Partei gründen. (Bild: Heiko Rebsch/dpa)

Die Politikerin Sahra Wagenknecht verlässt die Linke und gründet ihre eigene Partei. "Wir haben uns zur Gründung einer neuen Partei entschieden", sagte Wagenknecht am Montag in Berlin. Sie sei überzeugt, so wie es im Land laufe, dürfe es nicht weitergehen.

Die Entscheidung für die Partei sei gefallen, sagte auch die bisherige Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali. Es sei der Zeitpunkt gekommen, die Linke zu verlassen, fügte sie hinzu. Zugleich kündigte sie an, Wagenknecht und ihre Unterstützer seien "bereit, in der Linksfraktion zu verbleiben".

Der Verein "'Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit' wurde gegründet, um eine neue Partei vorzubereiten", hieß es in einer schriftlichen Erklärung. In Deutschland werde seit Jahren "an den Wünschen der Mehrheit vorbei regiert". Statt Leistung zu belohnen, werde von den Fleißigen zu den oberen Zehntausend umverteilt. Lobbywünsche würden bedient und öffentliche Kassen geleert. Beklagt wird ein "autoritärer Politikstil". Industrie und Mittelstand stünden auf dem Spiel.

"Viele Menschen haben das Vertrauen in den Staat verloren und fühlen sich durch keine der vorhandenen Parteien mehr vertreten", heißt es in der Erklärung weiter.

Einer Insa-Umfrage für "Bild am Sonntag" zufolge könnten sich 27 Prozent der Befragten in Deutschland vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen. Wahlumfragen sind aber generell mit Unsicherheiten behaftet.

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Parteiführung kündigt harte Konsequenzen an

Die Linke-Parteispitze will gegen die Wagenknecht-Mitstreiter vorgehen. Gegen die Beteiligten des Vereins BSW sollen Parteiausschlussverfahren eingeleitet werden, heißt es in einer Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet. Gemeinsam mit den zuständigen Gliederungen soll geprüft werden, wie Mitgliedsrechte entzogen werden können. Jene Abgeordneten, die sich an dem Verein beteiligt, werden aufgefordert, ihre über die Linke errungenen Mandate niederzulegen.

Die Parteispitze will zudem eine Mitgliederoffensive starten. Zugleich hat sie nach monatelangen Spekulationen um Wagenknechts Pläne, die die Linke lähmten, nun Klarheit. "Unser Comeback beginnt heute", heißt es in dem Papier.

Es soll laut ARD am Montag vom Geschäftsführenden Parteivorstand beschlossen werden. Parteichef Martin Schirdewan hat für 13.00 Uhr zu einem Statement geladen. "Es ist doch klar, dass diejenigen, die sich an der Bildung einer Konkurrenzpartei beteiligen, in unserer Partei nichts mehr zu suchen haben und rausfliegen werden", sagte der Parteichef bereits am Sonntag in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".

Linke sieht mögliche Wagenknecht-Partei nicht als Konkurrenz

Schirdewan erwartet eine Positionierung des Wagenknecht-Bündnisses im rechten Parteispektrum. "Wenn Sahra Wagenknecht mit ihrem Projekt Erfolg haben will, wird sie sich deutlich rechts aufstellen müssen", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). "Und alle Zeichen deuten darauf hin, dass sie genau das zu tun beabsichtigt." Das sei keine Konkurrenz für die Linke, sondern für andere, sagte Schirdewan, ohne eine Partei explizit zu nennen. "Eine linke Partei muss Menschen solidarisch zusammenführen, und sie darf sie niemals gegeneinander ausspielen."

Der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi sagte dem ZDF, Wagenknechts Politik-Angebot sei schwierig. "Sie will Flüchtlingspolitik wie die AfD machen, Wirtschaftspolitik wie Ludwig Erhard und Sozialpolitik ein bisschen wie die Linke. Und dann hat man immer die Hoffnung, man kriegt von allen drei Wählerinnen und Wählern. Da kann man sich aber auch täuschen, das kann eine Minusrechnung werden." Er glaube, dass Wagenknecht Anfangserfolge haben werde - "und dann nicht mehr".

Problem für die Linken-Fraktion

Für die Linke-Bundestagsfraktion wäre eine Parteineugründung ein Problem. Sie hat nur noch 38 Abgeordnete. Träten Wagenknecht und mehrere Unterstützer aus, würde es für die Linke nicht mehr für eine eigene Fraktion reichen. Sie könnte nur noch als Gruppe weitermachen mit weniger parlamentarischen Rechten.

Noch ist Dietmar Bartsch neben der Wagenknecht-Unterstützerin Amira Mohamed Ali Fraktionschef. Nach seinen Worten will sich die Linke in der Auseinandersetzung mit anderen Parteien nicht auf das Wagenknecht-Bündnis konzentrieren. "Die Wagenknecht-Partei wird nicht der Bezugspunkt für die Linke sein, sondern ganz klar die chaotische Politik der Ampel-Bundesregierung", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

"Die Linke wird in den Kommunen, Ländern, außerhalb der Parlamente im Interesse der Wählerinnen und Wähler solide weiterarbeiten", kündigte Bartsch an. Er verwies auf die Beteiligung seiner Partei an den Landesregierungen in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Seine Partei werde wieder "auf die Erfolgsspur" kommen, zeigte sich Bartsch überzeugt.

Im Video: Linksfraktion bereitet eigene Abwicklung vor