Israels Militär dringt in Schifa-Krankenhaus ein

Gaza (dpa) - Die israelischen Streitkräfte sind in einen Teil des Schifa-Krankenhauses im Gazastreifen eingedrungen. Auf der Grundlage nachrichtendienstlicher Informationen führten Soldaten «eine präzise und gezielte Operation gegen die Hamas in einem bestimmten Bereich des Schifa-Krankenhauses durch», teilte die Armee am frühen Mittwochmorgen auf Telegram mit. «Wir fordern alle im Krankenhaus anwesenden Hamas-Terroristen auf, sich zu ergeben.»

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO befanden sich mit Stand Montag mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik, darunter vermutlich mehr als 600 Patienten und rund 1500 Vertriebene. Die Angaben beruhen auf Schätzungen des dortigen Gesundheitsministeriums, das von der Hamas kontrolliert wird. Augenzeugen bestätigten die Zahlen.

Krankenhäuser im Gazastreifen; Redaktion: B. Schaller; Grafik: R. Mühlenbruch/F. Bökelmann
Krankenhäuser im Gazastreifen; Redaktion: B. Schaller; Grafik: R. Mühlenbruch/F. Bökelmann

Seit Tagen kommt es in der Nähe von Krankenhäusern im nördlichen Gazastreifen zu Gefechten zwischen israelischen Bodentruppen und palästinensischen Extremisten. Mitarbeiter des Schifa-Krankenhauses, der größten Klinik im Gazastreifen, berichteten von anhaltendem Beschuss in dem Gebiet. Israel vermutet unter dem Krankenhaus-Komplex eine Kommandozentrale der Hamas. Diese bestreitet das.

Zu den Einsatzkräften bei der Militäroperation im Schifa-Krankenhaus gehörten nach Armee-Angaben auch medizinische Teams und Arabisch sprechende Personen. Sie hätten eine spezielle Ausbildung durchlaufen und sollten sicherstellen, dass Zivilisten, die von der Hamas als menschliche Schutzschilde benutzt werden, kein Schaden zugefügt werde, hieß es in der Mitteilung der Streitkräfte weiter.

Medienberichten zufolge hatten die Streitkräfte die Behörden im Gazastreifen vor dem Einsatz gewarnt. Das Militär habe einen palästinensischen Gesundheitsbeamten kontaktiert und über den bevorstehenden Angriff informiert, sagte ein Sprecher des von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium am Mittwoch dem Fernsehsender Al-Dschasira.

Armee: Gezwungen, gegen Hamas in Krankenhäusern vorzugehen

Zuvor hatte Israels Militärsprecher Daniel Hagari bereits angekündigt, dass die Streitkräfte auch gegen die mutmaßliche Infrastruktur der Hamas in Krankenhäusern im Gazastreifen vorgehen werden. «Die fortgesetzte militärische Nutzung des Schifa-Krankenhauses durch die Hamas führt dazu, dass es seinen besonderen völkerrechtlichen Schutz verliert», sagte Hagari. «Wir sind gezwungen, vorsichtig und präzise gegen die militärische Infrastruktur der Hamas in den Krankenhäusern vorzugehen.»

Auch die USA gehen davon aus, dass die Hamas im Gazastreifen Krankenhäuser für militärische Zwecke nutzt. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, sagte: «Hamas und Mitglieder des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) nutzen einige Krankenhäuser im Gazastreifen - auch die Schifa-Klinik - und unter ihnen liegende Tunnel, um ihre Militäroperationen zu verbergen und voranzutreiben und um Geiseln festzuhalten».

Netanjahu fordert Unterstützung im Kampf gegen die Hamas

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warb erneut für Unterstützung seines Landes im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen. In einem Beitrag auf X (früher Twitter) wandte sich Netanjahu direkt an den kanadischen Premierminister Justin Trudeau: «Nicht Israel zielt absichtlich auf Zivilisten, sondern die Hamas enthauptet, verbrennt und massakriert Zivilisten im schlimmsten Horror, der seit dem Holocaust an Juden verübt wurde.» Er forderte: «Die Kräfte der Zivilisation müssen Israel dabei unterstützen, die Barbarei der Hamas zu besiegen.» Zuvor hatte Trudeau Berichten zufolge die israelische Regierung «dringend» aufgefordert, in ihrem Kampf im Gazastreifen «maximale Zurückhaltung zu üben» und eine humanitäre Pause zu gewähren. Er sagte: «Die Welt ist Zeuge dieser Tötung von Frauen, Kindern und Babys. Das muss aufhören.»

UN-Hilfswerk: Hilfe in Gaza wegen Benzinmangels unmöglich

Wegen Treibstoffmangels könnte die humanitäre Unterstützung von über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen nach Einschätzung des UN-Hilfswerkes für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bald zusammenbrechen. Ein Treibstoff-Depot innerhalb des Gazastreifens, das das Hilfswerk zuletzt genutzt habe, sei nun leer, sagte UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini. «Es ist ganz einfach. Ohne Treibstoff wird die humanitäre Operation im Gazastreifen zu Ende gehen. Viele weitere Menschen werden leiden und wahrscheinlich auch sterben.»

UN-Chef fordert Feuerpause «im Namen der Menschlichkeit»

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich «zutiefst beunruhigt» über die Lage in den Krankenhäusern im Gazastreifen. Diese verzeichneten dramatische Verluste an Menschenleben, ließ Guterres mitteilen. «Im Namen der Menschlichkeit fordert der Generalsekretär eine sofortige humanitäre Waffenruhe», hieß es in einer Mitteilung. Israel kritisierte Guterres wegen seiner Rolle im Gaza-Krieg. «Guterres hat es nicht verdient, UN-Chef zu sein», sagte der israelische Außenminister Eli Cohen. Er habe sich nicht entschieden genug gegen den Terror der Hamas gestellt. «Guterres sollte wie alle freien Nationen klar und laut sagen: "Befreit Gaza von der Hamas"», sagte Cohen weiter.

Was am Mittwoch wichtig wird

Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu reist nach Ägypten und Saudi-Arabien. Er wolle Gespräche über die Lage im Gazastreifen und die Sicherheitslage in der Region führen, schrieb er vor seiner Abreise auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter. Er wolle die Golfregion besuchen und seine Reise am Freitag in Israel beenden. Es sei der erste Besuch eines französischen Verteidigungsminister in Israel seit dem Jahr 2000.