"Wir haben nicht für eine Diktatur gekämpft" - Protest in Israel gegen Justizreform

Hunderttausend Demonstranten sind die siebte Woche in Folge gegen Benjamin Netanjahus Justizreform auf die Straße gegangen. Die Knesset wird über einen Gesetzentwurf abstimmen, durch den das Parlament Gerichtsentscheidungen mit einfacher Mehrheit überstimmen kann. Kritiker sehen dies als direkten Angriff auf die Demokratie.

"Wir haben keine Wahl, wir können nicht aufgeben. Das ist unser Land, ich habe in Kriegen gekämpft, ich habe Freunde verloren - dafür sind sie nicht gestorben, nicht für einen diktatorischen Staat. Ich bin es ihnen schuldig, es ist das Mindeste, was ich tun kann."

Nati Ron, Rechtsanwalt und Gegner der Justizreform

Mit der geplanten Justizreform soll dem Parlament mittels Mehrheitsentscheid unter anderem die Möglichkeit gegeben werden, Entscheidungen des höchsten Gerichts aufzuheben. Zudem soll die Politik mehr Macht bei der Ernennung von Richtern erhalten. Für Montag ist die erste Lesung der Reform im Parlament geplant.

Netanjahu, gegen den mehrere Verfahren laufen, könnte die Reform nutzen, um eine mögliche Verurteilung wegen Korruption zu kippen.

Befürworter der Reform meinen, die israelische Justiz sei zu sehr politisiert, nur eine Reform könne das System "wieder ins Gleichgewicht" bringen. Yariv Levin, Justizminister der rechts-religiösen Regierung, betonte: "Es ist nicht richtig, wenn Drohungen der Strasse bestimmen, wie sich ein Land entwickelt".

Nach Angaben der Veranstalter sind am Samstag mehr als 100.000 Menschen auf die Strassen gegangen, für Montag sind Streiks und eine Grossdemonstration in Jerusalem geplant.