Doku enthüllt: In der Impf-Debatte zerbrach Joshua Kimmichs Vertrauen zum FC Bayern

Eine neue ZDF-Dokumentation beleuchtet die Karriere von Joshua Kimmich - mit allen Höhen und Tiefen. (Bild: 2024 Getty Images/Alexander Hassenstein)
Eine neue ZDF-Dokumentation beleuchtet die Karriere von Joshua Kimmich - mit allen Höhen und Tiefen. (Bild: 2024 Getty Images/Alexander Hassenstein)

In einer neuen ZDF-Dokumentation wird klar, wir belastend die öffentliche Debatte um seinen Corona-Impfstatus für Joshua Kimmich war. Der Nationalspieler bricht im Film sogar in Tränen aus. Uli Hoeneß übt rückblickend Kritik an den damaligen Umgangsformen im Verein.

Ende 2021 schien es einige Wochen lang kaum ein wichtigeres Thema in Deutschland zu geben als den Impfstatus von Joshua Kimmich. Nachdem der Fußballnationalspieler im Oktober offenbart hatte, auf die Corona-Schutzimpfung wegen fehlender "Langzeitstudien" vorläufig verzichten zu wollen, brach ein medialer Tsunami über ihn herein. Als er schließlich im Dezember im ZDF-Interview ein "schlechtes Gewissen" und Fehleinschätzungen einräumte, berichtete darüber sogar die "Tagesschau". Wie stark dem FC-Bayern-Profi die Debatte um seine Person zugesetzt hat, wird nun in einer ZDF-Dokumentation deutlich.

"Ich möchte immer, dass mein Körper so funktioniert, wie er ist", sagt der Ausnahmesportler im Film "Joshua Kimmich - Anführer und Antreiber". Das schließe etwa aus, sich für ein Fußballspiel fit spritzen zu lassen. Im Langzeitporträt, für das ihn der Filmemacher Jan Mendelin seit 2016 mit der Kamera begleitete, kommt auch Kimmichs Ehefrau Lina zu Wort. Sie erinnert sich an eine harte Zeit: "Es hat ihn fertiggemacht. Weil's teilweise sehr persönlich wurde, nicht mehr fair war."

Trotz Meisterschaft: Die Corona-Jahre waren für Joshua Kimmich beim FC Bayern München keine einfachen. (Bild: 2021 Getty Images/Alexander Hassenstein)
Trotz Meisterschaft: Die Corona-Jahre waren für Joshua Kimmich beim FC Bayern München keine einfachen. (Bild: 2021 Getty Images/Alexander Hassenstein)

Kimmich bricht in Video-Call in Tränen aus: "Wenn du da keine Familie hast ..."

So seien etwa Reporter auf der Beerdigung des Großvaters aufgetaucht. Kimmich in der ZDF-Doku: "Am Ende sind wir dahingekommen: Es ist die Pandemie der Ungeimpften. Derjenige, der für die Ungeimpften steht, ist Joshua Kimmich. Also ist auch er für die Pandemie verantwortlich." Der Mittelfeldspieler verständnislos: "Ist es meine Aufgabe als Sportler, Menschen vom Impfen zu überzeugen? Das war echt eine brutale Zeit."

In einem Videocall, der mit dem Filmemacher zur damaligen Zeit geführt wurde, bricht Kimmich sogar in Tränen aus: "Ein Kumpel sagte mir, dass weniger Menschen gestorben wären, wenn ich mich hätte impfen lassen. Das ist brutal. Wenn du da keine Familie hast, dann kann's zerbrechlich werden."

Dass Kimmich sich letztlich doch für eine Corona-Impfung entschied, war offenbar weniger einer tieferen Einsicht als vielmehr dem Pragmatismus geschuldet. "Es war für mich nahezu unmöglich, ohne Impfung weiter Fußball zu spielen", erklärt er im ZDF-Film. "Ich war mehrere Wochen als Kontaktperson, ohne Corona gehabt zu haben, in Quarantäne." In der Quarantäne-Zeit habe ihm Bayern München das Gehalt nicht ausgezahlt.

Kimmich: "Da stellt man sich schon die Frage, was machst du jetzt? Lässt du dich impfen und kannst wieder Fußball spielen? Oder bleiben die Bedenken und du sitzt Wochen und Monate lang zu Hause? Am Ende des Tages habe ich mich eben impfen lassen."

Kimmich: Vertrauensgefühl gegenüber dem FC Bayern ist "kaputtgegangen"

In einem weiteren Interview blickt Kimmich im März 2022 auf die belastende Zeit zurück und macht dabei dem FC Bayern München schwere Vorwürfe: "Ich habe mich zu lange alleingelassen gefühlt", klagt er. "Ich bin fast sieben Jahre im Verein, und es gab nicht so viele Skandale um meine Person." Bei der "ersten Talfahrt" habe er nun gemerkt, "wie der Verein reagiert hat, und dementsprechend bin ich enttäuscht und getroffen". Kimmich: "Das Vertrauensgefühl, das ich dem Verein gegenüber hatte, ist kaputtgegangen. Ich weiß nie, was an die Öffentlichkeit kommt, wenn ich mit dem einen oder anderen spreche."

Auch sein damaliger Trainer bei Bayern München, der heutige Bundestrainer Julian Nagelsmann, äußert sich zur Impf-Causa um den Mittelfeld-Star: "Generell ist es aus Trainersicht das Schlimmste, was passieren kann, wenn ein Keil zwischen Verein und Spieler getrieben wird", sagt Nagelsmann. "Am Ende ist es immer wichtig, dass du stolz bist, für deinen Klub zu spielen, und alles investierst. Das hat Jo gemacht, aber es fiel ihm in gewissen Situationen schwer, sich voll und ganz zu identifizieren."

Uli Hoeneß: "Die Koordinaten des Vereins haben sich nicht gerade zum Vorteil entwickelt"

In einem 2024 geführten Interview übt Ehrenpräsident Uli Hoeneß Generalkritik an den Umgangsformen im Verein, die Filmemacher Jan Mendelin in einen Zusammenhang mit der Impf-Debatte stellt: "Die Koordinaten des Vereins haben sich nicht gerade zum Vorteil entwickelt", sagt Hoeneß, offenbar gemünzt auf den kurzen Zeitraum, in dem Oliver Kahn als CEO die Geschicke im Verein leitete.

"Wir alle, die Führung, die Spieler, die Trainer, die da kommen, müssen wieder hart daran arbeiten, den FC Bayern zu dem zu machen, was er vor zwei, drei Jahren noch war", mahnt der Aufsichtsratsvorsitzende. "Da waren wir unangreifbar, eine Wagenburg, da wurde nicht alles über die Medien verbreitet. Da wurden Probleme am Tisch diskutiert. Da hat man sich gefetzt und dann ging es wieder weiter."

Den Film "Joshua Kimmich - Anführer und Antreiber" zeigt das ZDF am Samstag, 22. Juni, 23.45 Uhr, und vorab in der Mediathek.