Habeck fordert «harte politische Antwort» auf Antisemitismus
Auf über 4,6 Millionen Views kommt ein Video von Vizekanzler Robert Habeck zum Nahost-Konflikt. Positive Reaktionen bekommt er dafür nicht nur aus den eigenen Reihen.
In einem viel beachteten Video hat Vizekanzler Robert Habeck Antisemitismus in Deutschland scharf verurteilt und Solidarität mit Jüdinnen und Juden angemahnt. «Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren, in keiner. Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten Deutschlands ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort», sagte der Bundeswirtschaftsminister und Grünen-Politiker in einem Video, das sein Ministerium am Mittwochabend bei X (vormals Twitter) verbreitete.
Lob von der CDU für Habecks Appell
Das Video kam bis zum späten Abend nach Angaben der Plattform auf zwei Millionen Ansichten und wurde tausendfach geteilt. Politiker auch der CDU lobten den Appell.
Habeck sagte, es brauche auch von den muslimischen Verbänden in Deutschland eine Antwort auf Antisemitismus. Einige hätten sich klar von den Taten der Hamas und Antisemitismus distanziert. «Aber nicht alle, und manche zu zögerlich und ich finde, insgesamt zu wenige.» Die Muslime in Deutschland müssten sich klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen. «Für religiöse Intoleranz ist kein Platz in Deutschland.»
Der Terrorangriff der Hamas auf #Israel ist jetzt bald vier Wochen her. Vieles ist seitdem passiert, die öffentliche Debatte aufgeheizt und verworren. Im Video deshalb einige Gedanken von Vizekanzler und Minister Robert #Habeck zur Einordnung und Differenzierung. pic.twitter.com/v79XcHpVZo
— Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (@BMWK) November 1, 2023
Das Verbrennen israelischer Flaggen sei eine Straftat, das Preisen der Hamas-Taten auch. «Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus. Wer noch keinen Aufenthaltstitel hat, liefert einen Grund, abgeschoben zu werden.»
Seit dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel kam es unter anderem in Berlin bei propalästinensischen Demonstrationen wiederholt zu antisemitischen und israelfeindlichen Aktionen. Vor diesem Hintergrund sprach die Polizei zuletzt immer wieder Verbotsverfügungen gegen bestimmte Demonstrationen aus, andere durften stattfinden.
Antisemitismus auch aus anderen politischen Gruppen
Der islamistische Antisemitismus dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch einen in Deutschland verfestigten Antisemitismus gebe, auch wenn sich Rechtsextreme aus taktischen Gründen jetzt zurückhielten, um gegen Muslime hetzen zu können, sagte Habeck.
«Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen Linken, und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten.» Antikolonialismus dürfe nicht zu Antisemitismus führen. Der Tod und das Leid, das über die Menschen im Gazastreifen komme, sei schlimm. «Systematische Gewalt gegen Jüdinnen und Juden kann damit dennoch nicht legitimiert werden», sagte Habeck.
Der Antisemitismus zieht sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen hindurch, der zieht sich durch alle Nationalitäten hier in Deutschland hindurch.Außenministerin Annalena Baerbock
Ähnlich äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock im ZDF. «Der Antisemitismus zieht sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen hindurch, der zieht sich durch alle Nationalitäten hier in Deutschland hindurch. Deshalb muss jegliche Form von Antisemitismus, ob er von rechts, von links, von Zugewanderten oder von hier Geborenen kommt, bekämpft werden», sagte sie in der Sendung «Was nun, ...?».
Habeck kritisiert UN-Resolution
Baerbock verteidigte in der Sendung erneut die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über die Gaza-Resolution in der UN-Vollversammlung. Deutschland falle die besondere Rolle zu, die Gesprächskanäle zu anderen Akteuren in der Region wie Ägypten oder Jordanien offen zu halten, sagte sie.
Die am Freitag vergangener Woche mit Zwei-Drittel-Mehrheit angenommene UN-Resolution verurteilt jegliche Gewalt gegen die israelische und palästinensische Zivilbevölkerung, fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller «illegal festgehaltenen» Zivilisten und verlangt ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Außerdem wird zu einer «sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe» aufgerufen, die zur «Einstellung der Feindseligkeiten» führen solle. Eine eindeutige Verurteilung des Terrors der Hamas als Auslöser des Krieges ist nicht enthalten.
Habeck sagte, er stimme zu, dass man auch sehen müsse, wie die andere Seite denke, um irgendwie weiterzukommen im derzeitigen Konflikt. Angesprochen auf die deutsche Enthaltung sagte Habeck zudem, die Enthaltung bedeute nicht, dass sich Deutschland raushalten wolle, sondern im Gegenteil bei einer Lösung mithelfen wolle.
Zugleich kritisierte er die Resolution in der ZDF-Sendung «Markus Lanz». Israels Partner wie Deutschland und die USA appellierten immer wieder an die israelische Regierung, zivile Opfer zu vermeiden und das sei auch richtig, sagte er. Es sei ein Unterschied auf der politischen Ebene, dass es der Hamas darum gegangen sei, «Menschen hinzuschlachten», sagte Habeck. «Und deshalb ist es keine gute Resolution, weil sie nicht politisch ist. Sie durchdringt und nennt das politische Problem nicht beim Namen.»
Reaktionen auf Habeck-Video bei X: «argumentativ stark»
Habecks Video stieß bei X auf ein breites Echo. Zum zweiten Mal seit dem 7. Oktober, dem Tag des Hamas-Angriffs auf Israel, treffe Robert Habeck den richtigen Ton «wie kein anderer in dieser Bundesregierung», schrieb die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien.
«Ein starker, notwendiger Auftritt». Der frühere CDU-Vorsitzende Armin Laschet schrieb in Anspielung auf die UN-Resolution: «Das klingt nicht nach Enthaltung oder nach «Nicht-nur-eine-Sichtweise».» Es sei die «erforderliche, argumentativ stark und gut begründete innen- und außenpolitische Haltung Deutschlands». Diese müsse weit über alle Parteigrenzen hinweg gehört und unterstützt werden.
Im Video: Europas Juden haben Angst - Hass und Angriffe nehmen zu