"Gelernt, wegzuhören": "Panorama"-Bericht über Sexismus und Herabwürdigung von Fußballerinnen

Aktuell sorgt die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft bei der EM in England für Begeisterung. Nach der Partie gegen Österreich beleuchtet das ARD-Magazin "Panorama" in einem Bericht die Schattenseiten: Spielerinnen werden belästigt und nicht ernstgenommen - im Amateur- und Profibereich.

Auch sie spricht offen über Sexismus im Frauenfußball: Fußball-Nationalspielerin Almuth Schult. (Bild: Alex Pantling/Getty Images)
Auch sie spricht offen über Sexismus im Frauenfußball: Fußball-Nationalspielerin Almuth Schult. (Bild: Alex Pantling/Getty Images)

Am Donnerstagabend kämpft die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft gegen Österreich um den Einzug ins Halbfinale der Europameisterschaft. Die Erfolge in England werden von Presse und Fans bejubelt. Allerdings sieht der Alltag vieler Fußballerinnen ganz anders aus. Regelmäßig müssen sie sich sexistische und herabwürdigende Kommentare anhören, wie Recherchen des NDR und der "Süddeutschen Zeitung" zeigen. Die Sprüche kommen nicht nur von Zuschauern, sondern sogar von Trainern und Betreuern. Anzügliche Bemerkungen, das Absprechen von Kompetenz oder gar eine Hand auf dem Po: Das Magazin "Panorama" widmet sich diesem Thema im Anschluss an das Spiel Deutschland gegen Österreich (Donnerstag, 21. Juli, 23.15 Uhr, ARD).

Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme hörte beispielsweise in einem Gespräch über eine Mitspielerin: "Die ist auch richtig heiß, ne? Die würde ich auch mal wegbügeln wollen." Bei Saskia Matheis, für Werder Bremen in der Bundesliga im Einsatz, hat sich folgender Satz eingebrannt: "Frauenfußball ist wie Pferderennen. Nur auf Eseln." - er stammte natürlich von einem Mann. Dass auch Journalisten nicht von Sexismus gefeit sind, musste Nationaltorhüterin Almuth Schult anhand folgender Frage erfahren: "Wie fühlt sich das an, wenn man als eine der wenigen in der Mannschaft einen Mann liebt und keine Frau?" Der Journalist suggerierte, es würden hauptsächlich Lesben Fußball spielen.

Von der Kreisliga bis zum Profifußball

Das Problem besteht auch in der Kreisliga. "Wir haben alle gelernt, wegzuhören", so Spielerin Franziska Bielfeld, die abwertende Kommentare à la "Mannsweib" oder "Kampflesbe" kennt - auch von männlichen Spielern ihres Klubs. Im Namen des Teams beschwerte sie sich bei der Mitgliederversammlung, viele reagierten nur mit einem Lachen.

Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft steht im Viertelfinale der EM in England. Im Alltag führen Spielerinnen oft einen Kampf gegen Sexismus und Herabwürdigung. (Bild: Maja Hitij / Getty Images for DFB)
Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft steht im Viertelfinale der EM in England. Im Alltag führen Spielerinnen oft einen Kampf gegen Sexismus und Herabwürdigung. (Bild: Maja Hitij / Getty Images for DFB)

"Das Momentum dafür, einen Wandel hervorzurufen"

"Jeder Fall der auch wahrgenommenen Grenzüberschreitungen ist einer zu viel. Das muss angesprochen werden", sagt Heike Ullrich, Generalsekretärin des DFB. Ihrer Meinung nach zeige Bielfelds Fall, dass Präventionsarbeit noch nicht in allen Vereinen angekommen sei. Für sie ist Sexismus jedoch mehr ein gesamtgesellschaftliches Problem, als eines des Fußballs. "Es ist unser aller Aufgabe, nicht nur die des Fußballs, des Sports, sondern unserer Gesellschaft auf diese Grenzüberschreitungen aufmerksam zu machen", so Ullrich.

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Sexistisches Verhalten findet selbst in Deutschlands höchster Spielklasse statt, wie eine anonyme Bundesligaspielerin berichtet. "Er hat immer wieder Kommentare zu dem Hintern einer Mitspielerin gemacht", sagt sie über den Trainer der Mannschaft. Zudem würden die Spielerinnen "nicht als professionelle Athletin gesehen" und ihre Leistungen mit denen der Männer verglichen. Inzwischen haben sich Verein und Trainer getrennt.

Nicht nur in Amateur-, auch in Profiklubs würden Jugendmannschaften den Frauen in Sachen Trainingsbedingungen vorgezogen. Für die ehemalige Welttorhüterin Schult vom VfL Wolfsburg ist das frustrierend: "Wenn man selbst das Gefühl hat, man gibt immer schon alles und trotzdem ändert sich nichts." Dennoch findet sie auch optimistische Worte: "Es ist gerade das Momentum dafür, einen Wandel hervorzurufen. Es geht schlicht um Gleichberechtigung und Chancengleichheit."

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