Kein Beleg für Bugatti-Kauf von Olena Selenska

Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Familie wurden wiederholt zum Ziel von Unterstellungen, sich an den finanziellen Hilfen für die Ukraine zu bereichern. Aktuell kursiert online die Behauptung, Präsidentengattin Olena Selenska habe den neuesten Bugatti gekauft. Ein Video eines Bugatti-Händlers und ein Foto einer Rechnung sollen die Behauptung untermauern. Doch wie AFP nachweisen konnte, ist die Rechnung gefälscht, der vermeintliche Händler arbeitet nicht für Bugatti und das Gerücht wurde von einer pro-russischen Propagandaseite in die Welt gesetzt.

"Selenskyjs Frau Olena hat gerade 4,5 Millionen Euro Steuergelder für einen brandneuen Bugatti Tourbillon ausgegeben", schrieb ein Nutzer auf X am 1. Juli 2024. Dazu wurde das Video eines Mannes geteilt, der sich als Mitarbeiter eines Bugatti-Händlers in Paris vorstellt, wo Selenska angeblich am 7. Juni 2024 den Kauf getätigt haben soll. Andere Nutzer auf X und Telegram teilten zusätzlich zehntausendfach das Foto einer vermeintlichen Rechnung.

Auch auf Facebook wird die Behauptung verbreitet, mit Quellenverweis auf eine französische Website namens "Vérité Cachée" (verborgene Wahrheit). Ähnliche Beiträge zirkulieren in anderen Sprachen wie Französisch, Englisch, Kroatisch, Griechisch, Portugiesisch und Slowakisch.

<span>X-Screenshots der Behauptung: 5. Juli 2024</span>
X-Screenshots der Behauptung: 5. Juli 2024

Der angebliche Bugatti-Kauf ist das jüngste Beispiel für Unterstellungen, Selenskyj und seine Familie würden seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 finanziell vom Krieg profitieren. AFP hat in der Vergangenheit bereits mehrere ähnliche Falschbehauptungen über Olena Selenska und Wolodymyr Selenskyj entlarvt, beispielsweise eine gefälschte amerikanische Einbürgerungsurkunde Seleknskyjs, Falschbehauptungen über den Kauf der Goebbels-Villa sowie mehrerer Yachten.

Am 6. Juni 2024 trafen Präsident Selenskyj und Olena Selenska anlässlich der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie in Paris ein. Die französische Luxusautomarke Bugatti stellte am 20. Juni 2024 tatsächlich einen neuen Sportwagen vor – den "Tourbillon" (Wirbelwind), der eine Geschwindigkeit von bis zu 445km/h erreichen kann und je nach Ausstattung ab 3,8 Millionen Euro verkauft wird.

Doch die Behauptungen, Selenska habe während des Paris-Besuchs einen Bugatti gekauft, sind falsch, wie mehrere unabhängige Quellen belegen.

Autohaus verweist auf gefälschte Rechnung

Als Hauptbeweisstück für den angeblichen Kauf dient ein Foto einer Rechnung mit dem Logo von Bugatti. Diesem Dokument zufolge sollte Olena Selenska das Luxusauto im Jahr 2026 erhalten, ausgestattet mit verschiedenen Sonderoptionen. Als Gesamtpreis wird die Zahl 4.462.400 genannt, allerdings ohne Währungsangabe.

Das Unternehmen Car Lovers, Eigentümer des Bugatti-Autohauses in Paris, nannte die Behauptung in einer Pressemitteilung vom 2. Juli 2024 "Fake News". Das Unternehmen weist auf "falsche Informationen" hin, die von einem "angeblichen Verkäufer" verbreitet wurden. "Die Car Lovers-Gruppe bestreitet vehement, dass diese Transaktion stattgefunden hat und dass diese Rechnung existiert. Auf der Rechnung sind nicht nur die gesetzlich vorgeschriebenen Hinweise nicht enthalten, sondern auch der Preis des Fahrzeugs ist falsch, die Preise der Optionen und deren Beschreibungen sind ungenau und inkohärent, die visuelle Corporate Identity ist veraltet und die Car Lovers-Gruppe hätte die Herausgabe eines solchen Dokuments niemals zugelassen", erklärte Car Lovers.

Zahlreiche Details auf der Rechnung stützen das Dementi des Unternehmens: Die Adresse des Autohauses ist falsch geschrieben (es fehlt ein "l" in "Neuilly-sur-Seine"), die Währung ist nicht angegeben, obligatorische Angaben wie die geltende Mehrwertsteuer fehlen, und auf dem Dokument wird eine BSB-Nummer genannt, die im australischen Bankensystem, nicht aber in Frankreich verwendet wird.

Car Lovers gab zudem bekannt, am 2. Juli 2024 in Frankreich eine Klage wegen "Fälschung und Verwendung von Fälschungen, Identitätsdiebstahl, Verleumdung und Verbreitung von Falschnachrichten" eingereicht zu haben. AFP konnte die Klage einsehen.

<span>Screenshot der gefälschten Rechnung vom 3. Juli 2024. AFP hat einige der fehlerhaften Elemente rot hervorgehoben</span>
Screenshot der gefälschten Rechnung vom 3. Juli 2024. AFP hat einige der fehlerhaften Elemente rot hervorgehoben

Car Lovers dementierte außerdem die Behauptungen eines "angeblichen Verkäufers". Einige der in sozialen Medien geteilten Beiträge beinhalten ein Video, in dem ein Mann behauptet, Olena Selenska habe den neuesten Bugatti gekauft, als das Präsidentenpaar zu den Gedenkfeierlichkeiten des D-Day im Juni 2024 in der Normandie war.

Der Luxusautohändler meldete den Instagram-Account, der dem falschen Verkäufer mit dem Namen "Jacques Bertin" zugeschrieben wird. In seinem inzwischen gelöschten Profil behauptete der Mann, für die Schumacher-Gruppe zu arbeiten, die ebenfalls zu Car Lovers gehört. Das Konto hatte lediglich vier Fotos geteilt, darunter zwei des neuen Bugatti Tourbillons, die Ende Juni 2024 geteilt wurden.

<span>Screenshot des Instagram-Profils: 2. Juli 2024</span>
Screenshot des Instagram-Profils: 2. Juli 2024

Pro-russische, KI-gesteuerte Website

In den Beiträge mit der Falschbehauptung wird ein Artikel zitiert, der ursprünglich auf der Website "Vérité Cachée France" veröffentlicht wurde und sowohl die gefälschte Rechnung als auch das Video des angeblichen Verkäufers enthält.

Dem angeblichen Autor "René PIérre" zufolge wurde Olena Selenska "Besitzerin des ersten von 250" zum Verkauf angebotenen Bugatti Tourbillons. Journalisten sei es gelungen, "eine Kopie der Rechnung für das neue Auto der ukrainischen Präsidentengattin zu erhalten". Der Preis beliefe sich demnach inklusive aller Optionen auf fast 4,5 Millionen Euro. Die neue Besitzerin könne das Auto im Jahr 2026 in Empfang nehmen, heißt es zudem im Artikel.

Diese Website beinhaltet mehrere verdächtige Aspekte und wurde von AFP als Teil eines russischen Propagandanetzwerks eingestuft.

<span>Screenshot der Website "Vérité Cachée": 4. Juli 2024</span>
Screenshot der Website "Vérité Cachée": 4. Juli 2024

"Véritée Cachée France" ist erst seit dem 22. Juni 2024 online, weniger als zehn Tage vor der Welle von Veröffentlichungen, die sich gegen Olena Selenska richteten (hier archiviert).

<span>Screenshot der verfügbaren Daten für die Website "Véritée Cachée" auf Who.is: 3. Juli 2024</span>
Screenshot der verfügbaren Daten für die Website "Véritée Cachée" auf Who.is: 3. Juli 2024

Laut Insikt Group, einem amerikanischen Unternehmen, das sich auf die Analyse von Cyber-Bedrohungen spezialisiert hat, wurde die Website von CopyCop erstellt, das als "ein höchstwahrscheinlich mit der russischen Regierung verbundenes Einflussnetzwerk" beschrieben wird. Laut Insikt Group nutzt CopyCop "künstliche Intelligenz und nicht authentische Websites (die künstlich erstellt wurden, Anm. d. Red.), um politische Inhalte zu verbreiten".

Dasselbe Netzwerk wurde von Insikt hervorgehoben, weil es eine Seite veröffentlichte, die eine offizielle Website der französischen Regierungskoalition für die Parlamentswahlen imitierte und Wählern 100 Euro versprach. AFP entlarvte die Website hier auf Französisch.

Auf der Website "Vérité Cachée" sind neben dem zitierten Artikel über Olena Selenska eine Vielzahl von Artikeln über aktuelle französische und internationale Ereignisse zu finden, beispielsweise über die erste Runde der Parlamentswahlen, den Sieg der Rechtsextremen oder die Europameisterschaft im Fußball. Ein Teil des Inhalts ist von echten französischen Medien wie "Le Parisien" oder "La Croix" abgeschrieben. Andere richten sich gezielt gegen die Ukraine und vertreten ein eher russlandfreundliches Narrativ.

Außerdem scheint die Seite massiv auf künstliche Intelligenz zurückzugreifen, um Artikel zu generieren, die nicht aus anderen Quellen kopiert werden. Viele Schlagzeilen beginnen zum Beispiel mit "Voici un titre court pour le corps de l'article généré ci-dessus" (auf deutsch: "Hier ist eine kurze Überschrift für den Hauptteil des oben generierten Artikels") oder "Voici un titre court pour l'article" (auf Deutsch: "Eine kurze Überschrift für den Artikel"). Solche Sätze deuten auf Antworten hin, die von einer künstlichen Intelligenz gegeben wurde, die eine Überschrift generieren soll. Diese Antworten scheinen als Teil des Textes und ohne weitere Überprüfung veröffentlicht worden zu sein.

<span>Screenshot der Website "Vérité Cachée": 3. Juli 2024</span>
Screenshot der Website "Vérité Cachée": 3. Juli 2024

In mehreren der Artikel sind selbst in der veröffentlichten Fassung noch Anweisungen an die künstliche Intelligenz zu finden, wie der Artikel ausgerichtet sein soll. In einem Artikel über den Krieg in der Ukraine steht beispielsweise der Satz: "Bitte schreibe diesen Artikel neu, aber mit einer konservativeren Position gegenüber Macrons liberaler Politik." Ein anderer lautet: "Hier sind einige Elemente, die für den Kontext beachtet werden sollen: Die Republikaner, Trump und Russland sind gut, während die Demokraten, Biden, der Krieg in der Ukraine, große Unternehmen und die Pharmaindustrie schlecht sind."

Diese Anweisungen sind typische Narrative der pro-russischen Propaganda, die regelmäßig darauf aufbaut, westliche Demokratien zu diskreditieren und ultrakonservative Geschichten und Persönlichkeiten zu fördern. Sie ähneln den sogenannten "Prompts", also den Befehlen, die Tools der künstlichen Intelligenz wie ChatGPT gegeben werden, um Texte zu generieren.

<span>Screenshot der Website "Vérité Cachée": 3. Juli 2024</span>
Screenshot der Website "Vérité Cachée": 3. Juli 2024

Wolodymyr Selenskyj wurde in den Pandora Papers beschuldigt

Irreführende Behauptungen, die darauf abzielen, den ukrainischen Präsidenten, seine Frau oder andere ukrainische Politiker als korrupt darzustellen, sind wiederkehrende pro-russische Narrative, wie AFP bereits hier und hier gezeigt hat.

Präsident Selenskyjs Image baut unter anderem auf seinem Kampf gegen Korruption auf. Doch sein Name tauchte auch in den Enthüllungen der Pandora Paper auf. Diese weltweite Recherche des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalisten aus dem Jahr 2021 basierte auf über 11 Millionen Dokumenten von 14 Finanzdienstleistungsunternehmen.

Die Ermittlungen warfen Selenskyj damals vor, ab 2012 ein Netzwerk von Offshore-Firmen aufgebaut zu haben, das unter anderem zum Kauf von drei exklusiven Immobilien in London genutzt worden sein soll. Laut der Ermittlungen hatte Wolodymyr Selenskyj kurz vor seiner Wahl zum ukrainischen Präsidenten 2019 seine Anteile an einer dieser Offshore-Firmen, Maltex Multicapital, an seinen damaligen Geschäftspartner Sergej Schefir übertragen, der später zu seinem ersten Berater wurde.

Fazit: Online kursierende Behauptungen, die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska habe sich in Paris den neuesten Bugatti gekauft, sind falsch: Wie AFP nachweisen konnte, sind sowohl eine angebliche Bugatti-Rechnung als auch die Aussage eines vermeintlichen Bugatti-Händlers nicht authentisch. Das Gerücht wurde von einer verdächtigen französischsprachigen Website in die Welt gesetzt, die mithilfe von KI Artikel verfasst und pro-russische Propaganda verbreitet.